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Die Krise der Automobilindustrie - unser Konzept für Opel!

Im Wortlaut von Ulla Lötzer,

Die aktuelle Wirtschaftskrise ist die Krise einer Wirtschaftsordnung, die allein für den Profit und nicht für den Bedarf produziert. Sie ist das Ergebnis kapitalistischen Handelns!

Eine jahrelange Lohnsenkungs- und Deregulierungspolitik hat die Binnennachfrage ruiniert. Der Run auf die Abwrackprämie zeigt, dass es eine große Nachfrage nach sparsamen Kleinwagen gibt.

Im Automobilsektor sind im letzten Jahrzehnt große Überkapazitäten (ca. 20%) aufgebaut worden. Die Arbeitsproduktivität ist enorm gestiegen, die Arbeitszeit wurde jedoch nicht im Gegenzug reduziert. Jeder Hersteller hat darauf gesetzt, seinen Marktanteil zu erhöhen, was nicht für alle aufgehen kann. Mit zunehmender Binnenmarktschwäche wurde die Verdrängungskonkurrenz mehr und mehr auf den Exportmärkten ausgetragen.

Die Orientierung an kurzfristigen Renditen (Shareholder-Value) hat die Innovationsfähigkeit von Unternehmen verkümmern lassen. Wenn alleine die kurzfristige Rendite und die Höhe der Dividendenausschüttung, bleiben notwendige Zukunftsinvestitionen auf der Strecke.

Über Jahrzehnte fehlte eine soziale und ökologische Verkehrspolitik. Der gesellschaftliche Bedarf an umweltfreundlicher Mobilität wird nicht gedeckt. In dieser Hinsicht hat die Autoindustrie nicht nur Überkapazitäten, sondern auch die falschen Kapazitäten aufgebaut.

Diese Prozesse wurden durch die Politik gefördert und ermöglicht: Von der Verhinderung scharfer Umweltauflagen über die Deregulierung der Finanz- und Gütermärkte bis hin zur Exportorientierung in der Wirtschaftspolitik.

Die besondere Situation bei Opel

Während die anderen deutschen Automobilkonzerne auch 2008 Gewinne einfahren konnten wird Opel von der Krise des Mutterkonzerns General Motors mitgerissen. GM schreibt seit 2005 Verluste, 2007 waren es 38,7 Mrd. US$, 2008 30,9 Mrd. US $.

Mitte Februar hatte GM einen Restrukturierungsplan vorgelegt, der folgendes vorsieht:

  • Wegfall von 47.000 Stellen weltweit (=19%), 20.000 in den USA, 27.000 an den anderen Standorten.
  • Straffung der Modellpolitik. Bis 2012 Reduzierung um 25% auf 36 Modelle. Verkauf der Geländewagenmarke Hummer und der schwedischen Tochter Saab.
  • Bis 2011 bis zu weitere 16,6 Mrd. US$ Staatshilfen. Darüber hinaus sind mehrere Milliarden US$ Staatshilfen in Deutschland, Großbritannien, Schweden und Thailand einkalkuliert.

Bis Ende März will die US-Regierung über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Auch ein Insolvenzverfahren nach „Chapter 11“ ist nicht vom Tisch. Die Gläubiger müssen dann sofort ihre Vollstreckungsmaßnahmen einstellen und es wird eine Restrukturierung der Verbindlichkeiten, des Kapitals und der Verträge eingeleitet. Sämtliche materiellen und immateriellen Werte des Konzerns weltweit werden in diese Massen einbezogen und stehen für andere Strategien wie z.B. der Herauslösung der Europäischen Werke aus dem Konzern nicht mehr zur Verfügung. Die Forderungen der deutschen Opeltochter und der Zulieferbetriebe in Milliardenhöhe können dadurch verloren gehen.

Unabhängig vom Restrukturierungsplan von GM hat GM Europa Anfang März einen eigenen Rettungsplan bei der Bundesregierung eingereicht. Dieser sieht laut Zeitungsberichten vor:

  • Schaffung eines europäischen Unternehmens aus Opel und Vauxhall mit Werken in mehreren Ländern. Zentrale und Entwicklungszentrum soll in Deutschland sein.
  • 3,3 Milliarden Euro Staatshilfen.
  • Suche nach neuen Investoren für 25%-50% des Unternehmens.
  • Einsparung von 1,2 Mrd. Dollar durch Personalabbau, Lohn- und Gehaltskürzungen sowie dem Verkauf einzelner Werke.

