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So tickt aber Evangelische Kirche nicht

Im Wortlaut von Bodo Ramelow,

Liberal anstatt konservativ? Nein, die EKD-Synode bleibt plural.

Foto: dpa

 

Von Bodo Ramelow, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Thüringer Landtag und bekennender Christ


Beim Evangelischen Kirchenparlament, der Synode, versammelt sich in der Regel einmal im Jahr die evangelische Vielfalt mit ihren Basisvertretungen. Die Synodalen - also die Vertreter der regionalen Gliedkirchen - wählen ihr Kirchenoberhaupt, das für die jeweilige Amtsperiode ehrenamtlich die gesamte evangelische Vielfalt repräsentiert. Daneben steht der Ratspräsident der Evangelischen Kirche, der wiederum die hauptamtliche Seite repräsentiert – seit 2010 der Rheinländer Nikolaus Schneider. Beide gemeinsam sind die höchsten Würdenträger der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Die Wahl der Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt war 2009 formal ein Schritt in politisches Neuland – inhaltlich stand und steht sie für weniger Progressivität als es der Parteiname vermuten lässt. Nach ihrem Rückzug wegen der Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl galt es deshalb auch lange Zeit als gesetzt, dass der frühere bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein ihr Nachfolger werden wird.

So tickt aber Evangelische Kirche nicht. Mitten in der Versammlung präsentierte sich eine Gegenkandidatur, und keiner der Kandidaten bekam in den ersten beiden Wahlgängen das notwendige Quorum. Es ging aber bei dieser Wahl nicht nur um das Spitzenpersonal. Hinter den Kulissen spielen Fragen von konservativ bis wertkonservativ, von evangelisch über evangelikal, ja bis hin zu den wörtlichen Bibelvertretern, eine große Rolle. Zur Entscheidung steht auch die Entwicklung des Familienbildes der evangelischen Kirche.

Die Mitglieder der Kirche sind nicht blind für die gesellschaftlichen Veränderungen. Themen wie Homoehe, Patchworkfamilie, Scheidungskinder werfen ganz neue Fragen auf – nicht nur im zivilrechtlichen, sondern gerade im theologischen und kirchlichen Bereich. Ist es von Gott gegeben, dass Zuneigung und Partnerschaft nur unter dem Aspekt der Fortpflanzung gesehen wird? Ist eine Ehe eine Lebenspartnerschaft oder eine Lebenspartnerschaft - kann sie eine Ehe sein?

Die pietistischen oder evangelikal verorteten Strömungen sehen eher das klassische Bild als das zu verteidigende. Hier wurde wohl der CSU-Politiker Beckstein verortet. Es symbolisiert die Pluralität, dass aus der Mitte der Synodalen eine Gegenkandidatur erwuchs. Überraschend war dabei, dass am Schluss eine prominente Liberale, nämlich Irmgard Schwaetzer, die neue Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde. Günther Beckstein hatte nach dem zweiten Wahlgang auf eine weitere Kandidatur verzichtet und hinter den Kulissen wurde heftig auf den weiteren Kandidaten eingewirkt, so dass am Schluss der Weg für Schwaetzer diplomatisch freigemacht wurde.

In Richtung des modernisierten Familienbegriffs der evangelischen Familie und für die offiziellen Stellungnahmen in Bezug auf Patchwork, Homo-Ehe, Erziehungsberechtigung bei schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften wird dies hoffentlich dienlich sein. Unter Günther Beckstein wäre keine Verbesserung zu erwarten gewesen; ob es unter Irmgard Schwaetzer anders wird, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung verdeutlicht zunächst nur eins: Die EKD bleibt plural.

Viel Glück darf man Irmgard Schwaetzer trotzdem wünschen und vor allen Dingen Kraft, damit die evangelische Familie auf der Seite der Schwachen steht und Schutz für diejenigen garantiert, die dringend gesellschaftlichen Schutz brauchen.

 

linksfraktion.de, 15. November 2013