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Autozölle: Strategiewechsel statt Autolobbyismus

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU schwelt weiter. Was tun, wenn US-Präsident Trump deutsche Autos mit Zöllen belegt?

Von Alexander Ulrich, Sprecher für Industriepolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Natürlich sind EU-Automobilexporte keine Gefahr für die innere Sicherheit der USA. Bei diesem Argument handelt es sich um ein künstliches Konstrukt mit dem die wirtschaftspolitisch gewollte Senkung der Autoimporte rechtlich durchführbar gemacht werden soll. Insofern müssen sich die EU-Staaten – allen voran Deutschland – darauf einstellen, dass der US-Absatzmarkt für unsere Kfz kleiner wird. Dass die Trump-Administration die Zölle letztlich einführen wird, ist nicht unwahrscheinlich. Ihre Entschlossenheit stellte sie schon bei den Sonderzöllen auf Stahl und Aluminium aus Europa unter Beweis. Mit den Autozöllen kann sie ihren langen Hebel in den Verhandlungen mit den zerstrittenen Europäern weiter verlängern – wohl wissend dass die EU dem kaum etwas entgegenzusetzen hat. Das zeigt schon die Liste mit etwaigen Gegenmaßnahmen, die sich liest, als wäre sie für die heute show geschrieben. Von Zöllen auf O-Saft und Reisekoffer wird sich Trump jedenfalls kaum beeindrucken lassen.

Ansetzen, wo es wirklich wehtut

Stattdessen sollte die Kommission ansetzen, wo es wirklich wehtut, nämlich bei den Konzerngewinnen. Etwa mit einer EU-weiten Digitalsteuer, die Tech-Konzerne wie Google, Facebook, Amazon und Co. deutlich belasten würde. Ironischer Weise gibt hier allerdings die Bundesregierung ganz im Sinne der einheimischen Autokonzerne in Brüssel den Bremsklotz und versucht, die Steuer auszuhöhlen und ihre Einführung immer weiter rauszuschieben.

Überhaupt hat die Bundesregierung in Brüssel viel zu lange ihre schützende Hand über die Autokonzerne gehalten. So etwa auch bei den Abgasgrenzwerten. Langfristig schadet dieser Lobbyismus den Unternehmen selbst: Die Bundesregierung wirkt hier als Innovationsbremse und macht sich mitschuldig daran, dass die Automanager den globalen Trend zu grünen Antriebstechnologien und neuen Mobilitätskonzepten komplett verschlafen.

Da hilft es auch nichts, wenn die Bundesregierung regelmäßig darstellt, wie sehr auch die USA von der deutschen Autoindustrie profitieren. So verweist sie etwa gerne auf die Produktionsstätten deutscher Autohersteller in den USA, durch die dort viele gute Arbeitsplätze geschaffen und die US-Exporte gestärkt würden. Nun liegen diese Standorte nicht aus Zufall allesamt in jenen Bundesstaaten, in denen es so genannte "Right to work"-Gesetze gibt, durch die die Gewerkschaften erheblich geschwächt werden, was wiederum zu deutlich niedrigeren Löhnen und Arbeitsstandards geführt hat. Von "guter Arbeit" kann keine Rede sein.

Neue, zukunftsorientierte Perspektiven entwickeln

Dringend geboten wäre es, die Abhängigkeit von der US-Handelspolitik zu reduzieren. 20 Prozent der deutschen Industriewertschöpfung hängen an der Kfz-Produktion, 25 Prozent der Kfz-Exporte gehen in die USA. Der deutsche Handelsüberschuss gegenüber den USA beträgt 150 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund haben deutsche Wirtschaftspolitiker angesichts der geplanten US-Autozölle allen Grund panisch zu werden. Es muss jetzt darum gehen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, sprich: neue, zukunftsorientierte Perspektiven zu entwickeln. Sinnvoll wäre es, den eigenen Binnenmarkt durch Lohnsteigerungen und öffentliche Investitionen zu stärken, damit ein größerer Teil der Produkte hierzulande abgesetzt werden kann. Auch sollten die Absatzmärkte im EU-Ausland gestärkt werden, indem dort eine nachfrageorientierte Wirtschafts- und Sozialpolitik zugelassen wird, statt über Fiskalpakt und Defizitverfahren den Spardruck permanent zu erhöhen.

Hilfreich wäre es, die Automobilindustrie im Sinne umweltverträglicher Antriebstechnologien zu modernisieren. Grünere Fahrzeuge sind weltweit gefragt. Die deutsche Industrie verliert aber den Anschluss. Die beginnende Transformation der Automobilindustrie muss industrie- und arbeitsmarktpolitisch flankiert werden, ansonsten werden die strukturellen und disruptiven Einbrüche für die zwei Millionen Beschäftigten der Automobilindustrie verheerend sein.