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Neue Verbündete finden?

Im Wortlaut von Lukrezia Jochimsen,

Luc Jochimsen zum kulturpolitischen Profil der Linkspartei

Die Hamburger Publizistin ist kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke

Sie sind die neue kulturpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei im Bundestag. Werden Sie es schwer haben?
Kultur wird schnell als ein Randthema begriffen. Ich halte Kultur für lebensnotwendig, besonders in Gesellschaften wie unserer, die durch Armut gekennzeichnet ist, wo vieles, was es bisher an kultureller Vielfalt gegeben hat, zur Disposition steht. Ich werde es sicherlich nicht leicht haben, aber das ist mir klar und ich finde das auch nicht weiter schlimm.

In Zeiten knapper Kassen gilt Kultur Vielen als Luxusgut und dort wird zuerst gekürzt. Wie wollen Sie die kulturelle Vielfalt erhalten?
Wir müssen kreative und intelligente Lösungen entwickeln, wie man Kultur erhalten kann und auch begründen, warum das wichtig ist. Die Grünen haben sehr, sehr lange darum kämpfen müssen, dass eingesehen wird, dass mit Ökologie durchaus wirtschaftlicher Erfolg zu erzielen ist. Und ich denke, hier gibt es eine Parallelität zur Kultur. Mit Kultur stellt sich oft auch wirtschaftlicher Erfolg ein. Nehmen sie Berlin: Obwohl die Stadt fast alle ihre großen traditionellen Industrien und Aufgaben verloren hat, boomt sie im Moment in einer gewissen Art und Weise, weil sie eine ganz hochinteressante kulturelle Metropole in Europa ist. So etwas müssen wir diskutieren und dann schaffen wir uns auch Verbündete, die Kulturpolitiker traditionellerweise nicht haben, die nämlich ein Interesse an Wirtschaft und wirtschaftlichem Erfolg und Standortvorteilen haben.

Wissen Sie schon, wie Ihr erster Antrag aussehen wird?
Nein. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob es einen Ausschuss für Kultur und Medien geben wird oder eine Staatsministerin für Kultur - oder nur einen Bereich im Ministerium von Frau Schavan.

Welche konkreten Vorhaben wollen Sie angehen?
Was mir ganz wichtig wäre, ist, so schnell wie möglich über die neue UNESCO-Konvention über kulturelle Vielfalt im Parlament zu diskutieren, die gerade nach unendlich mühsamer Arbeit von 148 Ländern verabschiedet worden ist. Und ebenso wichtig ist es, die Kultur als Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen.

Wird sich die Linkspartei auch an der Diskussion zur deutschen Leitkultur beteiligen?
Der neue Bundestagspräsident hat sehr früh angekündigt, dass er es für richtig hielte, über den Begriff der deutschen Leitkultur zu diskutieren. Im Gegensatz zu vielen meiner politischen Mitstreiter nehme ich das nicht mit Abscheu zur Kenntnis, sondern finde das gut, weil wir nichts dringender brauchen als eine offene Diskussion über das, was Kultur, Leitkultur, deutsche Kultur, unsere Identität überhaupt sein kann. Ich möchte die Vielfalt der Kultur in unserem Land sehr früh in diese Diskussion einbringen. Über den Dialog der Kulturen in unserem eigenen Land und darüber hinausgehend in Europa und auf der Welt, darüber müssen wir reden.

Werden Sie sich für die Verbesserung der sozialen Situation der Künstler einsetzen - einigen der Forderungen entsprechend, die die Ständige Kulturpolitische Konferenz (SKK) der Linkspartei formuliert hat?
Natürlich ist das, was die SKK uns auf den parlamentarischen Weg mitgibt, für mich ganz wichtig. Doch ich finde, dass meine Arbeit mehr bedeutet, als sich für soziale Absicherung und für bessere Bedingungen für Künstler in unserem Land einzusetzen. Es geht bei der Kultur und der Kulturpolitik um Größeres.

Fragen: Anke Engelmann

Neues Deutschland, 26. Oktober 2005