Zum Hauptinhalt springen

Wirtschaft – mitbestimmt! Wirtschaftliche Mitbestimmung in Zeiten der großen Umbrüche der Arbeitswelt

Nachricht von Susanne Ferschl, Pascal Meiser,

Die heutige Arbeitswelt befindet sich vor enormen Umbrüchen. Das gilt insbesondere für die anstehende digitale und ökologische Transformation. Aber auch die Frage, wo künftig was produziert und welche Dienstleistungen erbracht werden, wird immer dringlicher. Vor allem: wer entscheidet letztendlich darüber? Klar ist, dass die einseitige Profitmaximierung im Interesse der Kapitalseite nicht die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, lösen wird. Die Corona-Krise verschärft und beschleunigt die gewaltigen Strukturumbrüchen in vielen Branchen noch zusätzlich.

Um die aktuellen Umbrüche vorausschauend auszugestalten, braucht es demokratische Beteiligung und vor allem starke Betriebsräte und Gewerkschaften, die bei den anstehenden Entscheidungen wirksam mitbestimmen können. Die bestehenden Instrumente der wirtschaftlichen Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen bieten hierfür einige Anknüpfungspunkte. Doch reichen sie bei weitem nicht aus, um tatsächlich eine demokratische Mitbestimmung sicherstellen zu können – in immer mehr Unternehmen werden selbst die bestehenden Mitbestimmungsrechte auf legalem oder illegalem Wege unterlaufen.

Ökonomische Zwänge

Vor diesem Hintergrund hatte am 20. November pandemiebedingt die Fraktion DIE LINKE zu ihrer ersten virtuellen Personal- und Betriebsrätekonferenz zum Thema wirtschaftlichen Mitbestimmung eingeladen. Mit rund 80 online zugeschalteten Betriebs- und Personalräten sowie weiteren aktiven Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern diskutierten echte Mitbestimmungsprofis zusammen mit dem Gewerkschaftspolitischen Sprecher Pascal Meiser und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Susanne Ferschl, selbst langjähriges Aufsichtsratsmitglied eines internationalen Lebensmittelkonzerns, welche Veränderungen es an welchen Stellen braucht, um die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Mitbestimmung zu stärken und auszuweiten.

Zum Auftakt sprach Pascal Meiser mit Christine Seemann, Betriebsrätin der Salzgitter Flachstahl GmbH und Mitglied im Aufsichtsrat der Salzgitter AG sowie Silvia Habekost, Krankenschwester am Klinikum im Friedrichshain und Mitglied im Aufsichtsrat bei Vivantes, über ihre Erfahrungen in mitbestimmten Unternehmen ganz unterschiedlicher Branchen. Während die Salzgitter AG traditionell der Montanmitbestimmung unterliegt, handelt es sich beim Vivantes Klinik-Konzern um ein landeseigenen Unternehmen. Ökonomische Zwänge in kommunalen Unternehmen, seien, so Habekost, die gleichen wie in Privatunternehmen. Dies führe oft zum Spagat im Aufsichtsrat, um die Interessen der Beschäftigten, die Patientenversorgung als auch die Gewinnsituation des Konzerns unter einen Hut zu bekommen. Beide betonten, dass es eine beliebte Taktik der Kapitalseite sei, Betriebsräte und Aufsichtsratsmitglieder gegeneinander auszuspielen. Umso wichtiger sei eine gute Kommunikation innerhalb und zwischen den verschiedenen Gremien. Zudem sehen beide die Gefahr, dass durch gewisse Rechtsformen wie die SE oder Stiftungsmodelle die wirtschaftliche Mitbestimmung im Unternehmen zunehmend ausgehebelt werde. Christine Seemann berichtete, dass durch Unternehmenszukäufe, die nicht per se mit der Stahlproduktion zu tun hätten, der besondere Schutz durch die Montanmitbestimmung verloren gehen kann. Nicht zuletzt sei seit längerem zu beobachten, dass das sozialpartnerschaftliche Verhalten der Kapitalseite nachlasse. So würden Umstrukturierungen deutlich vehementer durchgesetzt, als dies früher der Fall gewesen sei. Gerade deshalb sei eine gut organisierte Belegschaft das eigentliche Rückgrat der Aufsichtsratsarbeit.

Unter dem Motto „Gemeinsam für eine wirtschaftliche Mitbestimmungsoffensive? Mitbestimmung als Teil der Demokratisierung der Gesellschaft“ stand das zweite Panel der Konferenz. Neben Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall konnte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Susanne Ferschl den ver.di Vorsitzenden Frank Werneke begrüßen.

Unternehmensmitbestimmung unzureichend

Beide waren sich einig, dass die derzeitige Unternehmensmitbestimmung deutlich unzureichend sei. Es sei, so Werneke, deutlich mehr als ein Facelifting nötig, um die Mitbestimmung den vielen neuen Herausforderungen anzupassen. Klar sei aber auch, dass man sich auch in der Unternehmensmitbestimmung immer im Interessengegensatz von Kapital und Arbeit bewege. Echte Wirtschaftsdemokratie kann im Kapitalismus nicht existieren, so Lemb. Gerade deshalb sei es wichtig, die bestehen Regelungen zu verteidigen und nach Möglichkeit auszubauen. Neben der generellen Reform der Unternehmensmitbestimmung auf nationaler Ebene sei vor allem eine Reform der europäischen Mitbestimmungsmodelle unerlässlich. Immer mehr Konzerne machten sich hier die gesetzlichen Regelungslücken auf europäischer Eben zu Nutze und unterminierten so die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten. Wie dringend notwendig hier eine Reform sei, betonte auch Werneke. Nur durch eine Klage gegen den Software-Entwickler SAP sei es möglich gewesen, die Mitbestimmung der Beschäftigten im Aufsichtsrat zu verteidigen. SAP hatte versucht diese durch eine Umwandlung in eine SE auszuhebeln. Beide forderten, dass die Schwellenwerte bei der Mitbestimmung von 2000 auf 1000 Beschäftigte gesenkt werden müssen. Außerdem sei die Drittelparität zu stärken. Eher ablehnend zeigten sich beide auch gegenüber Modellen, die die Übernahme des gesamten Unternehmens in Belegschaftshand propagierten. Diese, so Werneke, seien meist leider nicht robust genug, um langfristig auf dem Markt zu bestehen.

Bis zur Ende der Wahlperiode will die Fraktion nun noch ein Ausrufezeichen im Bundestag zur Unternehmensmitbestimmung setzen. Viele der Forderungen und Anregungen aus der Konferenz werden in einen Antrag und weitere Papiere dazu einfließen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wird die Forderungen der Gewerkschaften zur Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung unterstützen. Die Konferenz habe, so Meiser, ihn auch noch einmal darin bekräftigt, dass der Gesetzgeber nicht nur dringend die offensichtlichen Schlupflöcher bei der Unternehmensmitbestimmung schließen müsse. Gemeinsam müsse man auch weitere Konzepte entwickeln und Druck dafür machen, dass die bestehende Unternehmensmitbestimmung zu einer vollumfänglichen wirtschaftlichen Mitbestimmung in den Unternehmen und darüber hinaus weiterentwickelt werde.