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TTIP-Studie: Hohe soziale Kosten durch Wirtschaftsabkommen

Im Wortlaut von Klaus Ernst, Alexander Ulrich,

Von Klaus Ernst und Alexander Ulrich

 




0,5 Prozent mehr Wachstum! 500 Euro Einkommensplus pro Familie! Mit diesen Versprechungen gehen EU-Kommission und Bundesregierung seit Monaten hausieren, um Zustimmung zum geplanten EU/US-Wirtschaftsabkommen TTIP zu erwirken. Diese Zahlen beruhen auf einer Studie des Centre of Economic Policy Resarch (CEPR). Auftraggeber war die EU-Kommission höchstpersönlich.

Pro-TTIP-Studien sind unseriös

Was meist nicht erwähnt wird: Grundlage dieser Zahlen ist ein äußerst optimistisches Szenario, das von einem extrem weitreichenden Abkommen, einem sehr tiefgehenden Abbau von Handelshemmnissen und unrealistisch starken wirtschaftlichen Effekten ausgeht. Hinzu kommt, dass die Zahlen nicht etwa auf ein Jahr bezogen sind – wie sonst bei Wachstumsraten etc. üblich – sondern auf den Gesamteffekt innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren.

Nimmt man stattdessen den jährlichen Effekt eines durchschnittlichen Szenarios, ist die positive wirtschaftliche Wirkung so gering, dass jeder seröse Statistiker von einem Nulleffekt  sprechen würde.

Weitere gravierende Kritikpunkte sind, dass die Modellrechnung der Studie auf realitätsfremden Annahmen beruht – so wird u.a. von Vollbeschäftigung und ausgeglichenen Staatshaushalten ausgegangen – und dass die Studie nur den wirtschaftlichen Gewinn berechnet, zahlreiche Kosten jedoch nicht gegenrechnet.

Andere TTIP-freundliche Studien (Ecorys, 2009; CEPII, 2013; Bertelsmann/ifo, 2013) verwenden ähnlich unseriöse Methoden. Alle diese Studien haben gemeinsam, dass sie  trotz deutlicher Überbetonung der positiven Effekte von TTIP zu statistisch bedeutungslosen Ergebnissen kommen.

Neue Studie: Erhebliche soziale Kosten

Eine neue Studie der Austrian Foundation for Development Research (OFSE) im Auftrag der GUE/NGL-Fraktion im EU-Parlament  zeigt die bisher in der Debatte vernachlässigten Kosten des TTIP auf:

  • Selbst bei insgesamt positiven Beschäftigungseffekten käme es in der Übergangsperiode zu mehr Arbeitslosigkeit. Das bestätigen sogar die Studien der TTIP-Befürworter. Das OFSE berechnet zusätzliche Kosten in der EU für Arbeitslosenunterstützung von fünf bis 14 Milliarden. Hinzu kommen Einbußen bei Einkommenssteuern und Sozialversicherungsabgaben in Höhe von vier bis 20 Milliarden Euro.
  • Viele arbeitslos gewordene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden in ihren neuen Jobs weniger verdienen.
  • Die wegfallenden Zolleinnahmen dürften den EU-Etat künftig mit jährlich 2,6 Milliarden Euro belasten.
  • Außerdem erwartet die OFSE dadurch Verluste, dass der Handel zwischen den EU-Staaten zurückgeht, weil er teilweise durch mehr Handel mit den USA abgelöst wird. Ebenso werden viele Länder des globalen Südens unter der Umlenkung von Handelsströmen leiden.
  • Auch die sozialen Kosten in der EU und den USA dürften erheblich sein: Die oben genannten Studien basieren auf der Annahme, dass so genannte "nicht-tariffäre Handelshemmnisse" um 25-50 Prozent reduziert werden. Das betrifft auch Regulierungen in sensiblen Bereichen wie Nahrungsmittel oder Chemikalien. Der Preis für den angeblichen Wohlstandgewinn wäre daher ein Abbau von Umwelt- und Verbraucherschutz.

Fazit: Es gibt kein "Pro-TTIP-Argument"

Im Ergebnis steht das Pro-TTIP-Argument der Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in keinerlei akzeptablem Verhältnis zu den Kosten. TTIP bringt – wenn überhaupt – sehr geringe positive wirtschaftliche Effekte. Die sozialen Kosten hingegen sind erheblich. So wird das Pro- zu einem Contra-Argument, das sich in eine ganze Palette von Argumenten gegen TTIP einreiht: Druck auf Löhne und Arbeitnehmerrechte durch verschärften Wettbewerb, schwindende demokratische Gestaltungsspielräume durch neue Klagerechte für Banken und Konzerne, nachhaltige Schwächung des Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutzes durch die "Abstimmung" neuer Regulierungen usw.

Das TTIP ist eine breit angelegte Attacke gegen soziale Rechte, Umwelt und Demokratie. Widerstand tut dringend Not! DIE LINKE setzt daher gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen alles daran, das Abkommen zum Scheitern zu bringen!

linksfraktion.de, 14. April 2014

 

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