Opel ist überall - ein Schutzschirm für die Menschen:

Zentrale Perspektive LINKER Politik ist die kurz- und mittelfristige Sicherung der Arbeitsplätze und die Umstellung auf ein nachhaltiges, ökologisches und soziales Wirtschaften im Sinne von Mensch und Umwelt und nicht im Sinne maximaler Profite für wenige. Nur wer die Arbeitsplätze erhält kann auch die notwendige sozial-ökologische Umstrukturierung der Branche einleiten. Das vorgelegte Sanierungskonzept ist falsch angelegt. Es enthält weder Standort- noch Beschäftigungssicherung und erst recht keine zukunftsfähige Perspektive. Stattdessen setzt es wie schon die Jahre zuvor auf Zugeständnisse der Beschäftigten und auf Personalabbau. Auch Standortschließung wird nicht ausgeschlossen. Dafür darf es keine öffentliche Unterstützung geben. Die Bundesregierung lehnt es ab, selbst ein Konzept zu erarbeiten und liefert so die Opel-Beschäftigten der Erpressungspolitik von GM aus.

Die LINKE tritt dafür ein, den Abbau von Überkapazitäten mit zukunftsorientierter Produktpolitik zu begegnen und gleichzeitig die Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen. Unsere Bedingungen für die Bereitstellung von öffentlichen Mittel sind:

  1. Beschäftigungssicherung: Es dürfen weder Werke verkauft noch geschlossen werden. Die Beschäftigung muss gesichert werden auch mit Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich.
  2. Unternehmensstruktur: Nur eine rechtlich selbständige europäische Lösung kann die Standorte und Arbeitsplätze bei Opel und den Zulieferern retten. Die neue Struktur muss sicherstellen, dass die Geschäftsstrategie in dem europäischen Unternehmen bestimmt wird und Gelder nicht an General Motors abfließen. In Bezug auf Entwicklung und Patente, wie auch andere Geschäftsfelder kann mit GM kooperiert werden. Diese Kooperation ist rechtlich klarzustellen.
  3. Erwerb von Opel durch die Bundesländer: Die betroffenen Bundesländer, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz müssen mit Beteiligungen bei Opel einsteigen, so dass sie analog zu VW mindestens eine Sperrminorität bei Opel erlangen. Der Bund muss sie dabei insbesondere durch Bürgschaften unterstützten.
  4. Belegschaftsbeteiligung: Die Linke tritt für eine Belegschaftsbeteiligung an Opel ein. Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft muss sicherstellen, dass gegen die öffentlichen, die gewerkschaftlichen und die Belegschaftsstimmen keine Entscheidungen getroffen werden können. Darüber hinaus muss die Mitbestimmung in allen sozialen, personellen und wirtschaftlichen Belangen der Unternehmensführung ausgebaut werden.
  5. Händler und Zulieferer: In die Lösung sollen Händler und Zulieferer mit Beteiligungen eingebunden werden.
  6. Zukunftskonzept: Mit Hilfe der Beteiligungen muss Opel als umweltfreundliches Mobili-tätsunternehmen umgebaut werden. Das „neue“ Unternehmen Opel kann so zum Kristallisationskern einer neuen sozial-ökologischen Industriepolitik für die gesamte Automobilbranche werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf neue Weise und auf neuer Grundlage über die Produktion mitbestimmen Die Strukturanpassung kann dazu genutzt werden, die Fähigkeiten der Beschäftigten für Forschung, Entwicklung und Bau umweltfreundlicher Fahrzeuge, integrierter Verkehrssysteme und anderer sinnvoller Produkte einzusetzen. In den Schubladen der Forschungsbeteilungen der Automobilkonzerne liegen z.T. bereits Pläne, auf die zurückgegriffen werden könnte. Darüber hinaus soll die Kooperation mit öffentlicher Forschung an Universitäten ausgebaut werden.
  7. Innovative Industriepolitik: Die Lösung für Opel wird eingebunden in eine Gesamtlösung für innovative Industriepolitik. Wir treten für einen branchenübergreifenden Innovationsfond für die sozial-ökologische Erneuerung der Industrie ein. Der Industriefonds bündelt staatliche Bürgschaften, Kredite und Beteiligungen und wird mit öffentlichen Mitteln und einer Sonderabgabe von Konzernen (Dividenden, Boni) finanziert. Die Politik kann dadurch die Forschung und Entwicklung der Unternehmen koordinieren und an gesellschaftlichen Notwendigkeiten ausrichten statt an Profitmaximierung. Öffentliche Mittel aus dem Fonds werden nur zu den oben aufgeführten Bedingungen vergeben. Kontrolliert wird der Fonds durch Wirtschaftsräte auf kommunaler, regionaler und Bundesebene, in denen Gewerkschaften, Ökoverbände und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, Arbeitgebervertreter, Sparkassen und Vertreter der öffentlichen Hand (Parlamente) eingebunden sind.


Von Ulla Lötzer

www.linksfraktion.de, 19. März 2009