Die Redaktion der Bild-Zeitung hat schließlich doch begriffen: Die Lohnungerechtigkeit zwischen Ost und West muss endlich überwunden werden. Die unterschiedliche Höhe der Löhne in Ost- und Westdeutschland ist 17 Jahre nach der politischen und ökonomischen Wende in den Neuen Ländern ein dringend zu beseitigender Missstand. Die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag fordert deshalb die sofortige Angleichung der Löhne in Ost und West.

Die CDU wundert sich über das mangelnde Engagement der SPD für die ostdeutschen Bundesländer und begründet das damit, dass in der SPD-Parteiführung keine Ostdeutschen vertreten seien. Dabei zeigt sich bei der CDU selbst, dass eine ostdeutsche Herkunft allein noch keine gute Politik für den Osten ausmacht. Denn selbst bei einer ostdeutschen Kanzlerin bestehen die gravierenden Probleme. Ostkompetenz ist nicht eine Frage der regionalen Herkunft, sondern braucht vor allem einen politischen Willen.
Der Ost-Beauftragte stellt ein weiteres Mal unter Beweis, dass er den Osten eigentlich nicht kennt. Würde er sonst auf die Idee kommen, die selbstbewussten jungen Ostfrauen, für die das Streben nach einem guten, gleichberechtigt bezahlten Arbeitsplatz seit Generationen eine Selbstverständlichkeit ist, mit dem Almosen verschwommener "Modellprojekte" abzuspeisen? Ostdeutschland als Zentrum innovativer Technologien, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist es, worum es wirklich geht.
Wenn SPD-Chef Kurt Beck und sein Stellvertreter Jens Bullerjahn ihre Parteigenossen und Kritiker des Solidarpaktes II um die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft ermahnen, nicht an der Solidarität mit dem Osten zu rütteln und die SPD über dieser Frage zu trennen, kann das als der verzweifelte Versuch verstanden werden, zu retten, was für die SPD nicht mehr zu retten ist: Ihre vermeintliche Ostkompetenz.
Offenbar wird die Stimme Tiefensees nicht gehört, denn unverdrossen können führende SPD-Politikerinnen und Politiker die Notwendigkeit der Aufbau-Ost-Förderung öffentlichkeitswirksam in Frage stellen. Der Ost-Minister hat es augenscheinlich schwer, sich im Bundeskabinett und Partei mit den Ostthemen Gehör zu verschaffen. Dabei haben sowohl Kraft als auch Tiefensee im Grundsatz Recht. Auch strukturschwache westdeutsche Regionen brauchen Förderung.
Wer glaubt, dass die Benachteiligung des Ostens längst überwunden sei und man deshalb die Axt an die Ostförderung legen müsse, wird durch die nüchterne Lohn- und Gehaltsstatistik eines völlig Anderen belehrt: 26 400 Euro brutto pro Jahr verdienen Arbeiter und Angestellte durchschnittlich im Osten, 34 000 Euro hingegen im Westen. "Der Osten ist noch immer das deutsche Billiglohngebiet", kritisiert Roland Claus.
Die strukturschwachen Regionen im Westen brauchen dringend Förderung und Unterstützung. Denn „Leuchtturmpolitik“ und „Wettbewerbsföderalismus“ hinterlassen nun auch dort ihre verheerenden Spuren.
Wer nur „Leuchttürme“ fördert, nimmt Strukturschwäche anderswo bewusst in Kauf, und wer Strukturschwäche bewusst in Kauf nimmt, gefährdet die Zukunft des ganzen Landes.
Die gegen Tempelhof erhobenen Einwände sind ausdrücklich widerlegbar. So sind die Sicherheitsprobleme durch eine Kombination von Bausubstanzerhaltung und Neubau lösbar. Die Kosten für den denkmalsgerechten Umbau werden von der Verantwortung zur Erhaltung historischer Bauten gerechtfertigt. Es ist ökonomisch sinnvoll, das Flughafengelände als Standort für weitere Bundesministerien vorzusehen. Tempelhof bietet damit die große Chance, die Verschleuderung von Steuergeldern durch den Bund zu beenden.
Der Osten droht auszubluten, denn vor allem junge Frauen verlassen weiterhin die neuen Bundesländer in Richtung Westen. Im Jahr 2005 wanderten im Saldo 15 % mehr Frauen als Männer aus den neuen in die alten Bundesländer ab. Die Bundesregierung sieht dem weitgehend tatenlos zu. Sie entwickelt keinerlei frauenspezifische Maßnahmen für das Abwanderungsproblem. Deutlicher kann sie nicht zum Ausdruck bringen, dass ihr die Zukunft des Ostens egal ist.
Der heute vorgestellte Sozialreport 2006 bringt dramatische Zustände ans Tageslicht: Nur noch 39 % der Ostdeutschen sind mit ihrem Leben zufrieden. Im Vergleich zum Jahre 2000 (59 %) ein Verlust von 20 % der Bevölkerung. Zukunftsängste, die pessimistische Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und reale Armut prägen häufig das Bild. Die Bundesregierung verweigert, die vorhandenen Konzepte für einen selbst tragenden Aufschwung der neuen Länder, der nicht reiner Nachbau West ist, zu nutzen.