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»Wir haben sehr von der Bürgerbeteiligung profitiert«

Im Wortlaut von Petra Sitte, Halina Wawzyniak,

Halina Wawzyniak, netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, und Petra Sitte, Sprecherin für Forschungs- und Technologiepolitik, über die Ergebnisse der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", Positionen der LINKEN und eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung


Hat die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft"  etwas gebracht?

Halina Wawzyniak: Die Enquete-Kommission hat vor allem erreicht, dass das Thema Internet und digitale Gesellschaft im Bundestag eine größere Rolle spielt und dass Politikerinnen und Politiker wie auch die Öffentlichkeit, die mit dem Internet bisher nicht viel anfangen konnten, für dieses Thema sensibilisiert wurden. Inwieweit die von der Enquete-Kommission erarbeiteten Handlungsempfehlungen tatsächlich in Politik umgesetzt wird, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Erst dann kann man sagen, ob die Enquete-Kommission wirklich etwas gebracht hat.

Petra Sitte: Auch wir als Fraktion haben mit der Enquete-Kommission nochmal deutlich mehr in Sachen Netzpolitik getan. Wir haben zweimal mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung unsere Konferenz "Netz für Alle" veranstaltet, waren auf der Bloggerkonferenz "re:publica" im vergangenen Jahr präsent und haben neben der Enquete noch jede Menge politische Initiativen rund ums Netz gestartet. Aus meiner Sicht sind hier die Felder Urheberrechtsreform, Open Access und Digitalisierung des kulturellen Erbes besonders wichtig. Aber natürlich ist auch unser Engagement für Netzneutralität und Internetzugang von großer Bedeutung.

Welche Erfolge und Misserfolge gab es aus Ihrer Sicht?

Halina Wawzyniak: Ein sehr schöner Erfolg war die Durchsetzung der Forderung, dass jeder Schülerin und jedem Schüler kostenlos ein Laptop oder ein Tablet zur Verfügung gestellt wird. Nicht nur, um die Medienkompetenz zu stärken, sondern vor allem, um allen Kindern, egal ob aus armen oder reichen Elternhaus, die gleichen Bildungschancen zu bieten. Leider konnten wir uns nicht mit allen unserer weitergehenden Forderungen durchsetzen, zum Beispiel die Anerkennung des PCs als sozio-ökonomisches Existenzminimum.

Petra Sitte: Wir konnten in Sachen Urheberrecht zwar nicht unsere Reformideen durchsetzen, haben sie aber immerhin sichtbar präsentieren können. Wir haben im Bereich "Bildung und Forschung" Handlungsempfehlungen zu Open Access, offene Hochschulen und Digitale Forschungsinfrastruktur verabschiedet, die eine deutlich LINKE Handschrift tragen. Und wir haben durchgesetzt, dass endlich mal ausführlich die schlechte soziale Lage von Kreativen im Kulturbereich beleuchtet wird. Leider wollte die Koalition an dieser Lage nichts ernsthaft ändern.

Gab es in puncto Bürgerbeteiligung Unterschiede zu anderen Enquete-Kommissionen?

Halina Wawzyniak: Erstmalig hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit auf der Website enquetebeteiligung.de sich aktiv in die Arbeit einer Enquete-Kommission einzubringen. Diese Möglichkeit wurde auch genutzt und floss in die Arbeit der einzelnen Projektgruppen mit ein. Nicht alle Vorschläge konnten übernommen werden, einige passten gar nicht wirklich zum Thema der Enquete-Kommission. Doch der ein oder andere Vorschlag wurde ernsthaft diskutiert und bereicherte die Arbeit der Enquete-Kommission. Deshalb sollte diese Möglichkeit auch künftig  zum Beispiel in der Ausschussarbeit angeboten werden.

Petra Sitte: Ich finde, wir haben sehr von der Bürgerbeteiligung profitiert. Da sind einige Handlungsempfehlungen vorgeschlagen worden, die wir eins zu eins übernommen haben, weil sie so gut waren. Uns hat das dann auf die Idee gebracht, auch in der Fraktionsarbeit solche Beteiligungsformen auszuprobieren. Unser Gesetzentwurf zum Urhebervertragsrecht konnte vergangenen Sommer offen kommentiert und verbessert werden, bevor wir ihn dann deutlich an die Wünsche der Urheberinnen und Urheber angepasst im Herbst in den Bundestag eingebracht haben. Sowas machen wir jetzt öfter.

Sind überraschende Konstellationen entstanden?

Halina Wawzyniak: Überraschende Konstellationen gab es aus meiner Sicht nicht wirklich. Auffällig war jedoch, dass vor allem ein von der schwarz-gelben Koalition benannter Sachverständiger, nämlich padeluun, ab und zu nicht mit der Koalition stimmte. Das mag die Koalition überrascht haben, mich eher weniger. Wir hatten nämlich von Anfang an die Vereinbarung mit den von uns benannten Sachverständigen, Constanze Kurz und Annette Mühlberg, dass sie ihre eigene Meinung vertreten sollen, nicht unsere. An dieser Stelle möchte ich mich bei beiden für ihre geleistete Arbeit bedanken!

Petra Sitte: Ich habe schon Überraschungen erlebt. So war es beim Thema Jugendschutz fraktionsübergreifend möglich, sich deutlich gegen staatliche Bevormundungs- und Überwachungsmaßnahmen auszusprechen und mehr auf Hilfe und Unterstützung zu setzen. Auch sind die Kollegen von Schwarz-Gelb uns erstaunlich weit entgegen gekommen, was die politischen Ziele bei der Digitalisierung von Bildung und Forschung angeht. Andererseits blieben die Regierungsfraktionen in sozialen Fragen wie immer unerbittlich.

Jetzt hat die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft ihre Arbeit beendet. Wie wollen Sie sicherstellen, dass das Thema auch in Zukunft noch eine Rolle spielt?

Halina Wawzyniak: Das Internet ist aus der Lebenswelt vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Das kann die Politik nicht ignorieren. Die Frage ist also nicht, ob es eine Rolle spielt, sondern wie es eine Rolle spielt.

Petra Sitte: Die Enquete-Kommission hat dazu den Vorschlag gemacht, einen Internet-Ausschuss einzusetzen. Dem haben wir zugestimmt. Wir sind dennoch der Auffassung, dass das eigentliche Ziel sein sollte, dass Netzpolitik in allen Politikfeldern mit bedacht wird. Denn genau das entspräche der Realität.

linksfraktion.de, 29. Januar 2013