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Nach Finanzkrise Binnennachfrage stärken

Interview der Woche von Axel Troost,

Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Der Internationale Währungsfonds schätzt die Verluste aus der von den USA ausgegangenen Finanzkrise auf eine Billion Dollar. Dieser Betrag übersteigt wohl die Vorstellungskraft der Mehrzahl der Menschen. Für all diejenigen, in deren ganz persönlicher Finanzwelt das Girokonto im Mittelpunkt steht: Worum geht es hier eigentlich?

Es geht letztlich um das ganz typische Platzen einer Finanzblase, diesmal am US-Immobilienmarkt. Das Risiko für die Weltwirtschaft entsteht dadurch, dass die fragwürdigen US-Hypothekenkredite, die dadurch notleidend wurden, zwischenzeitlich mehrmals weltweit weiterverkauft, mit anderen Krediten vermischt und dadurch bis zur Unkenntlichkeit verteilt worden sind. Nun weiß kaum eine Bank mehr genau, welches Risiko sie eigentlich in ihren Büchern hat. Diese Vertrauenskrise in der Finanzwelt ist tatsächlich die schwerste seit Jahrzehnten und wird in den USA wohl zu einer Rezession führen. Nach einem Zusammenbruch der Weltwirtschaft wie nach 1929 sieht es aber derzeit zum Glück noch nicht aus.

Worauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik kurzfristig einstellen?

Wenn die USA in eine Rezession geraten, werden die US-Amerikaner weniger Produkte aus Deutschland kaufen. Dadurch kann die Exportindustrie Schaden nehmen und könnten Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Wegen der aggressiven „Lohnzurückhaltung“ in Deutschland ist diese Gefahr aber hierzulande deutlich geringer als in anderen europäischen Ländern. Wenn jetzt die Chefs großer deutscher Unternehmen schon vor einer Rezession auch in Europa warnen, dann geht es ihnen darum, auch weiterhin Reallohnsenkungen durchzusetzen. Gerade jetzt wäre aber das Gegenteil gefragt: Durch Lohnzuwächse müsste die Binnennachfrage gestärkt werden, um den Rückgang der Exporte auszugleichen.

Mit welchen Langzeitfolgen rechnen Sie?

Das ist schwer abzuschätzen. Eine Rezession in den USA könnte das weltwirtschaftliche Gewicht der USA und des US-Dollars weiter zurückdrängen. Das wäre insofern gut, als dass die USA weniger verhindern könnten, dass Spielregeln für globale Märkte aufgestellt werden. Solange aber die europäischen Regierungen und insbesondere die Bundesregierung die entfesselten Finanzmärkte nicht drastisch regulieren und unter demokratische Kontrolle bringen wollen, nützt das leider nichts. Die Finanzkrise hat die Akzeptanz für die neoliberalen Liberalisierer erstmal geschwächt, und DIE LINKE muss diese Schwäche schnell nutzen.

DIE LINKE fordert eine stärkere Kontrolle der Finanzinstitutionen. Für diese Rolle hat sich doch aber gerade erst der Staat in Form des Bundesfinanzministers disqualifiziert.

Ja und Nein. Natürlich sehe ich eine Politikwende mit Peer Steinbrück als Person auch nicht kommen, aber die Form des Bundesfinanzministers war auch schon mal mit der Person Oskar Lafontaine gefüllt. Wir müssen uns hüten, pauschal auf dem Staat herumzuhacken, denn das ist gleichbedeutend mit der Aussage, die Demokratie sei grundsätzlich ungeeignet, die heutigen Probleme zu lösen. Wir müssen aber eine andere Utopie von demokratischem Regieren entwickeln, bei der man den Staat nicht als ungeliebtes Gegenüber, sondern als Ort des eigenen Engagements sieht. Beispiele hierfür könnten z.B. gewählte gesellschaftliche Beiräte sein, die öffentlichen Banken auf die Finger schauen.

Wieviel Vertrauen erwarten Sie als Politiker von den Menschen in Ihrem sächsischen Wahlkreis, wenn inmitten der internationalen Finanzkrise nun auch noch die Selbstbedienungspraktiken des damaligen Finanzministers und jetzigen Landesvaters Milbradt zutage treten?

Wählerinnen und Wähler sollen der Politik nicht vertrauen, sondern sie kritisch beobachten und sich selbstbewusst in Parteien und außerparlamentarischen Initiativen engagieren. Milbradt hat mit seinem Rücktritt erst viel zu spät die Konsequenzen aus seiner politischen Verantwortung für die Krise der SachsenLB und sein persönliches Fehlverhalten gezogen. Wenn die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Demokratie fassen sollen, brauchen wir einerseits andere Lebens- und Arbeitsformen, die den Menschen überhaupt Zeit für politische Mitwirkung lässt. Gleichzeitig brauchen wir Formen direkter Mitwirkung, die ihnen Spaß und Motivation geben, sich einzumischen.

linksfraktion.de, 14. April 2008