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Wir müssen uns neuen Aufgaben stellen

Im Wortlaut von Lukrezia Jochimsen,

Kulturpolitikerin Luc Jochimsen von der Linkspartei zur Diskussion um das Goethe-Institut

Goethe-Institute seien immer auch ein Instrument der Außenpolitik, betont die kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei, Luc Jochimsen. Nach dem Krieg habe man daran gearbeitet, den europäischen Nachbarn wieder ein kulturelles Antlitz zu zeigen. Man sollte sich für andere Regionen wie China öffnen und dabei die europäische Aufgabe nicht vernachlässigen.

Von Billerbeck: Guten Tag, Frau Jochimsen!

Jochimsen: Ich grüße Sie! Hallo!

Von Billerbeck: Die SPD-Politikerin Monika Griefahn hat gestern hier im Radiofeuilleton erklärt, dass sich das Goethe-Institut mehr Richtung China, islamische Welt und Osteuropa orientieren und die europäischen Aktivitäten zurückfahren sollte. Wie sehen Sie das denn?

Jochimsen: Also ich finde, es ist klar, neue historische Situationen verlangen Umorientierungen. Und Goethe-Institute sind ein Stück unserer Geschichte der Nachkriegszeit deswegen haben wir Schwerpunkte auf Frankreich gelegt, deswegen haben wir Schwerpunkte auf Italien gelegt, wie gerade beschrieben, auch auf Skandinavien und Großbritannien. Man muss ja sehen, Goethe-Institute sind ein Stück unserer Außenpolitik. Und nach dem Krieg wollte Deutschland, wollte die Bundesrepublik wieder ein kulturelles Antlitz in Europa zeigen, deswegen diese Institute und diese Arbeit dort. Und insofern ist es sicherlich richtig, dass man sich umorientiert. Und ich finde es auch richtig, bei 180 Millionen wirklich darüber nachzudenken, wie viel Geld geht in Institutionen, in Strukturen. Und kann man das Geld nicht einfach wirklich besser verwenden in Projekten? Also, das ist eine sehr sinnvolle Geschichte.

Von Billerbeck: Also Sie greifen das auf, was der Generalsekretär der Goethe-Institute, Hans-Georg Knopp, eben gerade gesagt hat. Also nicht zurückfahren in Europa?

Jochimsen: Ja, sondern eher in Projekte investieren statt in Häuser und in festangestelltes Personal, das halte ich schon für richtig. Ich denke allerdings, man darf wirklich nicht so tun, als wäre der Kulturdialog gerade jetzt in Europa überzählig geworden. Wir haben noch viel zu führen, auch in Italien, auch in Frankreich, was unser neues Land angeht, unser vereintes Land angeht, was unser heutiges Kulturimage, wenn man so will, angeht. Also ich finde es richtig zu sagen, wir kucken genau hin, was können wir mit dem Geld machen. Sowas ist sowieso nie falsch, insbesondere wenn sich über Jahrzehnte eine Institution gebildet hat, die halt gedacht hat, na ja, es geht immer so weiter. Es geht eben nichts so weiter.

Von Billerbeck: Entschuldigen Sie, Frau Jochimsen, wenn ich Sie unterbreche, aber trotzdem, wir haben ja nur einen Etat und der muss ja auch noch irgendwie gespart werden. Es gibt ein Fünf-Millionen-Defizit. Sie sagen okay, wir müssen in Europa bleiben, da gibt es noch Bedarf. Aber wir müssen uns auch neu orientieren. Das kann man nur mit dem bestehenden Etat. Wenn ja, neu orientieren, geht das dann in Richtung, wirklich, China und Osteuropa, islamische Welt, zu Kosten Europas?

Jochimsen: Ja, was heißt, zu Kosten Europas. Also ich denke, wenn man es intelligent macht, muss es möglicherweise nicht zu Kosten Europas gehen. Höchstens dann, wenn man sagt, wir hatten da eben fünf Institute und sieben Institute und jetzt haben wir nur noch eins. Dann würde das eine Kostenrechnung sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in China deutsche Kultur, Wissen um deutsche Kultur, Kenntnis deutscher Kultur und deutscher Sprache etablieren müssen. Und dass wir da uns ganz stark engagieren sollten, denn die jungen Leute dort - ich hab das ja, ich war ja monatelang auch in Vertretung einer ARD-Korrespondenz in China - die jungen Leute gieren, gieren nach Wissen und Erfahrung europäischer Kultur, und dem sollte man auf jeden Fall nachkommen. Und so ist natürlich jetzt doch eine Sache noch mal grundsätzlich zu bedenken. Sparen, sparen, sparen, ist ja alles richtig. Wenn sich aber in einer historischen Entwicklung, wie wir sie jetzt erleben - mit der Auseinandersetzung mit dem Islam einerseits und China und asiatischen Ländern andererseits - neue Aufgaben stellen, dann ist es eben so schrecklich kurzgeschlossen, finde ich, wenn man immer sagt, ja also für das Neue haben wir kein Geld, es sei denn, es finanziert sich auf Kosten von Bisherigem.

