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Dobrindt-Schneckentempo statt Breitband-Rakete

Im Wortlaut von Herbert Behrens,

Bis zum 1. Januar 2016 hätte die Bundesregierung die EU-Richtlinie zum Breitbandausbau umsetzen müssen. Fast ein halbes Jahr später liegt nun endlich ihr Gesetzentwurf “zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze” vor. Herbert Behrens findet es “ärgerlich, das konzeptionslose Wurschteln von Minister Dobrindt mitansehen zu müssen. Eine vermeintliche Strategie jagt die nächste und bringt den Glasfaserausbau nur minimal voran”.

 

 

Von Herbert Behrens, Sprecher für digitale Infrastruktur der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Eine neue Stufe der Breitband-Rakete soll gezündet werden. Mehr Glasfaserausbau bei reduzierten Kosten hat die EU-Kommission beschlossen. Die Bundesregierung sollte die entsprechende Richtlinie der EU bis 1. Januar 2016 umgesetzt haben, damit sie ab dem 1. Juli 2016 wirksam werden kann. Doch auch an dieser Stelle bleibt sich die Bundesregierung treu. Erst mal wortgewaltig ankündigen, dann abwarten und schließlich einen Gesetzentwurf vorlegen, der weit hinter dem Notwendigen zurückbleibt.

Zur Erinnerung: Schnelles Internet mit mindestens 50 MBit will die Bundesregierung bis 2018 erreicht haben. In Europa steckt die Zielmarke bei 30 Mbit bis 2020. Aber mindestens 50 Prozent aller Europäer sollen mit 100 MBit versorgt sein. Um das zu erreichen, sollen Netzbetreiber jetzt einen Rechtsanspruch bekommen, Glasfaser beim Neubau von Straßen und Wegen sowie bei der Erschließung von Gewerbe- und Wohngebieten mitverlegen zu können. Auch sollen die Ver- und Entsorgungsleitungen für Glasfaser verwendet werden dürfen. Damit sollen die Kosten für einen zukunftsfähigen Breitbandausbau drastisch gesenkt werden.

Die Bundesregierung frohlockt. Bis zu 80 Prozent der Kosten beim Breitbandausbau könnten eingespart werden. Doch Ankündigungen dieser Art gibt es reichlich, ohne dass bisher schnelles Internet für alle deutlich vorangekommen ist. Noch heute gibt es Gewerbegebiete ohne schnelles Internet, ebenso wie Schulen und Wohngebiete.

Darum ist die Idee richtig, die hohen Kosten für das Verlegen der Leitungen dadurch zu senken, dass bestehende Netze einfach mitverwendet werden. Richtig ist es auch, dass bei jedem Neubau von Straßen und Wegen oder bei Gewerbe- und Baugebieten Glasfaser mitverlegt werden sollen. Aber Ankündigungsminister Dobrindt ist für einen großen Teil dieser Aufgaben nicht wirklich zuständig, hat die Länder und Kommunen nicht mit ins Boot geholt. 

Der Bundestag hat Bedenken angemeldet, weil nicht geklärt ist, wer denn wirklich die Kosten zu tragen hat, wenn Behörden umfassend Auskunft darüber geben sollen, wo in der jeweiligen Kommune welche Infrastruktur vorhanden ist. Ungeklärt bleibt die Frage, wie verhindert werden kann, dass bereits erschlossene Gebiete ein zweites Mal in den Genuss von Glasfaser kommen. Wer garantiert, dass Netzbetreiber in der Ver- und Entsorgung ihre Netze solange geschlossen halten, bis ihnen ein Kabelnetzbetreiber den gewünschten Preis bietet?

Es ist ärgerlich, das konzeptionslose Wurschteln von Minister Dobrindt mitansehen zu müssen. Eine vermeintliche Strategie jagt die nächste und bringt den Glasfaserausbau nur minimal voran. Der Minister behauptet einen „Sprung in Richtung Gigabit-Gesellschaft“ und eine Kostensenkung von 20 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren. Belegt ist beides nicht. Die EU-Kommission schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der Kosten bei Tiefbauarbeiten, die allein 80 Prozent der Kosten beim Glasfaserausbau ausmachen, verringert werden können. Je nachdem wie viel in Deutschland investiert wird, läge die Kostenreduzierung zwischen drei und 19 Milliarden Euro. Verbände sprechen davon, dass das Einsparpotenzial „deutlich zu hoch gegriffen“ sei.

Es bleibt festzustellen, der marktgetriebene Glasfaserausbau wird nicht gelingen. Die Spitzenreiter bei der Breitbandversorgung mit Glasfaser, wie Japan, Südkorea oder auch Finnland, haben viel Geld in die Hand genommen, um das Netz zu bauen. Daran sollten wir uns in Deutschland orientieren, wenn wir die Forderung „Schnelles Internet für alle“ umsetzen wollen.