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Staatsferne und Staatsfreiheit sind zweierlei

Im Wortlaut von Harald Petzold,

 

Von Harald Petzold, medienpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Es war schon ein Paukenschlag, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht Gehör verschaffte: Die Repräsentanz des Staates in den Aufsichtsgremien des ZDF sei zu stark, die Anzahl der Staatsvertreter zu hoch und demnach verfassungswidrig. Dieses Urteil ist ein Zeichen gegen den Staatsfunk, ein Plädoyer für Staatsferne, aber keines für die völlige Staatsfreiheit.

Das Urteil erkennt an, dass der Staat den Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, mithin nicht nur den des ZDF, organisiert und zugleich seine Existenz garantiert. Aber übermäßigen Einfluss wird den Staatsvertretern nicht zugebilligt. Die Zusammensetzung der Gremien müsse "erkennbar auf Vielfaltssicherung angelegt" sein. Das Gericht hat aber auch erkannt, dass sich die Machtposition der Staatsvertreter nicht allein aus ihrer Anzahl ergibt. Wirkmächtiger sind die bestehenden informellen Strukturen, die den jeweiligen politischen Lagern zugeordneten "Freundeskreise". Deshalb ist die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer stärkeren Berücksichtigung der "je aktuellen gesellschaftlichen Gruppen" ohne Verbandsmacht nur folgerichtig. Darin widerspiegele sich Vielfalt, meinen die Karlsruher Richter. Das ist ein Ansatz, den DIE LINKE ausdrücklich teilt, den wir in den kommenden Wochen beraten und bearbeiten werden.

Die vom Gericht nunmehr festgelegte Regelung, der zufolge künftig nur noch ein Drittel der Gremienmitglieder Staatsvertreter sein dürfen, ist voraussichtlich kein ausreichendes Mittel, um politische Interessenverkrustungen aufzubrechen und "gesellschaftlichen Gruppen" zu mehr Einfluss zu verhelfen. Die Reihen werden sich nicht auflösen, sie werden sich eher neu ordnen.

Vor diesem Hintergrund wirkt die in diesen Tagen publik gewordene Forderung des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Volker Kauder, allzu durchsichtig, es sollten in Zukunft überhaupt keine Staatsvertreter mehr in den Aufsichtsgremien berücksichtigt werden. Ganz davon abgesehen, dass diese Forderung spätestens am Fels der CSU zerschellen wird. Denn diese wird sich ihren Einfluss auf den Bayerischen Rundfunk mit Sicherheit nicht beschneiden lassen.

Dennoch, Kauder bewegt sich auf derselben Ebene wie der Verfassungsrichter Paulus, der als einziger ein Minderheitenvotum abgab und die völlige "Emanzipation" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Staat einklagte. Wer das allerdings will, beraubt den Staat seiner Garantiefunktion gegenüber ARD und ZDF. Es ist durchaus hilfreich zu wissen, dass die Idee, den Staat gänzlich aus den Gremien zu entfernen, nicht von ungefähr kommt; Verfassungsrichter Paulus kam immerhin auf Vorschlag der FDP in sein Amt.

Der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Das Gericht hat an die Politik einerseits klare Anforderungen formuliert, andererseits lässt es aber einige relevante Fragen unbeantwortet. Bis Ende Juni des nächsten Jahres haben die Bundesländer nunmehr Zeit, das Urteil in Gesetzesform zu gießen. Fertige medienpolitische Antworten gibt es noch keine. Aber als LINKE begrüßen wir dieses Urteil im Grundsatz, weil es Macht beschränken und Teilhabe herstellen möchte. Die Diskussion hat eben erst begonnen.


linksfraktion.de, 3. April 2014