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Solidarität statt Armut – Opel Bochum muss bleiben

Nachricht von Sevim Dagdelen, Sahra Wagenknecht,

Über 200 Menschen drängten sich am Montagabend in den überfüllten Saal zur Diskussion in Bochum um die Zukunft Opels und die zunehmende Armut im Ruhrgebiet. Auch viele Opelaner und Betriebsräte von Zulieferbetrieben aus der Region waren gekommen. Auf Einladung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag debattierten im Bochumer Jahrhunderthaus LINKE-Politiker, so die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sowie der NRW-Landessprecher Rüdiger Sagel. Dazu kamen der Betriebsratschef von Opel Bochum, Rainer Einenkel und Eva Kerkemeier, Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Bochum-Herne. Vervollständigt wurde die Runde von Holger Schelte vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Im Dezember 2012 hatte der Paritätische einen Armutsbericht vorgelegt, der für das Ruhrgebiet "sehr hohe Armutsquoten mit seit Jahren steigender Tendenz" feststellte.

"Autos kaufen keine Autos"

Daran anknüpfend wies Sevim Dagdelen in ihrer Eröffnungsrede auf die dramatische soziale Situation hin. Bochum stehe wie die Region vor immensen Problemen. Armut, Arbeitslosigkeit, "atypische Beschäftigung", Deindustrialisierung und schließende Großbetriebe würden immer mehr zum Markenzeichen des Ruhrgebiets, während die herrschende Politik praktisch nicht auf diese Entwicklung reagiert. Um Werkschließungen und somit einhergehend Massenentlassungen zu verhindern, forderte Dagdelen öffentlichen und gewerkschaftlichen Einfluss wie bei VW. Dies müsse mit einem Ende der Kürzungsdiktate verknüpft werden, denn: "Autos kaufen keine Autos." Es gehe darum, den Widerstand für den Erhalt von Opel Bochum zu verstärken, damit der Mutterkonzern von Opel, General Motors, mit seinem Schließungsplänen für 2016 nicht durchkomme. Denn es geht nicht nur um die rund 5000 Arbeitsplätze im Bochumer Opelwerk, sondern um ca. 45.000 Beschäftigte in der ganzen Region. Ein Aus für Opel Bochum würde den "armutspolitischen Erdrutsch" im Ruhrgebiet beschleunigen.

Betriebsratschef Rainer Einenkel wies auf die gemeinsame Position aller Betriebsräte an allen europäischen Opel-Standorten hin: "Keine Kündigungen, keine Werksschließungen!" Auch wenn der Weg der internationalen Solidarität manchmal steinig sei, seien sich die Gewerkschaften einig, dass man sich nicht gegeneinander ausspielen lassen wolle. Die Bochumer Beschäftigten verfolgten eine Doppelstrategie: Verhandeln plus permanenter Widerstand im Betrieb, darunter mehrstündige Arbeitsniederlegungen. Dabei müsse man aber sensibel vorgehen, weil das GM-Management hier nur auf Fehler der Belegschaft warte, um Kapazitäten in andere Werke verlagern zu können. Einenkel wies darauf hin, dass der Automarkt in Europa wegen sinkender Massenkaufkraft einbreche. Das GM-Management exerziere jetzt die kapitalistische Logik durch: Überkapazitäten abbauen, Werke dicht machen, Lohnverzicht. Die Opel-Werke insgesamt stünden unter enormen Erpressungsdruck: Wer besonders brav ist und Lohnverzicht übe, bekomme dann vielleicht den Zuschlag für eine neue Produktion.

Binnenmarkt liegt am Boden

Sahra Wagenknecht geißelte die "Politik der Umverteilung". Wegen dieser Politik schrumpfe der Markt für PKW wie jene von Opel in Europa. In einer richtig harten Krise kaufe niemand ein Auto. Während Milliarden Euro verausgabt würden, um den Finanzhaien die Profite zu sichern, bedeute dies zugleich Kürzungen für Rentner und Erwerbslose. Die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung zerstöre Lebensperspektiven, ob in Griechenland oder Deutschland. Die Bundesrepublik aber sei so stark exportabhängig wie noch nie. Denn der Binnenmarkt liege am Boden wegen der massiven Verarmung, die durch den immensen Niedriglohnsektor und Hartz IV befördert würde. Um dem entgegenzuwirken, forderte Wagenknecht eine grundlegend andere Politik. Notwendig sei die Einführung einer Vermögensteuer, eine Reregulierung des Arbeitsmarktes, ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 10 Euro, ein Verbot der Leiharbeit sowie eine "ordentliche Arbeitslosenversicherung".

