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CETA-Kehrtwende: Gabriel knickt ein

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

 

 


Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Finanzen 

  


Es war ja leider schon abzusehen, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel bei CETA einknickt. Im Handelsausschuss der Europäischen Union will Gabriel am 12. September noch gesagt haben: "Mit diesem Investitionsschutzabkommen riskiert ihr, dass Deutschland dem europäisch-kanadischen Abkommen nicht zustimmen wird." Von dieser Haltung ist nichts mehr übrig. In der Haushaltsdebatte diese Woche verkündete Sigmar Gabriel: "Wenn der Rest Europas die­ses Abkommen will – ich sage Ihnen – Deutschland wird dem dann auch zustimmen. Das geht gar nicht anders."

Damit tritt er den Beschluss des Parteikonvents der SPD mit Füßen, in dem es klipp und klar heißt, dass Investor-Staat-Schiedsverfahren in jedem Fall abzulehnen seien.

Für Gabriel geht es jetzt nur noch um "weitere Verbesserungen beim Investitionsschutz", dass er ihn komplett herausbekommt, hat er bereits abgeschrieben. "Denn das Abkommen ist ausverhandelt."

Fragwürdige Gutachten und Gummiklauseln

Diese 180-Grad-Wende hat Gabriel sorgsam vorbereitet: Erst hieß es in der Antwort auf meine Schriftlichen Fragen, dass die Bundesregierung zwar Investitionsschutzklauseln für "nicht notwendig" oder "nicht erforderlich" halte. Dann hieß es, dass die Bundesregierung beurteilen müsse, ob "das europäische Gesamtinteresse an einem Freihandelsabkommen so überwiegend ist, dass gegebenenfalls ausgehandelte lnvestitionsschutzabkommen hingenommen werden können oder ob das nicht der Fall ist".

Im September veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium ein Gutachten zu den Konzernklagerechts-Klauseln im vorliegenden CETA-Vertragstext. Leider ist das Gutachten nicht ganz so unabhängig, wie der Titel "LL.M (NYU) Max-Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht in Heidelberg“ des Gutachters Stephan Schill vielleicht vermuten lässt. Denn: Stephan Schill ist selber bei internationalen Schiedsverfahren als Schiedsrichter gelistet. Das Ergebnis des Gutachtens ist erwartungsgemäß, dass der Investorenschutz durch CETA sehr schwach ist und sogar schwächer ausfällt als der nationale Rechtsweg.

Andere Gutachten zeigen jedoch, dass die CETA-Regeln sehr weitreichend sind. So ist im Vertragstext der Schutz von "legitimen Erwartungen" enthalten. Mit dieser Gummiklausel können Investoren gegen regulatorische Veränderungen vorgehen, selbst auf demokratischen Entscheidungen oder neu gewonnenen Erkenntnissen fußen.

Milliardenklagen gegen demokratisch beschlossene Gesetze

Auch ist es irreführend, wenn der Minister beschwichtigt: "In der Öffentlichkeit wird so getan, als würde ein Freihandelsabkommen in Deutschland oder in Europa bestehende Gesetze verändern. Das ist bei keinem Frei­handelsabkommen der Welt der Fall." Erstens können natürlich über Freihandelsabkommen nationale und europäische Regelungen außer Kraft gesetzt werden. Zweitens geht es nicht nur um bestehende Gesetze, sondern auch um Gesetzesänderungen, wenn das Abkommen bereits besteht. Dass Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland wegen einer demokratisch beschlossenen Gesetzesänderung, dem Automausstieg, auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz verklagt, zeigt die Gefahr sehr deutlich. Drittens ist das Problem die Schadensersatzzahlung und weniger die Änderung bestehender Gesetze. Und schließlich geht es um eine Einschränkung politischer Entscheidungsfreiheit, weil bei jeder nicht konzern-genehmen Entscheidung Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe drohen.

Der Bundeswirtschaftsminister sollte sich sorgfältig mit den Risiken von CETA und TTIP befassen, statt sich von einer Angstdebatte treiben zu lassen – nämlich die Angst sich abzukoppeln, "von den asiatischen Ländern ..., wenn diese Freihandelsabkommen schließen, auch mit den USA“, dann "sind wir als Europäer außen vor". Die TTIP-Befürworter mögen bitte ihren eigenen Appell beherzigen und für eine Versachlichung der TTIP/CETA-Debatte eintreten.


linksfraktion.de, 28. November 2014