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#popkulturpolitik – Rap zwischen »moralischem Gedöns« und Genießbarkeit

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Mit Witz und Leidenschaft: Norbert Müller (2.v.r.) im Bi Nuu    Foto: Martin Plenz


Von Paul Schwenn

 

"Wer ist Norbert Müller, MdB?", fragte ein junger Mann am Bahnhof Schlesisches Tor in eine größere Gruppe Jugendliche und blickte in ratlose Gesichter. "Keine Ahnung, ich glaube aber, MdB ist eine Rapcrew, von denen habe ich schon mal was gehört", mutmaßte ein anderer. Dass das Kürzel MdB für Mitglied des Bundestages steht, Norbert Müller also ein Politiker ist, war den Jugendlichen nicht bekannt, als sie sich den Flyer zur Veranstaltung #popkulturpolitik anschauten. Wer K.I.Z. oder Sookee sind, dafür umso besser, doch was könnte diese buntgemischte Gruppe miteinander zu besprechen haben?

Am Mittwochabend fand die zweite Veranstaltung der Reihe #popkulturpolitik zum Thema: "Rap und die Optimierung der Gesellschaft" statt. Im Bi Nuu in Berlin-Kreuzberg am U-Bahnhof Schlesisches Tor, diskutierten die Rap-Künstler Sookee und Maxim von K.I.Z., Musikjournalist Marcus Staiger und Norbert Müller, jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Die Radiojournalistin Britta Steffenhagen moderierte die Diskussion in den Bahnhofskatakomben, die bis auf den letzen Platz gefüllt waren.

Deutscher Rap beschreibt Missstände

Zu Beginn trugen die Podiumsgäste Statements vor, wie ihrer Meinung nach die "Optimierung der Gesellschaft" aussehen könnte und was sie unter Optimierung verstehen. Die Beantwortung der Frage, ob Optimierung überhaupt ein erstrebenswertes Ziel ist oder nur für Leistungsdruck und Effizienzdenken sorgt, blieb offen. Die Wünsche für eine bessere Gesellschaft reichten von "der Abschaffung des Privateigentums bis zum Mercedes AMG", wie Maxim es formulierte. Auch wenn bei dieser Aussage viel Ironie mitschwang, beschrieb sie doch treffend die übergeordnete Rolle von Statussymbolen in der Rapszene.

Britta Steffenhagen fragte, welche Verantwortung und welche Möglichkeiten Rapmusik besitzt. "Die Aufklärung und Zuspitzung der Armutsverhältnisse sind Aufgabe linker Politik aber auch verantwortungsvoller Kunst und Kultur“, sagte Norbert Müller. Musikjournalist Markus Staiger war der Meinung, dass die deutsche Rapszene eine gute Zustandsbeschreibung von Missständen und Problemen liefere, die Lösungsansätze aber seien eher "whack", also unbrauchbar.

Humorvoll und prägnant

Rapperin und Feministen Sookee hinterfragte den Umgang mit Drogen und Gewalt in Musiktexten und deren Wirkung auf jugendliche Hörerinnen und Hörer. Guter Rap muss authentisch sein, weshalb Rapper auch unverblümt ihre Lebensrealität in ihrer Musik wiedergeben sollten. Wichtig sei aber die Art und Weise, wie die Inhalte rübergebracht werden, sodass keine Verherrlichung von Schlägereien oder Drogenkonsum stattfinde, argumentierte Sookee.

Die Unterschiede zwischen Kultur und Politik wurden, besonders was die Sprache und Argumentationsweise der einzelnen Gäste anging, deutlich. So zeigte sich Norbert Müller beeindruckt von der Fähigkeit der RapperInnen Wortbeiträge so humorvoll und prägnant zu verpacken, dass sie für das junge Publikum zugänglich und spannend sind. Schlagfertigkeit und "On-Pointness" sind Bereiche, in denen Politik viel von Rap lernen kann.

Immer wieder wurde die Diskussion durch Fragen und Einwürfe aus dem Publikum beeinflusst. Leidenschaftlich diskutierten die Künstler auch die Frage, ob politische Musik nur "moralisches Gedöns" sei und welche Rolle Klang und Genießbarkeit spiele. Als Beispiele dienten die Rockgruppe Ton Steine Scherben oder der Reggea-Musiker Bob Marley. Die humorvolle, lockere Atmosphäre der Podiumsdiskussion setzte sich im Anschluss bei den Debatten der zahlreichen Rap- und Politikinteressierten im Saal fort.


linksfraktion.de, 25. Februar 2015