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4. Novelle des Gentechnikgesetzes

Positionspapier,

Im Gentechnikgesetz (GenTG) werden unter Anderem der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und die Haltung gentechnisch veränderter Tiere geregelt. Am 20.07.2007 legte die Bundesregierung einen Entwurf zur Novellierung des GenTG vor.

Im Gentechnikgesetz (GenTG) werden unter Anderem der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und die Haltung gentechnisch veränderter Tiere geregelt. Am 20.07.2007 legte die Bundesregierung einen Entwurf zur Novellierung des GenTG vor.

Diesem waren fast zwei Jahre zähes Ringen in der Großen Koalition vorausgegangen. Gestritten wurde hauptsächlich über Haftungsfragen, Kennzeichnung, Sicherheitsabstände und Transparenz. Während der Debatte wurde vor Allem aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion ein Vorschlag zur Verwässerung des GenTG nach dem anderen aus dem Hut gezaubert. Jede Idee der Konservativen bedeutete eine massive Bedrohung der gentechnikfreien Landwirtschaft. Glücklicherweise ist der nun vorliegende Entwurf weniger problematisch, als nach der Präsentation des Eckpunktepapiers (im Februar 2007) erwartet werden musste. Aber auch die aktuellen Änderungen und die Vorlage einer Verordnung zur so genannten „guten fachlichen Praxis“ bieten aus unserer Sicht viel Anlass zur Kritik. Auf diese soll im Folgenden eingegangen werden:

