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Kein Anschluss unter dieser Nummer

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Solidaritäts-Protest mit Telekom-Streik in acht Städten / Debatte im Bundestag

Unter dem Motto »5 nach 12 - die Telekom muss sich bewegen« rief die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gestern zu Solidaritätsdemonstrationen mit den Streikenden auf. Im Bundestag kam es fast zeitgleich in einer von der Linken beantragten Aktuellen Stunde zu heftigem Wortwechsel über die Auslagerungs-Pläne der Telekom und die Verantwortung der Regierung.

In wichtigen Telekom-Standorten Berlin, Duisburg, Frankfurt (Main), Mainz, Nürnberg, Oldenburg, Ravensburg und Dortmund gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße. In Berlin hatten sich etwa 2000 Menschen vor dem Roten Rathaus versammelt. Der Berliner DGB-Vorsitzende Dieter Scholz erklärte, dass auch die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften auf dem Spiel stehe, wenn sich das Telekom-Management mit der Ausgliederung von 50 000 Stellen in Servicegesellschaften durchsetzen sollte. Auch der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) und der SPD-Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner solidarisierten sich mit den Streikenden. Schreiner kritisierte Politiker im Aufsichtsrat, die den Kurs des Telekom-Managements mitgetragen hätten - darunter waren auch Vertreter seiner Partei. Viel Applaus bekam Florian Becker, der für das Maydaybündnis sprach - hier sind verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, die am 1. Mai 2007 unter dem Motto »Solidarität statt Prekarität« die Mayday-Parade durch Berlin organisiert hatten. Becker ging auf die Anfang Juni beginnenden Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm ein. Hier sei für die Streikenden ein Hebel, den sie auch nutzen sollten. Es gebe keinen Grund, den Streik auszusetzen, meinte Becker.

Kundgebungsteilnehmer äußerten sich gegenüber ND enttäuscht über die schwache Teilnahme. Wenn ver.di und der DGB besser mobilisiert hätten, wäre der Platz jetzt voll, sagte ein Kundgebungsteilnehmer. Ein anderer gab sich indes überzeugt, dass die Mobilisierung zunehmen wird, sollte der Streik nach Pfingsten fortgesetzt werden. Besonders empört waren viele über Briefe des Telekom-Managements, mit denen die Beschäftigten zur Wiederaufnahme der Arbeit bewegt werden sollen. Sie werten derlei als Versuch, das Streikrecht zu unterlaufen.

Ähnlich sah dies nur wenige Stunden später während der Aktuellen Stunde im Bundestag Klaus Ernst von der Linksfraktion. Wenn das Streikrecht in der Bundesrepublik noch etwas gelte, erklärte er, müsse die Bundesregierung, die ja 30-prozentige Anteilseignerin am Unternehmen Telekom sei, endlich einwirken und dürfe nicht zulassen, dass die Streikenden durch Drohungen der Unternehmensleitung unter Druck gesetzt würden. Die von der Telekom geplante Ausgliederung von 50 000 Beschäftigten einschließlich Lohnkürzungen und längeren Arbeitszeiten sei nicht nur eine Angelegenheit von Vorstandschef René Obermann. Die Bundesregierung, so der Gewerkschafter, vernachlässige grob ihre Aufsichtspflicht.

Es versteht sich von selbt, dass Klaus Ernst gerade hierfür wenig Gegenliebe bei Union und FDP erntete. Martina Krogmann von der Unionsfraktion monierte, dass die Linke immer noch nicht begriffen habe, wie Marktwirtschaft funktioniere. Sehr wohl habe die Bundesregierung eine Verantwortung für die Telekom, nicht aber für operative Entscheidungen im Unternehmen selbst.

Martin Zeil von der FDP machte gar in der von der Linken beantragten Aktuellen Stunde mitschwingende »Nostalgie an Staatswirtschaft« aus - was besonders beim bayerischen IG Metaller Ernst für ziemliche Heiterkeit sorgte. Dass Union wie FDP erneut die altgediente Keule schwangen und die Linken »hemmungslos populistisch« ziehen, gehört im Bundestag inzwischen zum Normalfall.

Eine Nummer kleiner hatte es dann Martin Dörmann von der SPD, wiewohl auch er die Einmischung des Bundes in Unternehmensentscheidungen weit von sich wies und gar meinte, die Politik sei gut beraten, sich ein Stück zurückzunehmen. Dörmann machte allerdings auch auf verloren gegangenes Vertrauen zwischen Vorstand und Belegschaft aufmerksam.

Brigitte Pothmer von den Grünen war es schließlich, die ebenso wie Klaus Ernst kein Blatt vor den Mund nahm. Es sei völlig klar, dass die Telekom-Belegschaft auf die Barrikaden gehe, wenn die Devise beim Unternehmen laute: Rendite rauf, Löhne runter. Die Bundesregierung, die dem unsozialen Sanierungsplan zugestimmt habe, sehe jetzt untätig zu, wie der Karren an die Wand fahre. Kein Wunder, so Pothmer, wenn es irgendwann bei der Telekom heiße: kein Anschluss unter dieser Nummer und die Beschäftigten merkten, dass sie sich verwählt haben - bei der Großen Koalition.

Von Peter Nowak und Gabriele Oertel

Neues Deutschland, 24. Mai 2007