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Merkel und Union immun gegen Kritik an TTIP und CETA

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

                                                                                        Foto: picture alliance/dpa

 

Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Finanzen


Es hat schon fast Possencharakter, wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und dem CETA-Abkommen mit Kanada verhält.

Bei den Treffen zwischen Merkel und US-Präsident Obama sowie dem kanadischen Premier Harper bekräftigten alle Seiten jeweils ihr Bekenntnis zu TTIP beziehungsweise CETA. Und die Bundeskanzlerin ließ es sich nicht nehmen, auf die erhofften Wachstumsimpulse im Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen zu verweisen – obwohl selbst die Auftragsstudien von EU-Kommission und Bundesregierung nur minimale Wachstumssteigerungen voraussagen und eine alternative Studie von Jeronim Capaldo, Wirtschaftswissenschaftler am Global Development and Trade Institute der US-amerikanischen Tufts University, sogar zu Verlusten bei den Arbeitseinkommen, Arbeitsplatzabbau und einem sinkenden Wirtschaftswachstum in der EU kommt. Zu den von einer breiten Bevölkerungsschicht getragenen Protesten gegen TTIP und CETA sowie deren Kritikpunkten hingegen verlor Merkel kein Wort.

Diskutiert mal schön, aber geändert wird nichts

Sie erwähnte lediglich, dass sie bei CETA von einem gemischten Abkommen, also der Notwendigkeit einer Zustimmung der nationalen Parlamente, ausgeht und "eine Diskussion in den Parlamenten" begrüßt. Selbst das ist in der EU noch umstritten. Doch dann schob Merkel direkt hinterher, dass die Veränderungen, die man noch machen kann, sehr beschränkt seien. Die Botschaft ist also: Diskutiert mal schön, aber geändert wird nichts. 

Die Position in der CDU insgesamt kann man sehr gut an den Äußerungen des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Friedrich Merz ablesen. Merz ist Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einer einflussreichen Pressuregroup in Deutschland, die durch eine unmittelbare Nähe von Politik und Wirtschaft gekennzeichnet ist. Zur Kritik am Handelsabkommen TTIP sagte er diese Woche im Deutschlandfunk:

"Es sind Unterstellungen und hier wird mit unsachlichen Argumenten hantiert. Das Abkommen ist im Entstehen. Es gibt noch gar keinen Text." Er plädiere für eine nüchterne und sachliche Debatte, sobald die Texte vorliegen. Außerdem geht es für Merz um die Frage, ob EU und USA sich zu den "großen Fragen der technologischen Standards, auch der Umwelt- und Naturschutzstandards, der Lebensmittelstandards auf dieser Welt" einigen können. Auch die Bundesregierung weiß, dass das CETA-Abkommen die Blaupause für TTIP ist. Und der CETA-Vertragstext liegt seit August 2014 vor. Im Übrigen ist inzwischen auch das Verhandlungsmandat bekannt. Damit ist die Kritik alles andere als aus der Luft gegriffen. Zweitens zeigt gerade CETA, dass es nicht ratsam ist, den fertigen Text abzuwarten. Angeblich gibt es ja so gut wie keine Spielräume mehr für Veränderungen bei CETA. Abwarten würde also akzeptieren bedeuten. Und drittens geht es bei TTIP und CETA eben nicht darum, möglichst hohe Standards im Sinne der Allgemeinheit, also der Verbraucher und der Umwelt, weltweit zu etablieren. Vielmehr geht es laut Verhandlungsmandat um die "Beseitigung der Zölle und der Beseitigung unnötiger regulatorischer Handelshemmnisse". Und "unnötig" ist eben ein weit interpretierbarer Begriff. Im Sinne der Verhandler sind es Vorschriften, die beim internationalen Handel Kosten verursachen. Auch nach amerikanischer Auffassung mag das europäische Vorsorgeprinzip oder die Abneigung gegen Hormonfleisch, Chlorhühnchen und Gentechnik "unnötig" sein. Die europäische Bevölkerung aber hat ein Recht darauf, sich für eine bestimmte Art von Landwirtschaft und Verarbeitung einzusetzen, ebenso wie für hohe Standards bei Arbeit, Umwelt und Verbraucherschutz.

Alles abtun – vor allem die Sorgen der Bevökerung

Zu den Schiedsgerichten meint Herr Merz, dass diese internationaler Standard seien: "Es beklagt sich auch bis zu diesem Abkommen niemand darüber, dass wir Schiedsgerichte haben", spielt er die Kritik herunter. Abgesehen davon, dass das Argument "Das haben wir immer schon so gemacht" kein besonders intelligentes ist, vertuscht Herr Merz damit, dass es bei TTIP und CETA um Investor-Staat Schiedsverfahren geht, die zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen vereinbart werden sollen. Mit Klage von Vattenfall über 4,7 Milliarden Euro kennt die Bundesregierung die Probleme von Investor-Staat-Schiedsverfahren inzwischen eigentlich aus eigener Erfahrung.

Dass Union und Frau Merkel sich nicht mit den Problemen auseinandersetzen, zeigt deren ideologische Verbohrtheit und ihre einseitige Ausrichtung auf die Interessen der Export- und Großindustrie. Doch das Abtun der Sorgen der Bevölkerung auf diese Weise wird den Protest garantiert nicht abflauen lassen. Frau Merkel und Kollegen sollten sich für 2015 warm anziehen.
 

linksfraktion.de, 11. Februar 2015