LINKE-Landessprecher Rüdiger Sagel ging mit der rot-grünen Kürzungspolitik in NRW, die die Situationen der klammen Kommunen weiter verschlechtern würde, hart ins Gericht. Er wies darauf hin, dass von den Kürzungen insbesondere das Ruhrgebiet betroffen sei. Sagel kritisierte, dass, obwohl die Opel-Beschäftigten europaweit auf 265 Millionen Euro Lohn verzichtet hätten, das GM-Management jetzt mit Werksschließungen noch höhere Gewinne herausholen wolle. Sagel betonte, dass Die LINKE an der Seite der Beschäftigten für den dauerhaften Erhalt des Opel-Standorts in Bochum stehe. Er zeigte sich überzeugt, dass dieser Standort mit innovativen Zukunftstechnologien eine Chance habe.

Kampf um Opel Bochum fängt gerade erst an

Eva Kerkemeier von der IG Metall betonte die Langfristigkeit des gewerkschaftlichen Widerstandes. Der Kampf um Opel Bochum fange gerade erst an und dieser Kampf habe eine Perspektive. Kerkemeier betonte, dass wenn die Gewerkschaften einen langen Atem hätten, dann seien sie stark. Zusammen mit Rainer Einenkel wies sie darauf hin, dass das GM-Management sich bisher nicht auf Vorschläge zur Arbeitszeitverkürzung eingelassen habe. Es gehe darum "General Motors weh zu tun und zu zeigen, man kann auf Opel nicht verzichten". Abschließend forderte sie das Publikum zur Solidarität mit Opel Bochum auf.

Holger Schelte vom Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Bochum erörterte den Armutsbericht seiner Organisation. Zum ersten Mal habe man das Ruhrgebiet speziell ins Visier genommen. Die Zahlen seien in der Tat dramatisch. Man stehe vor einem "armutspolitischen Erdrutsch". Grund dafür sei die jahrelang von der Politik verursachte Umverteilung von unten nach oben. Die Bekämpfung von Armut ginge nur durch eine Politik der Umverteilung von oben noch unten. Eine Schließung von Opel Bochum wäre für die Armutsentwicklung im Ruhrgebiet verheerend. Deshalb gehe Opel Bochum uns alle etwas an.

Beschäftigte nicht im Regen stehen lassen

In der anschließenden Diskussion mit dem interessierten Publikum wurde begrüßt, dass die DIE LINKE das bisher erste größere Diskussionsforum nach Bekanntgabe der Schließungspläne im Dezember 2012 bot. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum, Murat Yaman, bedankte sich für die Aktuelle Stunde im Bundestag zu Opel auf Antrag der LINKEN. Man habe gut erkennen können, wer die wahren Freunde der Beschäftigten sind. Insbesondere die Unterordnung unter Profitinteressen wurde beklagt. Lohnverzichten stünden Rekordgewinne gegenüber. Eine Verteidigung des Standorts könne nur mit einer Organisierung internationaler Solidarität gelingen. Man dürfe sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Dietmar Kupfer, Betriebsratsvorsitzender des Opel-Zulieferers Johnson Controls in Bochum, wies auf die existenzielle Bedrohung der Beschäftigten seines Betriebs hin, die unmittelbar ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Kupfer erklärte auch, dass es ein Mythos sei, dass der weltweite Autoabsatzmarkt abnehme. Es würde sogar eher zunehmen. Es gehe um den Bau "umweltverträglicher Opel". Der Widerstand für den Erhalt von Opel Bochum müsse verstärkt werden. Zudem müsse Druck gemacht werden, um eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu erreichen. Landes- und Bundesregierung seien gefordert, Lösungsmodelle bei Opel zu unterstützen. Ufuk Coskun, Betriebsratsvorsitzender eines Opel-Zulieferers in Gelsenkirchen, TRW, appellierte an die Politik, endlich tätig zu werden. Es könne nicht sein, dass Beschäftigte immer im Regen stehen gelassen werden, wenn Unternehmensleitungen sich aus Profitsteigerungsgründen für die Schließung eines Werkes hier und die Gründung dessen im Ausland entschieden. Da müsse ein Riegel vorgeschoben werden.

Zum Ende der Diskussion waren sich alle einig, dass es jetzt darum ginge, das Solidaritätsfest bei Opel Bochum am 3. März zu organisieren, um ein Zeichen zu setzen. Denn von sich würde sich weder die Politik noch das GM-Management bewegen.

David Staercke

linksfraktion.de, 22. Januar 2013