  • Forschungsfreiheit: Eines der erkennbaren Hauptanliegen zur Novellierung des GenTG ist es, Erleichterungen für Forschungsvorhaben zu ermöglichen. Dies drückt sich beispielsweise in §26 Absatz 5 aus. Dort wird beschrieben, dass Verunreinigungen aus Forschungsfreisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen nun nicht mehr vernichtet werden müssen. Es muss sichergestellt sein, dass die gv-Pflanzen „nicht in die Lebensmittel- und Futterkette gelangen und ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren“. Somit können sie zum Beispiel der thermischen Verwertung oder einer Biogasanlage zugeführt werden. DIE LINKE fordert hier keine Toleranz, weil die weitere Verwendung nicht kontrollierbar ist! Verunreinigte Erntepartien sind behördlich zu erfassen und vor Ort zu vernichten. Eine hofeigene thermische Verwertung (z.B. in einer Biogasanlage) durch den Landwirt wäre kaum zu kontrollieren. Das würde der schleichenden Verunreinigung der gentechnikfreien Landwirtschaft Vorschub leisten.
  • Standortregister: CDU/CSU und FDP fordern schon seit Langem die Abschaffung bzw. Einschränkung des so genannten Standortregisters. Glücklicherweise konnten sich diese Kräfte nicht durchsetzen. Es bleibt, wie es ist. DIE LINKE begrüßt ein öffentlich zugängliches Standortregister. LandwirtInnen, VerpächterInnen, ImkerInnen und NachbarInnen wie auch die gesamte interessierte Öffentlichkeit können sich auf diesem Weg weiterhin informieren, wer wo welche gentechnisch veränderten Pflanzen anbaut.
  • Haftung: Auch bei der Haftung drohte Ungemach. Bisher galt die verschuldensunabhängige, gesamtschuldnerische Haftung. Das bedeutet: Wenn ein konventioneller Anbau von Genpflanzen verunreinigt wird, dann haften alle potentiellen Täter in der Nähe. Ganz gleich, wer es wirklich gewesen ist. Dabei bleibt es auch. DIE LINKE begrüßt die Beibehaltung der Gültigkeit der verschuldensunabhängigen, gesamtschuldnerischen Haftung. Allerdings bleiben wichtige Haftungsfragen weiter ungeklärt: Wer haftet für Schäden einer Verunreinigung unter 0,9%? Wie kann die Agro-Gentech-Industrie an der Haftung beteiligt werden?
  • Sicherheitsabstände: Der größte Streit der vergangenen Monate drehte sich um die so genannten Sicherheitsabstände zwischen Genmais und normalem Mais. „Wie groß muss ein Abstand sein, damit konventioneller Mais nicht verunreinigt wird?“ - so würde DIE LINKE die Frage stellen. Die Große Koalition stellt sie allerdings anders: „Wie viel Abstand brauchen wir, damit eine Erntepartie des normalen Maisfeldes nicht höher als 0,9% verunreinigt wird (und damit nicht gekennzeichnet werden muss)?“ Die aktuell vorgeschlagene Lösung in der Verordnung zur guten fachlichen Praxis schreibt 150 Meter zu konventionellem Mais und 300 Meter zu Biomais vor. DIE LINKE sieht darin eine Garantie zur schleichenden Verunreinigung! Zudem ist ein Unterschied zwischen konventionellem und biologischem Anbau in diesem Zusammenhang absurd, weil die Kennzeichnungsregeln identisch sind. Ein Sicherheitsabstand kann sich nach unserer Überzeugung nur an einem Parameter orientieren: an der Verhinderung von Auskreuzungen! Das heißt, er muss mindestens so groß sein, dass eine Auskreuzung wissenschaftlich begründet ausgeschlossen werden kann. Aktuell wären das ca. 2 km. Damit aber nicht genug. Im GenTG § 16b, Absatz 1 Satz 2 steht nun, dass geringere Abstände durch nachbarschaftliche Absprachen ab sofort erlaubt sind! Damit werden Verunreinigungen garantiert, ohne dass davon jemand erfährt. Der Nachbar verkauft seine Ernte dann zwar möglicherweise als gentechnisch verunreinigt, aber auf Durchwuchs wird sein Feld im kommenden Jahr vermutlich nicht untersucht. DIE LINKE lehnt eine solche Ausnahmeregelung kategorisch ab! Die gentechnikfreie Landwirtschaft ist überall schützenswert - Verunreinigungen sind überall zu vermeiden!
  • Gute fachliche Praxis: Neben dem GenTG wurde auch erstmals ein Vorschlag vorgelegt, wie eine „gute fachliche Praxis“ beim Anbau von gv-Pflanzen aussehen könnte. Darin wird beschrieben, an welche Auflagen sich der Genbauer zu halten hat. Beispielsweise sind dort die oben beschriebenen Sicherheitsabstände festgelegt. Der Genbauer muss seine Nachbarn über den geplanten Anbau der gv-Pflanzen informieren. Erreicht er die Nachbarn allerdings nicht, dann kann er auch einfach dem Verpächter einen Brief schreiben. Meldet der sich nicht innerhalb eines Monats, gilt das als eine Kenntnisnahme. DIE LINKE fordert dagegen eine aktive, nachweisliche Benachrichtigungspflicht gegenüber den Pächtern bzw. Eigentümern der genutzten wie auch der benachbarten Flächen. Nur wenn beide sich schriftlich zurückgemeldet haben, ist diese Meldungsverpflichtung als erfüllt anzusehen. Des Weiteren wird in der Verordnung geregelt, wie Verunreinigungen bei Ernte, Transport und Lagerung vermieden werden sollen. Die Regelungen dazu sind allerdings so schwach, dass man sie auch hätte weglassen können! „Wesentliche Beeinträchtigungen“ sind zu vermeiden, Erntemaschinen „sorgfältig“ zu reinigen. DIE LINKE fordert hier klar definierte, effektive Vorschriften zur sicheren Verhinderung von Verunreinigungen. Erntemaschinen sind vollständig zu reinigen und Verunreinigungen komplett und nicht lediglich ein bisschen zu verhindern! Wirkliche Sicherheit kann nur eine komplette Trennung der Technik sowie der Ernte-, Verarbeitung-, Transport- und Lagerprozesse bieten. Ein Nebeneinander ist nicht möglich.

Was bleibt ungeklärt?

  • Auch das neue GenTG bietet keine Lösungen für viele bereits seit Langem diskutierte Fragen.
  • Welche Abstände sind zu Naturschutz- und anderen ökologisch besonders wertvollen Flächen, zu Saatguterzeugungsflächen, zu gentechnikfreien Regionen oder zum Schutz der Imkerei einzuhalten?
  • Wer entschädigt bei aufgetretenen Verunreinigungen, wenn sie über der technisch möglichen Nachweisgrenze, aber unter der Kennzeichnungs-pflichtgrenze von 0,9% liegen?
  • Wie kann eine flächendeckende Imkerei erhalten werden, wenn die gentechnisch veränderten Pflanzen Honig verunreinigen?
  • Wer trägt die Folgekosten für gentechnikfrei wirtschaftende Landwirt-schaftsbetriebe (Kosten zur Sicherung der Koexistenz, Untersuchungskosten etc.)?
  • Wie kann bei Lebensmitteln klar gekennzeichnet werden, ob sie mit Hilfe von gentechnisch veränderten Pflanzen produziert worden sind (z.B. Milch von Kühen, die gentechnisch veränderte Futtermittel gefressen haben)?
  • Wie können gentechnikfreie Regionen rechtlich geschützt werden?