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Warum nicht endlich auch bei uns ein Staatsziel Kultur?

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Mit drei einfachen Sätzen lässt sich begründen, warum Kultur in unser Grundgesetz festgeschrieben werden soll:

„In Wahrheit geht es darum, dass Deutschland eine Kulturnation ist. Wir sind stolz auf unsere kulturelle Vielfalt. Eine Kulturnation sollte sich in ihrer eigenen Verfassung dazu bekennen, dass sie es ist.“

(Beifall bei der LINKEN)

Drei einfache Sätze – Guido Westerwelle hat sie am 19. Juni 2009 in diesem Haus ausgesprochen, am letzten Debattentag vor Aufbruch in den vorigen Wahlkampf. Die FDP hatte damals den Gesetzentwurf zur Aufnahme des Staatsziels Kultur in das Grundgesetz eingebracht und stand ziemlich allein auf weiter Flur. Nur die Linksfraktion stand an ihrer Seite und die unbeirrbare Kollegin von den Grünen Undine Kurth. So war das.

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP hatte den Vorschlag der Enquete-Kommission aufgenommen, Kultur als Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen. Nach sorgfältiger Beratung und Anhörung der angesehensten Verfassungsrechtler war dies ein einstimmiger Vorschlag aller Kulturpolitiker. Aber, wie gesagt, 2009, kurz vor dem Wahlkampf, entschied sich eine große Mehrheit des Parlaments aus unterschiedlichen Gründen – man könnte auch sagen: unter unterschiedlichen Vorwänden – dagegen.

Heute wird das Nein sagende Lager vielleicht nicht so groß sein, aber mit dem Grundgesetzsatz „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ wird es wahrscheinlich wieder nichts werden, und zwar einmal, weil es nun zu einem Mix von Kultur und Sport kommen soll, dessen Sinnhaftigkeit schwer zu begreifen ist, zum anderen, weil CDU/CSU sich standhaft verweigern werden. Insofern ist es wieder, liebe Kollegen von der SPD, eine mehr oder weniger vorgezogene Wahlkampfschau und keine parlamentarische Auseinandersetzung mit Chance auf politische Veränderung.

Warum das so ist, ist schwer zu verstehen, auch und gerade was die verfassungsrechtlichen Bedenken angeht. Schauen wir uns unsere europäischen Nachbarländer an, die sich in den letzten Jahren neue Verfassungen gegeben und in diese Verfassungen das Staatsziel Kultur in weitreichender Weise aufgenommen haben. Es sind so unterschiedliche Länder wie das Königreich Spanien, die Republik Polen und die Schweizerische Eidgenossenschaft, alle drei Länder haben föderale Strukturen. Da geht es. Warum nicht endlich auch bei uns?

(Beifall bei der LINKEN)

Nun ja: Bürgerinnen und Bürger in diesen Ländern haben dann Erwartungen. Sie wollen den zentralen Wert Kultur politisch gepflegt wissen. Aber was ist daran falsch? Die Linke bekennt sich seit Langem zum Staatsziel Kultur. Deswegen legen wir auch heute einen Antrag vor. Er geht vom Kulturbegriff der UNESCO aus, die Kultur als die Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften ansieht, die eine Gesellschaft kennzeichnen. Nach diesem Kulturverständnis gehört der Sport zur Kultur einer Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, das Staatsziel Kultur schließt den Sport ausdrücklich ein, und es ist selbstverständlich Aufgabe des Staates, den Sport zu fördern.

Bei der Anhörung im Rechtsausschuss 2007 hat Professor Paul Raabe gesagt:

„Zum Ansehen in der Welt sollte nunmehr die Kultur auch im Blick auf Europa – ‚Europa eine Seele geben‘ Verfassungsrang haben. Es ist an der Zeit, dass der Kulturstaat im Grundgesetz definiert wird.“

In diesem Sinn sollten wir über das Staatsziel Kultur verhandeln. Und wenn wir wieder scheitern – wir werden uns weiter für diese Grundrechtsforderung einsetzen wie bisher.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)