Von Alexander Ulrich
Der Strukturwandel in der Automobilindustrie hat längst begonnen. In Deutschland später als andernorts. Allzu lange haben die Konzernbosse hierzulande die Umbrüche verpennt. Dieses Versäumnis lässt sich mit blindem Aktionismus nicht wettmachen.
So ist es etwa vollkommen inakzeptabel, dass VW nun mit dem Argument des Umstiegs auf Elektromobilität am laufenden Beschäftigungspakt rüttelt und mehr als 8.000 Arbeitsplätze abbauen will. Die Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn die Beschäftigten eingebunden und mitgenommen werden. Ein umweltfreundlicherer Verkehrssektor darf nicht mit Massenarbeitslosigkeit erkauft werden.
Bundesregierung ohne Plan
Angesichts der enormen Bedeutung der Branche für die deutsche Volkswirtschaft und den Arbeitsmarkt ist das auch eine politische Frage. Die Bundesregierung hat jedoch bisher offenbar keinen Plan, wie die Leitplanken aussehen sollen, mit denen der Wandel politisch gestaltet wird. Scheuers´ Verkehrsministerium macht ohnehin, was die großen Autokonzerne verlangen. Aber auch darüber hinaus schrecken Union und SPD offenbar davor zurück, die notwendigen Investitionen zu tätigen und den Konzernen klare Vorgaben zu machen.
Notwendig wären etwa Regeln, die Massenentlassungen wie bei VW verhindern und den Beschäftigten Ansprüche auf Weiterbildungsmaßnahmen gewähren. Auch in der Autoproduktion der Zukunft braucht es Arbeitskräfte. Doch die Anforderungsprofile verändern sich. Die Beschäftigten mitzunehmen heißt, ihnen die Chance zu geben, sich anzupassen und in der neuen Struktur ihren Platz zu finden.
In die Zukunft investieren
Weiter muss es darum gehen, die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen. Investiert werden muss etwa in die Produktion von Batteriezellen. Zwar hat das Wirtschaftsministerium hier einen begrüßenswerten Vorstoß gemacht, doch gehen die geplanten Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro längst nicht weit genug. Die Batteriezellenproduktion wird im Zeitalter der E-Mobilität eine ganz zentrale Wertschöpfungskomponente werden. Durch umfassende Investitionen zum Aufbau entsprechender Produktionsstätten in strukturschwachen Regionen können in großem Stil Arbeitsplätze geschaffen und die Position der deutschen Automobilbranche auf dem Weltmarkt gestärkt werden.
Und natürlich muss sich die Politik endlich vom Konzernlobbyismus der Branche emanzipieren. Es kann nicht sein, dass VW und Co. sich nach Dieselgate hierzulande fast straffrei aus der Affäre ziehen können, während etwa die französischen Autobauern Milliardenstrafen berappen müssen und die verantwortlichen Manager in den USA hinter Gittern landen. Die Betrüger müssen auch hier die Verantwortung für ihre Verfehlungen tragen. Mit den Mitteln könnte etwa ein Fonds gespeist werden, aus dem Investitionen in die neue Verkehrsinfrastruktur getätigt werden. So hinkt Deutschland beispielsweise bei den Ladestationen für E-Autos immer noch hinterher. Hier muss Geld in die Hand genommen werden.
Konzerne in die Pflicht nehmen
Unbeschadet dieser politischen Aufgaben stehen aber auch die Konzerne in der Pflicht, die Umbrüche sozialverträglich zu gestalten. Der Vorstoß von VW, verstärkt auf Altersteilzeitmodelle zu setzen, geht in die richtige Richtung, wobei diese Möglichkeit nicht auf die Verwaltungsangestellten begrenzt werden darf, sondern gerade auch für die Kollegen in der Produktion gelten muss. Zudem hat VW während der Wirtschaftskrise vor zehn Jahren schon einmal gezeigt, dass es in Zeiten der Veränderung eine gute Alternative zu Massenentlassungen gibt – nämlich Arbeitszeitverkürzung. Anpassungsbedingte Engpässe ließen sich etwa mit der zeitweisen Einführung einer Vier-Tage-Woche gut ausgleichen.
Der Wandel in der Automobilbranche läuft bereits und ist nicht mehr zu stoppen. Das ist gut so, doch damit die damit verbundenen Chancen auch genutzt werden, braucht es dringend eine aktive, gestaltende Wirtschaftspolitik, die die Interessen der Beschäftigten stützt und die Konzerne in die Pflicht nimmt.