Von Billerbeck: Aber es ist doch so!

Jochimsen: Ja, aber muss es so sein? Ich meine, in Sachen Militär, entschuldigen Sie, denken wir ja anders. Dass wir in Afghanistan Soldaten finanzieren, dass wir auf dem Balkan immer noch Militär finanzieren, das sind neue zusätzliche Aufgaben gewesen.

Von Billerbeck: Der Etat des Verteidigungshaushaltes ist aber nicht gestiegen.

Jochimsen: Ja, aber trotzdem, da sagen wir, das Neue muss auch zusätzlich finanziert werden. Also, ich bin ja dafür, dass man eine Institution erstens überprüft, dass sie sich selbst auch wirklich überprüft und sagt, wir können so, und sollten so, nicht weitermachen wie bisher. Es gibt sicherlich eine Geschichte, was den Deutschunterricht angeht. Ich glaube, dass man Deutsch billiger unterrichten kann im Ausland, als das das Goethe-Institut in der Vergangenheit gemacht hat. Also, da bin ich, und dass das nicht auf die Qualität geht. Also solche Dinge, die sind ja alle zu befürworten. Aber ich finde neuen Aufgaben müssen wir uns stellen und insofern bleibt gar nichts anderes übrig, als wirklich darüber nachzudenken, wie machen wir das mit unseren europäischen Standorten. Nur, die europäische Aufgabe dann wiederum zu vernachlässigen, finde ich, das darf auf gar keinen Fall eintreten, denn so gefestigt oder so ein für alle mal sicher ist eigentlich unser deutsches Kulturimage in Frankreich, in Italien, und auch in England keineswegs, dass wir sagen können, da haben wir jetzt genug getan, jetzt gehen wir weg, ja.

Von Billerbeck: Wir sprechen mit Luc Jochimsen, der kulturpolitischen Sprecherin der Linkspartei. Die Grünen-Politikerin Uschi Eid meinte hier bei uns in Deutschlandradio Kultur, dass die wichtige Funktion des Goethe-Instituts bei der Förderung der europäischen Identität eben nicht beendet sei, siehe EU-Verfassung in Frankreich und Niederlanden. Aber wo, noch mal gefragt, wo soll denn da der Schwerpunkt liegen?

Jochimsen: Also, wo der Schwerpunkt liegen muss, das muss natürlich das Goethe-Institut für sich mit seinen Experten selbst entscheiden, finde ich. Da haben die in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet, die sehr vielversprechend ist, was die Zukunft angeht. Ich finde, die Politik kann da keine Schwerpunkte vorgeben. Mir geht es nur darum, dass man eben gewährleistet, dass bei einer Vielfalt von Aufgaben und bei einer Vielfalt von neuen Aufgaben, eben wirklich austariert wird. Und wenn wir jetzt das Stichwort Islam uns ankucken, ich fürchte, so einfach ist das gar nicht, Kulturpolitik aus Deutschland in eine Dialogsituation in islamischen Ländern zu stellen. Also wir werden es da nicht einfach haben. Wir werden da nicht einfach nur sagen können, hier ist unsere deutsche Kultur, wie wir das oft in der Vergangenheit getan haben. Schaut mal, wie schön Goethe und Schiller sind, schaut mal die tollen Philosophen. Also wir werden um Kulturverständnis auch zu werben haben.

Von Billerbeck: Wäre dann es nicht sinnvoll, pardon, dass man vielleicht ein europäisches Kulturverständnis transportiert. In Zusammenarbeit zum Beispiel mit British Council oder dem Institut Francais?

Jochimsen: Auf jeden Fall, das hat ja das Goethe-Institut auch bereits begonnen, in Kooperation. Natürlich ist es sinnvoll auf ein europäisches Kulturverständnis zu setzen und nicht alleine auf ein deutsches. Aber das ist ja bereits eigentlich in der Arbeit des Goethe-Institutes schon entwickelt.

Von Billerbeck: Vielen Dank, Luc Jochimsen, die kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei.

Moderation: Liane von Billerbeck

Deutschlandradio Kultur, 4. Mai 2006