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Wunschzettel an Frank Plasberg

Im Wortlaut von Lukrezia Jochimsen,

Medienkolumne

Die erste Sendung von Frank Plasberg in der ARD war eine Sternstunde öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Da waren sich fast alle Kritiker einig. Als Medienkolumnistin des ND sollte ich mich da eher zurückhalten, wer weiß, ob es dem Mann und seinem Programm nicht schadet, wenn »aus dieser Ecke« ausgerechnet Lob kommt. Dennoch gilt festzuhalten: Die Entscheidung, mit der ersten Sendung von »Hart aber fair« in der ARD gewissermaßen am Vorabend des SPD-Parteitages das Thema sozialdemokratischer Politik aufzunehmen, es dann auch noch mit diesem Personal (Peer Steinbrück und Gregor Gysi) zu besetzen und dann so an die Sache heranzugehen, hart aber fair eben, dazu gehört wirklich Mut und er hat sich gelohnt!

Nun gibt es eine ungeschriebene Medienregel, die heißt: Die erste Sendung besagt noch gar nichts über die Qualität einer Sendereihe oder eines bestimmten Formats, sie ist in jeder Hinsicht atypisch: Was die Erwartungen angeht, was die Ausführungen betrifft und auch den Spielraum, den es auszumessen gilt. Deshalb wird dieser Wunschzettel auch erst nach der zweiten Sendung verfasst. Da ging es nun, wie auch im Titel ausgesprochen, um eine wahrhaft nationale Frage, um das Tempolimit auf deutschen Autobahnen, also: Die Freiheit zu rasen! Populär ausgedrückt, darf die SPD vom deutschen Volk so etwas Ungeheures verlangen wie Nichtschnellerfahren als 130 Stundenkilometer? Dazu hatte sich der Moderator ein gesellschaftlich relevantes »Gruppenbild mit Dame« eingeladen, welches die grundsätzlichen Positionen zu diesem Überlebensthema unserer Gesellschaft sehr schön personifizierte: Vom früheren Automobilkonzern-Vorstandsmitglied bis zum früheren CSU-Generalsekretär über die Grüne Spitzenpolitikerin, den sachkundigen ARD-Wissenschafts-Journalisten bis zum missmutigen SPD-Abgeordneten, der, absolut schlechtlaunig wirkend, den Parteitagsbeschluss zu verteidigen hatte. Das war das Personal und es lieferte die üblichen Gedankenschablonen, die wahrscheinlich auch der klügste Moderator nicht hätte auflösen können, wäre da nicht sein investigativer journalistischer Zauberkasten gewesen - die »Einspiel-Box«.

Da konnten wir dann den äußerst sympathischen Porschefahrer im Geschwindigkeits- und Machtrausch erleben und die hübschen blonden Geländewagenfahrerinnen, die so nett von ihren Gatten erzählten, die die Autos kaufen und den Sprit zahlen, ganz einerlei wie teuer er ist. »Wirklich keine Ahnung …«

Da tauchte auch noch ein früherer Werbespot wieder vor unseren Augen auf, obwohl der Konzern dessen Ausstrahlung eigentlich verhindern wollte. So ein Beispiel von herrlicher Naturlandschaft, in der sich zwei Touaregs begegnen, mit dem einen werden die Kinder von der Schule abgeholt, mit dem anderen wird ein Kasten Bier besorgt. Ja, so ist das Leben eben!

Hier nun der Wunschzettel: Den einmaligen Anteil von wirklich investigativem Journalismus in dieser Sendung als Zentrum behalten! Das ist der Unterschied zu allen anderen Programmen gleichen Stils. Die Einspielfilme verändern alles in solch einer Sendung: Das Thema und das Personal, die Märchen und Mythen und auch die Wahrheiten. Natürlich kennen alle Redaktionen den Wert dieser Bildbelege, aber sie wissen auch, wie teuer sie sind und vor allem wie schwer es ist, sie zu produzieren. In diese Recherche-Arbeit, die früher das A und O der politischen Sendungen der ARD war, gilt es wieder zu investieren. »Hart aber fair« tut das. Das ist eine Wende. So kann öffentlich-rechtliches Fernsehen wieder zeigen, was es kann und wofür es unabdingbar notwendig ist: Uns das Bild unserer Gesellschaft aufzudecken, den Spiegel vorhalten vor unser eigenes Gesicht.

Von Luc Jochimsen

Neues Deutschland, 5. November 2007