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Die Bundesregierung ist im Bummelstreik

Interview der Woche von Gesine Lötzsch,

Wie schätzen Sie die Arbeit der Bundesregierung 2008 ein?

Die Bundesregierung ist eine Schönwetter-Koalition. In der kurzen Konjunkturphase hat sie sich selbst gefeiert. Doch die Konjunktur war kein Ergebnis guter Politik. Im Gegenteil, der kurze wirtschaftliche Aufschwung kam bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht an. Die Bundesregierung hat es geschafft, in Zeiten des Aufschwungs, die Schere zwischen Arm und Reich weiter zu öffnen. Das kann man als Fehlleistung, aber auch als brutale Klientelpolitik bewerten.

Wie erklären Sie sich, dass die Bundesregierung so lange braucht, um ein Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen?

Es ist wirklich erstaunlich, dass es die Bundesregierung geschafft hat, an einem Wochenende ein 480 Mrd. Euro Rettungspaket für die Banken zu schnüren und jetzt - wo es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht - sich in einen Bummelstreik begibt. Die Kanzlerin ist mit der dramatischen Situation völlig überfordert und ist gegenüber guten Ideen der Opposition beratungsresistent. Sie vertraut den gleichen Leuten, die das Land in die Krise getrieben haben. Das ist absurd!

Welche Maßnahmen fordert die LINKE, um der Rezession zu begegnen?

Wir wollen schnell Geld in das System bringen, um die Massennachfrage zu erhöhen. Der einfachste Weg wäre es, den gesetzlichen Mindestlohn im Bundestag zu beschließen und das Arbeitslosengeld II zu erhöhen. Die Menschen, die wenig Geld haben, werden dieses Geld sofort ausgeben. Diese beiden Maßnahmen wären ökonomisch und sozial sinnvoll. In einem 2. Schritt muss ein dezentralisiertes Konjunkturprogramm her. Nicht die Bundesregierung soll entscheiden, wo investiert wird, sondern die Kommunen. Man muss jetzt schnell und unbürokratisch den Kommunen Geld zur Verfügung stellen, damit Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Universitäten saniert werden können.

Was hat Sie im letzten Jahr am meisten geärgert?

Mich ärgert, dass die Bundesregierung bei der Lösung wichtiger Probleme immer erst die Demokratie einschränkt. Das konnten wir im Kampf gegen den Terror erleben (BKA-Gesetz), das erleben wir jetzt in der Finanzkrise. Der Bundestag hat keinen Einfluss auf die Vergabe der 480 Mrd. Euro an die Banken. Die demokratische Kontrolle ist auf ein Minimum reduziert. Korruption und Betrug sind Tür und Tor geöffnet.

Was hat Sie im letzten Jahr am meisten gefreut?

Immer mehr Menschen sehen in der LINKEN eine echte politische Alternative zur marktradikalen Politik der Bundesregierung. Wir haben viele gute Konzepte in den letzten Jahren entwickelt. Wir beweisen in vielen Städten und Kommunen mit engagierten Genossinnen und Genossen, dass wir auch in der Lage sind, diese Konzepte umzusetzen. In meinem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg entscheidet eine LINKE-Bürgermeisterin zusammen mit den Bürgern über die Verwendung der Steuergelder. Diese gelebte Demokratie wünsche ich mir für das ganze Land.

Was erwarten Sie vom nächsten Jahr?

Die Rezession wird besonders die Menschen treffen, die schon in Zeiten der Konjunktur kaum etwas vom gemeinsam erarbeiteten Kuchen abbekommen haben. Die LINKE wird im nächsten Jahr mit aller Kraft dafür streiten, dass die Umverteilung von unten nach oben beendet wird. Dafür brauchen wir noch viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

www.linksfraktion.de, 29. Dezember 2008