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Genossenschaften sind Alternative zum Shareholder-Value

Im Wortlaut von Johanna Regina Voß,

Kollektive Selbsthilfe und solidarisches Wirtschaften sind Grundgedanken von Genossenschaften. Besonders in Krisenzeiten hat sich diese Wirtschaftsform bewährt. Auch jetzt gewinnt sie wieder an Aktualität.

Von Johanna Regina Voß





Vom Ursprung her sind Genossenschaften Kinder der Not. Erste Genossenschaften aus der Arbeiterbewegung bildeten sich, um die Lebensbedingungen zu verbessern: Konsum-, Wohnungs- oder Produktionsgenossenschaften von im Streik entlassenen Arbeitern. Sie entwickelten sich zu einer wesentlichen Säule der Arbeiterbewegung in Deutschland. Auch im Handwerk und in der Landwirtschaft und mit Sparkassen wurde kollektive Selbsthilfe gegen die soziale Not organisiert – bekanntester Begründer ist Friedrich Wilhelm Raiffeisen.

Nachdem Genossenschaften in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ein Schattendasein fristeten, erleben sie derzeit eine Renaissance. Die Zahl der Genossenschaftsneugründungen in Deutschland hat sich von 2007 bis 2011 auf 370 verdreifacht. Das Jahr 2012 wurde gar von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Für den Aufschwung spielt neben dem Selbsthilfegedanken die zunehmende Kritik am herrschenden Wirtschaftsmodell und der renditefixierten Unternehmenspolitik eine wichtige Rolle. Die Ausrichtung der Unternehmenspolitik allein an den Interessen der Anteilseigner – Stichwort "Shareholder-Value" – führt zu einer Strategie der drastischen Kostenreduzierung. So verkommen Unternehmen zu Finanzanlagen, der dahinter liegende Wertschöpfungsprozess interessiert nicht.
So werden ohne wirtschaftliche Not Löhne gekürzt und Tausende von Arbeitsplätzen ganz vernichtet, um die Rendite noch weiter zu steigern. Managergehälter wachsen ins Unermessliche.

Solidarische Selbsthilfe

Dagegen regt sich kreativer Widerstand. Belegschaft, Mieter oder Verbraucher wollen selber die Entscheidungen treffen. Genossenschaften sind ein Weg zu diesem Empowerment: Sie haben wirtschaftsdemokratischen Charakter – jedes Mitglied hat genau eine Stimme – und sie sind und bleiben realwirtschaftlich verankert statt finanzmarktgetrieben. Sie sind Organisationen solidarischer Selbsthilfe, zeigen wirtschaftliche Alternativen auf, können helfen die Lebensumstände unter kapitalistischen Bedingungen zu verbessern und solidarische Erfahrungen zu machen.

Gegensätzliche Tendenzen gibt es leider auch: Unter der großen Koalition wurde eine weitere Angleichung der genossenschaftlichen Rechtsform an Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) vorangetrieben. Genossenschaften wurden für investierende Mitglieder geöffnet, und einzelne Mitglieder können jetzt mehrere Stimmrechte auf sich vereinen. Andere Genossenschaften, zum Beispiel Edeka, umgehen Tarifverträge und versuchen so auf Kosten der Beschäftigten ihre Gewinne zu steigern. Das zeigt, nicht überall, wo Genossenschaft draufsteht, ist Genossenschaft drin.

DIE LINKE fördert die Gründung von Genossenschaften

In Deutschland finden sich Genossenschaften im traditionellen Sinn vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Wohnen, Konsum, Banken und Energie. Bei Agrargenossenschaften geht es um gemeinschaftliche Produktion und Absatz von landwirtschaftlichen Produkten, Wohnungsbaugenossenschaften sollen den Mitgliedern angemessenen, bezahlbaren Wohnraum sichern, Konsumgenossenschaften dienen der günstigen oder wohnortnahen Versorgung und Energiegenossenschaften der Erzeugung und Versorgung mit Strom aus regenerativen Energiequellen. Produktivgenossenschaften gibt es – außerhalb der ostdeutschen Landwirtschaft – in Deutschland kaum. Die Idee kommt jedoch bei Unternehmenspleiten wie von Schlecker oder Unternehmensübernahmen wie bei Hessnatur regelmäßig ins Gespräch, um Arbeitsplätze und Lebensunterhalt der Belegschaft zu sichern.

DIE LINKE ist dem genossenschaftlichen Gedanken verpflichtet und fördert die Gründung von Genossenschaften. Ein Ergebnis ihrer Arbeit ist die TLG-Genossenschaft. DIE LINKE will Benachteiligungen für Genossenschaften gegenüber anderen Wirtschaftsformen beseitigen, zum Beispiel bei staatlichen Förderprogrammen und bei der Finanzierung durch Banken. Wir freuen uns, wenn genossenschaftliches Wirtschaften in Schule und Ausbildung ihren Platz findet und in Projekten erlebbar gemacht wird.

linksfraktion.de, 26. Juli 2013