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Strepp und Co.

Im Wortlaut von Lukrezia Jochimsen,

Kommentar

Von Luc Jochimsen, ehemalige Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks und jetzt kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

Ja, telefonieren will gelernt sein. Telefonieren vor einer Sendung, die man verhindern will. Aber auch telefonieren nach einer Sendung, die man auf keinen Fall wiederholt haben möchte.

Fangen wir mal mit der ersten Variante an: Ein sehr schönes Sonntag-Morgen-Telefongespräch hat es da gegeben, geführt vom CSU–Sprecher Hans Michael Strepp mit einem diensthabenden ZDF-Nachrichten-Redakteur.

"Strepp fragte, ob wir wüssten, dass weder die ARD noch Phoenix über den SPD-Landesparteitag (vom Sonntag, dem 21. Oktober, in Nürnberg, auf dem der Spitzenkandidat Ude nominiert wurde - Anm.d.R.) berichten würden. Er sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt, in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende", erinnert man sich in Mainz.

Ein wahrhaft fürsorglicher Parteisprecher. Weit, ja ganz weit davon entfernt ins Programm reinzureden, möchte verhindern, dass es "Diskussionen" gibt. Noch dazu im "Nachklapp", was auch immer das ist.

Mal abgesehen von der Zensurversuchslyrik stellt sich die Frage, warum der Mann so dreist gelogen hat. Ein erfahrener Profi seiner Branche müsste wissen, dass ein Blick des ZDF-Nachrichtenmannes auf seinen Info-Schirm genügen würde, um die Planung der ARD-Tagesschau zu sehen, die sowohl für die 20-Uhr-Ausgabe, wie die Spätausgabe von den Tagesthemen eine Berichterstattung über den SPD-Parteitag in Nürnberg vorsah – und am Abend auch sendete. Also, telefonieren muss man schon können, und Lügen sind das ungeeignetste Mittel beim Versuch einer parteipolitischen Einflussnahme. Die im übrigen alltäglich ist. Hier und da und vorsichtig mal und manchmal auch offenkundig. Meistens heißt es: Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen.

Ich habe das übrigens nie als bedrohlich oder hinderlich angesehen – weder während meiner Zeit als Panorama-Redakteurin, noch als Auslandskorrespondentin, noch als Fernseh-Chefredakteurin. Bei dieser Art von Kommunikation kommt es doch darauf an, dass es zwei gibt - den Absender und den Empfänger der fürsorglichen Nachricht. Wie geht die Journalistin oder der Journalist damit um, was von Sprechern, Lobbyisten, Politikern selbst mitgeteilt wird? Zur Einflussnahme auf das Programm gehören immer zwei. Einer, der den Versuch unternimmt, und ein anderer, der mitmacht.

Insofern zeigt der Fall Strepp in schöner Offenheit einen besonders dummen, dazu noch auf einer Lüge aufbauenden Versuch der Einflussnahme auf das öffentlich-rechtliche Nachrichtensystem. Aber der Fall Strepp zeigt auch das Scheitern, die positive Seite der Geschichte: Wie es nix nutzt und zu nichts führt – außer zu Konsequenzen auf der parteipolitischen Seite. Das allerdings ist höchst selten.

Nun die zweite Variante des Telefonierens: Der Anruf "danach". Und dieses "danach" macht schon einen Unterschied. Wir haben bei Beschwerden vor einer Sendung immer gesagt: Schauen Sie sich die Geschichte erst einmal an, dann können Sie sich beschweren. Wir hielten es für das gute Recht von Zuschauern, Betroffenen, Parteien, Politikern - der Öffentlichkeit insgesamt -,sich zu beschweren. Die Beschwerde über, oder gar Rüge eines Programms muss möglich sein – sie gehört übrigens ausdrücklich zu den Aufgaben von Rundfunkräten. In diesem Fall gilt: Ist die Beschwerde gerechtfertigt? Ist eine Richtigstellung vorzunehmen? Informiert der Bericht dem aktuellen Stand des Tages entsprechend vollständig? Muss er eventuell ergänzt werden?

Detlef Esslinger hat gerade in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung sehr ausführlich die BR-Berichterstattung vom 17. März 2011 über die Energiepolitik des damaligen Umweltministers Markus Söder beschrieben, die die Pressesprecherin Ulrike Strauß damals veranlasste, beim Chef vom Dienst der Nachrichten-Sendung Rundschau anzurufen. "Sauer" und mit der Frage: "Wird das noch mal gesendet?". Um anschließend beim Redaktionsleiter Marder zu intervenieren. Marder hatte dienstfrei, war zu Hause, verbat sich – ganz aufrechter Arbeitnehmer – "dass sie mich zu Hause anruft", versprach aber dennoch, "mit der Redaktion zu reden". Was dann dazu führte, dass der Beitrag durch einen anderen ersetzt wurde. Es gehören eben immer zwei zu einer erfolgreichen Einflussnahme. Und telefonieren muss man können. Und eins wissen: Es ist keine Spezialität der CSU, die hier aufflog.

linksfraktion.de, 29. November 2012