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Emissionshandel (EU)

Themenpapiere der Fraktion

Die Europäische Union führte im Jahr 2005 ein Emissionshandelssystem für Treibhausgasemissionen ein. Seitdem erhalten Unternehmen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie ein begrenztes Budget an Emissionsrechten, die sie untereinander handeln können. Am Ende eines jeden Jahres müssen sie CO2-Zertifikate in Höhe ihrer tatsächlichen CO2-Emissionen nachweisen. Ziel ist es, durch die Handelbarkeit CO2 dort zu reduzieren, wo es am preisgünstigsten ist. Die begrenzte Menge ausgegebener Emissionszertifikate soll dabei das Einhalten der politischen Klimaschutzziele garantieren. So zumindest die Theorie.

In der Praxis jedoch ist die bisherige Bilanz des EU-Emissionshandel verheerend. Statt den Klimaschutz nach vorne zu bringen, war er in den ersten acht Jahren (2005-2012) vor allem für die Stromversorger nicht mehr als eine Gelddruckmaschine. Diese erhielten die CO2-Zertifikate kostenlos, legten den Marktwert dieser Emissionsgutschriften aber trotzdem auf den Strompreis um. Damit strichen sie leistungslose Milliardengewinne („windfall profits“) zu Lasten der Stromkundinnen und -kunden ein. Die größten Mitnahmegewinne verbuchten die Betreiber von Atomkraftwerken. AKWs sind zwar nicht Teil des Emissionshandels, ihre Betreiber profitieren aber vom Anstieg der Stromhandelspreise durch den Emissionshandel. Seit Beginn der dritten Handelsperiode (2013-2020) werden die Emissionsrechte an die Energieversorger versteigert, die energieintensive Industrie aber erhält die CO2-Zertifikate auch in der 2021 gestarteten vierten Handelsphase kostenlos. Die meisten Unternehmen bekamen in der Vergangenheit sogar mehr Emissionsrechte als sie reale Emissionen hatten. 

Hinzu kommt, dass Unternehmen Emissionsrechte aus dem Nicht-EU-Ausland zukaufen konnten und diese auch noch heute für die Erfüllung ihrer Minderungsverpflichtungen in der EU einsetzen können. Diese stammen meist aus Projekten in Entwicklungsländern im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM). Aus Klimaschutzperspektive ist der CDM bestenfalls ein Nullsummenspiel: Emissionsrechte wandern vom Süden in den Norden. Zentrale Bedingung dafür ist, dass CDM-Vorhaben tatsächlich Klimaschutz zusätzlich zum Status quo bringen. Diesen Nachweis konnte bislang aber die Mehrheit der Projekte nicht liefern. Wandern derart „faule Zertifikate“ in die EU, führen sie dort zu einem Mehrausstoß an CO2, der nicht durch eine entsprechende Minderung durch das CDM-Projekt gedeckt ist. Global hat dies einen zusätzlichen Ausstoß von Klimagasen zur Folge. 

Der massenhafte Zukauf billiger CDM-Zertifikate ist ein Grund dafür, dass im Jahr 2020 etwa 1,6 Milliarden Zertifikate zu viel im System waren. Der CO2-Preis lag daher jahrelang nur bei etwa fünf Euro, während erste relevante Klimaschutzwirkungen etwa 30 Euro angepeilt werden müssten. Die Verdrängung neuerer Braunkohlemeiler aus der klimaschädlichen Verstromung erfordert gar über 60 Euro. 

Inzwischen vorgenommene Korrekturen am EU-Emissionshandelssystem (etwa zum Überschussabbau und zur Eindämmung der genannten CDM-Gutschriften) haben den CO2-Preis aktuell (2020/2021) auf 25 bis 30 Euro steigen lassen. 

Gerade wer den Ausstieg aus der Kohleverstromung will, darf nicht allein auf diese Verschmutzungsrechte setzen. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat daher schon seit Jahren gefordert, über ein Kohleausstiegsgesetz den Neubau von Kohlekraftwerken sowie neue Tagebaue zu verbieten und Restlaufzeiten für die bestehenden Kohlekraftwerke festzuschreiben - währenddessen die Bundesregierung lange auf den gescheiterten Emissionshandel setzte. Dabei war längst klar: Nur ein gesetzlich fixierter Ausstiegspfad kann zeitnah das Ende der Kohleverstromung einleiten und Planungssicherheit schaffen, nicht nur für die Energiewirtschaft, sondern auch für eine soziale Gestaltung des Strukturwandels in den Braunkohlerevieren und an den Kraftwerksstandorten.

Durch den Druck der Klimabewegung kommt es nun doch zu einem Kohleausstieg per Gesetz. Im Gegensatz zum Enddatum des schwachen Kohleausstiegsgesetzes der Bundesregierung (2038, ggf. 2035) fordern wir, spätestens im Jahr 2030 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz zu nehmen. Mit dem schrittweisen Ausstieg muss sofort begonnen werden. Nationale CO2-Mindestpreise in den Sektoren des EU-Emissionshandels (Elektrizitätswirtschaft und Industrie) könnten diesen Prozess unterstützen und absichern. Sie müssen dafür sorgen, dass noch nicht abgeschaltete Kohlekraftwerke ihre Produktion immer dann drosseln, wenn genug Ökostrom produziert wird. Das ist wichtig, denn ansonsten verfehlen wir die Klimaziele trotz Abschaltplan. Zudem setzen sie Preissignale für Investitionsentscheidungen in der Industrie.

CO2-Mindestpreise wirken indirekt auch auf den Brennstoffeinsatz und die Effizienz in kleineren Industriebetrieben und Gewerbe jenseits der emissionshandelspflichtigen Sektoren. Auch darum kann ein angemessener CO2-Preis sinnvoll sein. Dem könnten die auf EU-Ebene vorgesehenen weiteren Reformen am EU-Emissionshandelssystem dienen, unter anderem die Anschärfung der EU-Klimaschutzziele und damit verbundene Reduzierung der CO2-Zertifikatsmengen für den Emissionshandelssektor. Hier kommt es darauf an, dass beides den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens entspricht, alte Schlupflöcher für die Industrie geschlossen, und nicht neue aufgemacht werden.

Insgesamt wäre aber selbst ein gut gemachter EU-Emissionshandel nur ein Element in einem klugen Instrumentenmix. Ziel muss es sein, zügig Energie und Treibhausgase einzusparen, ohne Verbraucherinnen und Verbraucher unnötig mit hohen Preisen zu belasten. Ordnungsrecht, Förderpolitik und staatliche Investitionen haben für die Fraktion DIE LINKE hier klar Vorfahrt.

 

Zusätzliche Informationen bieten die Themen Klimapolitik, Emissionshandel (national) und Energiepolitik.

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