Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für das dreifache Ja zum Erhalt der kulturellen Infrastruktur unseres Landes. Ich finde, Sie sind zu Recht stolz darauf, dass Ihr Haushalt 2011 stabil geblieben ist. Das ist angesichts der brutalen Kürzungen sonst nicht hoch genug einzuschätzen. Gerade deshalb frage ich: Wofür wird das unter schwierigsten finanziellen Bedingungen erkämpfte Geld ausgegeben?
Für die skandalumwitterte Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zum Beispiel sind 2,5 Millionen Euro für 2010 und 2,5 Millionen Euro für 2011 eingestellt. Sind 5 Millionen Euro in diesen Zeiten der kulturellen Not eigentlich viel oder wenig Geld? Ich meine, das ist sehr viel Geld für ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum des Bundes, das seinem Auftrag, der Versöhnung zu dienen, von Monat zu Monat, von Woche zu Woche, von Tag zu Tag immer weniger gerecht wird und unserem Ansehen als Kulturgesellschaft immer mehr schadet.
(Beifall bei der LINKEN)
Nachdem vor Monaten renommierte internationale Wissenschaftler den Stiftungsrat verlassen haben, lässt nun der Zentralrat der Juden in Deutschland seine Mitgliedschaft ruhen, ebenso der Vertreter der Sinti und Roma. Ich frage Sie: Wie soll eine Bundesstiftung das Thema „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ohne jüdische Mitarbeit und ohne die Mitarbeit der Sinti und Roma erarbeiten? Wie soll das gehen?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer eigenen Pressemitteilung erklärt, dass Sie die Äußerungen der Stiftungsratsmitglieder und Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Saenger und Tölg für inakzeptabel halten. Warum arbeiten Sie dann mit denen weiterhin zusammen? Und ich frage: Wieso sollen wir Parlamentarier der Millionenförderung eines solchen Skandalprojekts der Erinnerungskultur zustimmen? Insgesamt 5 Millionen Euro in 2010 und 2011!
Was hat die Stiftung 2010 eigentlich geleistet, außer den Abgang des internationalen Wissenschaftspersonals? Der Gründungsdirektor Kittel erhält seit einem Jahr Gehalt. Ein Konzept der geplanten großen Ausstellung liegt bis heute nicht vor. Vor einer Woche hat in Berlin der Geschichtswissenschaftler Martin Schulze Wessel in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission sowie der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission ein Ausstellungskonzept zum Thema „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ vorgelegt, ausgehend von den Orten Wroclaw, Aussig und Vilnius. Dabei wurde an den Aufruf aus dem Jahr 2003 erinnert, mit dem unter anderem Bundespräsident Rau und Staatspräsident Kwasniewski die Idee eines europäischen Zentrums der Versöhnung formuliert haben. Wie weit ist heute das teure Bundesunternehmen davon entfernt! Und wie lange wollen wir da noch zusehen und viel Geld in Zeiten bitterer Not ausgeben?
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein stabiler Haushalt allein ist nicht viel wert, wenn Geld für unhaltbar gewordene Projekte ausgegeben wird.
Im Dezember 2007 gab es einen viel beachteten Vorschlag des Willy-Brandt-Kreises. Anstelle der Stiftung gegen Vertreibung solle ein Zentrum gegen Krieg in Berlin eingerichtet werden. Zu den Initiatoren gehörten Egon Bahr, Günter Grass, Friedrich Schorlemmer, Daniela Dahn und Klaus Staeck. Über 1 000 Künstler, Journalisten und Politiker haben diesen Vorschlag unterstützt. Das wäre eine Alternative: ein Museum, das den Krieg ächtet und die Ächtung der Vertreibung einschließt. Dafür könnten 2,5 Millionen Euro gut umgewidmet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linksfraktion würde das gerne unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)