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Schluss mit dem "Zensurheberrecht"!

Nachricht von Anke Domscheit-Berg,

Offiziell formuliert die Bundesregierung den Anspruch, Transparenz  über ihre Arbeit herzustellen. Gleichzeitig klagen Ministerien und Bundesbehörden regelmäßig gegen Bürgerinnen und Bürger, Journalistinnen und Journalisten sowie NGOs, die Dokumente dieser Institutionen veröffentlichen – und zwar mit Verweis auf das Urheberrecht.

Damit behindern Regierungsinstitutionen bewusst journalistische Arbeit und stellen sich dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit entgegen. Das Urheberrecht, das eigentlich dem Schutz geistigen Eigentums dienen soll, missbraucht die Bundesregierung also, um Intransparenz zu schaffen, hohe Hürden für Informationsverbreitung zu errichten und investigative Recherchen zu sensiblen Themen zu verhindern.

Im jüngsten Fall klagte das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) gegen den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), der über Gutachten des BfR zu möglichen Krebsfolgen von Glyphosat berichtet und das Gutachten veröffentlicht hatte. Die Klage, die die Steuerzahler rund 80.000 Euro gekostet hatte, war erfolgreich: Auch das Oberlandesgericht Köln sah durch die Veröffentlichung das Urheberrecht des BfR als verletzt an, der MDR musste das Gutachten von seinen Internetseiten löschen.

Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung scharf und fordert eine Anpassung des Urheberrechts: 

„Die Klage des BfR gegen den MDR steht in einer ganzen Reihe von Klagen einzelner Bundesministerien und Bundesbehörden gegen Journalist*innen und NGOs, die Regierungsdokumente veröffentlichen. Es gibt inzwischen so viele Klagen dieser Art, dass es dafür schon einen Fachbegriff gibt: Zensurheberrecht. Ziel dieser Klagen ist, die öffentliche Debatte zu einem Thema abzuwürgen. 

Dafür ist das Urheberrecht weder gemacht noch geeignet. Die Bundesregierung nutzt jedoch immer wieder solche Methoden, um den legitimen Informationsanspruch der Bevölkerung zu konterkarieren und zeigt damit, wie wenig ernst ihr der selbst erhobene Anspruch von Offenheit und Nachvollziehbarkeit ist. In der Theorie redet sie von Open Government, in der Praxis klagt sie gegen Bürgerinnen und Bürger, Journalisten und NGOs. 

Vor dem EuGH liegt seit geraumer Zeit die Klage des Verteidigungsministeriums gegen die WAZ (bzw. inzwischen Funke-Gruppe) wegen der Veröffentlichung der sogenannten "Afghanistan-Papiere", also der Unterrichtungen des Parlaments über die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Der Generalanwalt hat in seinem Schlussgutachten (PDF) Ende Oktober 2018 kein gutes Haar an der deutschen Behördenpraxis des Zensurheberrechts gelassen. Er bezweifelt schon, dass es sich bei den Afghanistanpapieren überhaupt um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Aber selbst wenn es sich um urheberrechtlich geschützte Werke handele, stünde es dem Staat nicht zu, missbräuchlich mit den Mitteln des Urheberrechts eine Veröffentlichung zu verhindern. Rechtssicherheit für alle Nachnutzer gibt es erst dann, wenn der Bundestag den Geltungsbereich von §5 Urheberrechtsgesetz erweitert, um staatliche Werke ganz allgemein nicht mehr urheberrechtlich zu schützen.“