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Fit for 55: Mehr Klimaschutz geht nur sozial und demokratisch

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich, Sprecher für Industriepolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Heute hat die EU-Kommission ihren Fahrplan für die Klimagasreduktion um 55 Prozent bis 2030 vor. Ein ambitioniertes Programm, das nur mit sozialer Flankierung und demokratischer Beteiligung erfolgreich werden kann.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will beim Klimaschutz klotzen und nicht kleckern. Mit zwölf Gesetzesvorschlägen soll das Leben, Arbeiten und Wirtschaften in der EU umgekrempelt werden. Nicht nur Unternehmen werden die Auswirkungen zu spüren bekommen, auch Beschäftigte, Verbraucher*innen und mobile Menschen. Die EU darf jetzt keinen hektischen Schnellschuss abgeben, sondern muss die soziale Ausgewogenheit der Maßnahmen beachten.

Gefährliche soziale Schieflage durch zu erwartende Preissteigerungen

Vor allem auf den Auto-Verkehr kommen verschärfte CO2-Emissionsziele zu. Zudem sollen die Mitgliedstaaten Quoten zum Aufbau von E-Ladesäulen erfüllen. Wenngleich auch ein Ausbau des Ladenetzes eine notwendige Bedingung für den Marktdurchbruch von E-Autos ist und Anreize zur Verkleinerung und Emissionsminderung des Autoverkehrs insgesamt richtige Schritte sind, lassen die zu erwartenden Preissteigerungen von Benzin und Heizöl eine gefährliche soziale Schieflage erkennen. Müssen die Verbraucher*innen am Ende den Preis für den Klimaschutz zahlen, weil Unternehmen die höheren Kosten einfach an sie weitergeben, droht die Akzeptanz der Maßnahmen zu verpuffen.

Für den Flugverkehr und die Schifffahrt soll es verpflichtend werden, den Treibstoff mit klimafreundlicheren Alternativen zu mischen – ein richtiger erster Schritt. Doch damit der Schienenverkehr innereuropäisch zur echten Alternative zum Fliegen wird, muss deutlich mehr in den Ausbau des europäischen Schnell- und Nachtzugnetzes investiert werden.

Überhaupt präsentiert die EU-Kommission wenig eigene Visionen für den Aufbau von Alternativen und grünen Jobs, die auch finanziell unterlegt wären, sondern arbeitet hauptsächlich mit ordnungspolitischen Instrumenten.

Die richtige Richtung schlägt die EU jedoch damit ein, dass sie sich von einem rein marktgesteuertem Klimaschutz verabschiedet. Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) hat bislang auf ganzer Linie versagt. Da eine Zuteilung der Zertifikate zunächst kostenlos erfolgte und emissionsintensive Unternehmen besonders viele Zertifikate erhalten haben, blieb eine Emissionsreduktion aus. Es wurden lediglich neue Felder für spekulative Geschäfte und Finanzanlagen und damit eine zusätzliche Einnahmequelle für fossile Unternehmen geschaffen. Damit soll jetzt Schluss sein.

Dekarbonisierung darf nicht zum Nachteil werden 

Der größte Knackpunkt des EU-Klimapaketes dürfte der sogenannte Grenzausgleichsmechanismus werden. Er soll klimafreundlichere Produktion in der EU schützen und Wettbewerbsnachteile ausgleichen. Industrieverbände und Freihandels-Apologeten beschwören schon jetzt neue Handelskonflikte herauf. Wir setzen uns für einen europäischen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ein, der den Import CO2-intensiver Produkte bepreist. So verhindern wir, dass die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland und der Europäischen Union zulasten der hiesigen Beschäftigten geht und zur Verlagerung von CO2-intensiver Produktion in Drittstaaten führt. Die Diskussion um den richtigen Klimaschutz hat begonnen. Für DIE LINKE ist klar: Echten Klimaschutz gibt es nur sozial und demokratisch.