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Der Herbst wird heiß

Im Wortlaut,

LINKE und europäische Gewerschaften kündigen Proteste und Streiks an

Europäische Gewerkschaften kündigen bei einem Hearing der LINKEN in Berlin Proteste und Streiks für den 29. September an. Die LINKE solidaristiert sich mit dem Protest gegen die Sparpakete.

Auf einem internationalen Hearing der Bundestagsfraktion der LINKEN kündigten Vertreter der europäischen Gewerkschaften am Freitag einen heißen Herbst gegen Sozialabbau an. Nachdem schon in Griechenland mehrere Generalstreiks stattgefunden hatten, bereiten die Gewerkschaften auch in Spanien einen Generalstreik für den 29. September vor.

Francisco Figueroa Alcarazo von der spanischen Gewerkschaft Federacion Industrial erklärte, dass die Sparpakete, die zur Krisenbewältigung in zahlreichen europäischen Ländern durch die Parlamente beschlossen wurden, sehr an Rezepte des IWF erinnerten, die schon in den 80er und 90er Jahren in Lateinamerika gescheitert sind. Mit dem Einschwenken der Sozialisten in Madrid auf den Sparkurs, sei der Dialog zwischen Regierung und Gewerkschaften zum Erliegen gekommen. Die Regierung greife den Kündigungsschutz an, obwohl die Arbeitslosigkeit schon bei 20 Prozent liege und ein Drittel der spanischen Arbeitnehmer nur noch befristete Verträge hätten. Ab 2011 solle das Rentenniveau eingefroren werden. Allerdings würden die spanischen Gewerkschaften nicht grundsätzlich die Notwendigkeit des Sparens bestreiten. Sie haben dazu alternative finanzpolitische Vorschläge gemacht. Damit soll etwa die Hälfte des Handlungsbedarfes zur Budgetsanierung durch Steuererhöhungen erbracht werden.

In Griechenland, so berichtete Apostolia Frakgou, vom Vorstand der Gewerkschaft der Beschäftigten der Privatwirtschaft (OIYE), wird es Ende Juni eine 24-stündige landesweite Arbeitsniederlegung geben, zu der die Gewerkschaftsverbände der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes aufrufen. Ebenso wie in Spanien, will die sozialistische Regierung in Athen ein Gesetzespaket durchbringen, das den Kündigungsschutz abbaut und den Mindestlohn senkt. Das bedeutet »Arbeitslosigkeit für zehntausende Menschen« so Frau Fragkou. »Wir stehen unter dem Protektorat des IWF, ganz gleich welche Opfer das griechische Volk bringt, wir kommen so nicht aus den Schulden heraus.« Damit spielt sie auf die »Troika« an, eine Koordinierungsgruppe aus Vertretern des IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank, mit der sie direkten Einfluss auf die Gesetzgebung in Griechenland nehmen.

Maragita Tsoumou, eine Aktivistin der griechischen Protestbewegung, forderte, dass die Gewerkschaften und linken Parteien mehr für die europäischen Vernetzung des Widerstands gegen den Sozialabbau tun müssten. Sie rechnet damit, dass sich die Konflikte in Griechenland weiter zuspitzen. Nahezu alle Milieus der griechischen Gesellschaft haben sich bislang an Streiks und Demos beteiligt. Selbst Notare, Anwälte und Apotheker seien auf die Strasse gegangen. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die Medien, die den Sparkurs als alternativlos darstellen. Deswegen hätten beispielsweise Aktivisten einer Lehrergewerkschaft einen Fernsehsender besetzt, um in einer Livesendung zu Widerstandsaktionen aufzurufen. Selbsthilfegruppen, die sich während der Jugend-Unruhen im Jahr 2008 gebildet haben, sprächen mittlerweile davon, dass sich im bevorstehenden Winter der Hunger ausbreiten könnte. Wer vor der Krise 1500 Euro im Monat hatte, müsse im Herbst mit Einbußen von bis zu 500 Euro rechnen. Das Ausmaß der Proteste und Streiks werde deswegen noch weiter zunehmen, weil die Leute das Sparprogramm der Regierung ab Herbst im Alltag spüren. Ein »Ausbruch unkontrollierter Wut, wie bei den Riots 2008 ist nicht mehr auszuschließen, nur dass er sich diesmal nicht auf die Jugendlichen beschränken wird«, sagte Tsoumou dem ND.

Francisco Alves da Silva Ramos, vom Vorstand des portugiesischen Gewerkschaftsbundes Fiequimetal sagte, dass schon jetzt rund zwei von über zehn Millionen Portugiesen in Armut leben müssten und viele Senioren mit einer Rente von nicht mehr als 240 Euro im Monat auszukommen hätten. Anders als in Deutschland, setzt die Regierung von Ministerpräsident Jose Sokrates (PS) auch auf massive Steuererhöhungen, die neben einer Anhebung der Mehrwertsteuer auch die gestaffelte Erhöhung der Einkommensteuer und die Einführung neuer Autobahngebühren umfasst. Außerdem sind umfangreiche Privatisierungen von sechs Milliarden Euro geplant. Die linke Opposition in Portugal will stattdessen die Banken stärker zur Bewältigung der Krisenkosten heranziehen. Die portugiesischen Gewerkschaften haben für den 8. Juli 2010 einen »Tag des nationalen Protestes« ausgerufen.

Linksparteivorsitzender, Klaus Ernst, solidarisierte sich ausdrücklich mit den kämpferischen Gewerkschaften der südeuropäischen EU-Staaten und wandte sich gegen die gerade in Deutschland verbreitete Diffamierung der griechischen Protestbewegung. Er wies jedoch auch auf die andere Situation in Deutschland hin: »Wir sind in Deutschland von einem Generalstreik weit entfernt.« Selbst dort, wo es einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gibt, sitze die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes tief. Gewerkschaften und LINKE seien sich in Deutschland einig in der Ablehnung des Sparpaketes. Nun käme es darauf an, den Widerstand, »aus den Betrieben heraus zu organisieren«. Ernst warb für eine breite Unterstützung des europaweiten Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), der ebenfalls am 29. September 2010 stattfindet. Der EGB will damit am Tag des EU-Wirtschafts- und Finanzministertreffens gegen die drastischen Einschnitte bei öffentlichen Ausgaben, Renten und Gehältern in der EU protestieren. Ebenso wie Ernst sprach sich der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, dafür aus, die Exportfixierung der deutschen Wirtschaftspolitik zu überwinden. Diese Politik habe die Wirtschaftskrise im Euro-Raum mitverursacht. Es sei nicht einfach, so Gysi, die Menschen in Deutschland hiervon zu überzeugen. »Aber wir haben die Exportüberschüsse mit Lohneinbußen und sinkenden Renten bezahlt.« Deswegen müsse die Binnenkonjunktur mit öffentlichen
Investitionsprogrammen angekurbelt werden.

Von Marian Krüger

Neues Deutschland, 21. Juni 2010