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»Die Zahlen der Bundesregierung sind unseriös«

Im Wortlaut von Axel Troost,

Konjunkturprogramm ist unbedeutend und wird in der Dynamik des Abschwungs un­bemerkt untergehen. Ein Gespräch mit Axel Troost.

Die Bundesregierung will bis 2012 knapp zwölf Milliarden Euro in die Konjunkturförderung investieren, weitere elf Milliarden sollen von Ländern und Gemeinden kommen. Woher nimmt die Regierung Ihrer Ansicht nach die Zuversicht, daß damit Investitionen von 50 Milliarden angestoßen werden?

Die Zahlen sind unseriös. Die vermeintlich geplanten zusätzlichen zwölf Milliarden Euro des Bundes sind in Wirklichkeit viel niedriger - es werden nämlich Ausgaben mitgerechnet, die ohnehin angefallen wären. Bei einem weiteren Teil dieser Summe handelt es sich um ein reines Vorziehen von Ausgaben um ein oder zwei Jahre.

Ich sehe auch nicht, wie das Programm insgesamt zu einer Zusatznachfrage von 50 Milliarden Euro führen soll. Manche Ausgaben, wie z.B. der pauschale Steuererlaß für Neuwagen, sind nicht nur ökologisch irrsinnig und sozial kontraproduktiv. Sie machen auch ökonomisch kaum Sinn, denn sie stimulieren kaum zusätzliche Wachstums­impulse.

Gemeinden und Länder sind offenbar gar nicht danach gefragt worden, ob sie elf Milliarden ausgeben wollen. Wie will die Regierung das durchsetzen?

Das kann sie auch gar nicht. Der Bund ist gesamtwirtschaftlich für die Konjunktur zuständig, nicht die Länder und Kommunen. Die Kommunen dürfen sogar formal gar keine konjunkturpolitischen Ausgaben tätigen. Natürlich besteht gerade bei Ländern und Kommunen großer Nachholbedarf bei Investitionen in Bildung, Betreuungseinrichtungen und soziale Dienste.

Wie sollten Städte und Gemeinden denn soviel Geld aufbringen? Viele laufen finanzpolitisch ohnehin schon auf der letzten Rille.

Bei den Kommunen sieht es tatsächlich düster aus. Die haben sich die letzten Jahre mehr oder weniger kaputtgespart und stehen trotzdem klamm da.

Kaum verkündet, wird das Konjunkturpaket selbst von unternehmernahen Forschungsinstituten kritisiert. Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, etikettiert es als »Symbolpolitik«. Widersprechen Sie?

Nein. Wie gesagt, das Programm ist praktisch viel kleiner als zwölf bzw. 23 Milliarden Euro und wird in der Dynamik des Abschwungs unbemerkt untergehen. Und das Schlimmste ist: Nachher heißt es dann wieder, Konjunkturprogramme seien ohnehin wirkungslos.

Auch in der Bevölkerung gibt es wenig Vertrauen zum Konjunkturprogramm. Zwei von drei Befragten glauben nicht, daß dadurch ein Abschwung verhindert werden kann.

Man sollte ein Konjunkturprogramm nicht nur daran messen, ob es die Rezession verhindert. Es wäre schon viel erreicht, wenn der Abschwung deutlich gemildert und vor allem abgekürzt würde. Die USA haben es z.B. in den vergangenen 15 Jahren auf diese Weise geschafft, daß ihre Rezessionsphasen nur halb so lang waren wie die in Deutschland.

Entscheidend ist, daß die Regierung überzeugend klarmacht, daß sie so bald wie möglich aus der Rezession raus will und dafür auch bereit ist, zu beherzten Maßnahmen zu greifen. Mit ihrem 480 Milliarden. Rettungspaket für die Banken hat sie genau diese Entschlossenheit zeigen wollen. Warum nur für die Banken und nicht für die Konjunktur im Interesse aller?

Welche Alternativen hat die Linkspartei?

Unsere Bundestagsfraktion fordert ein Sofortprogramm mit 50 Milliarden Euro jährlichen Zusatzausgaben. Diese bestehen einerseits aus öffentlichen Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Energiewende und Gesundheit. Teile dieser Ausgaben sind zeitlich befristet, z.B. für die Grundsanierung öffentlicher Gebäude. Andererseits dürfen die meisten Ausgaben nicht auf die Dauer des Abschwungs beschränkt bleiben, denn zusätzliche Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen sind auch nach der Krise nötig. Dasselbe gilt für die überfällige Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro, die Anhebung der Regelsätze für Bezieher von Sozialhilfe und für Asylbewerber sowie für die Wiederherstellung der Rentenformel. Für solche Mehrausgaben muß kurzfristig eine höhere Neuverschuldung hingenommen werden, langfristig müssen sie aber solide finanziert sein, z.B. durch die wiedererhobene Vermögensteuer, eine reformierte Erbschaftsteuer und eine Finanztransaktionsteuer.

Interview: Peter Wolter

junge Welt, 6. November 2008