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Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik schafft Räume für Humanität

Rede von Sigrid Hupach,

Der Paradigmenwechsel in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, ein Dialog auf Augenhöhe als dritte Säule, wurde heute schon vielfach angesprochen. Ich möchte noch einmal unterstreichen, warum er aus kulturpolitischer Sicht überfällig war.

Vor zwei Tagen erläuterte Klaus-Dieter Lehmann im Tagesspiegel, welche Aufgabe die Goethe-Institute, deren Präsident er ist, angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation übernehmen könnten. Im Zentrum steht dabei natürlich die Vermittlung der Sprache, aber genauso gehört die kulturelle Vermittlung dazu. Gemeinsam mit Flüchtlingsorganisationen hat das Goethe-Institut Kultur- und Bildungsprojekte für die Arbeit in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer von Syrien und Irak entwickelt. Sie wollen das Leben in den Flüchtlingslagern erträglicher gestalten und Beschäftigung bieten, wo es ansonsten keine Möglichkeit zum sinnvollen Tun gibt. Sie wollen bei der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen helfen und mit Bildung und Kultur einer verlorenen Generation entgegenwirken. Hier zeigt sich die große Bedeutung, die der Auswärtigen Kultur‑ und Bildungspolitik zukommt. Mit ihr können durch Dialog und über den Weg des kulturellen Austausches Räume für Humanität geschaffen und für gegenseitiges Verständnis geworben werben.

Ein weiteres Beispiel kultureller Vermittlung ist auch das vom Deutschen Archäologischen Institut koordinierte Projekt, bei dem Geflüchtete und Einheimische für den Kulturerhalt sensibilisiert werden und ihnen wissenschaftliche und handwerkliche Kenntnisse dafür vermittelt werden sollen. Programme dieser Art müssen aus den umfangreichen Mitteln, die das Auswärtige Amt aktuell für humanitäre Hilfe bereitstellt, adäquat finanziert werden. Dies ist ein explizites und interfraktionelles Anliegen des Unterausschusses für Auswärtige Kultur‑ und Bildungspolitik. Eine dialogorientierte Auswärtige Kultur‑ und Bildungspolitik kann dazu beitragen, Konflikte zu minimieren und stabilisierend in Krisenregionen zu wirken. Aber wahr ist auch: Kulturpolitik kann nicht wiederherstellen, was durch Kriegseinsätze verlorenging. Projekte dieser Art dienen nicht nur dazu, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Sie sollen vor allem auch für die Bedeutung des kulturellen Erbes und die Notwendigkeit seines Erhalts sensibilisieren. Die Zerstörung von Nimrud, Hatra und Palmyra durch den sogenannten „Islamischen Staat“ belegt, dass wir uns dringend um Strategien für einen nachhaltigen Schutz des vielfältigen Erbes der Weltgemeinschaft kümmern müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch vor diesem Hintergrund begrüßen wir Linke die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes. Bei aller öffentlichen Aufregung darum geriet eine wesentliche Absicht des Gesetzesvorhabens ins Hintertreffen: der Versuch, den illegalen Handel mit geraubten Kunst‑ und Kulturgütern zu unterbinden bzw. ihn wenigstens einzudämmen und zu erschweren. Die Novelle ist aber auch nötig, weil das Kulturgüterrückführungsgesetz von 2007 sich als wirkungslos erwiesen hat. Abgesehen von freiwilligen Rückgaben konnte seit 2008 nicht ein einziger Antrag auf Rückführung von unberechtigt nach Deutschland verbrachtem Kulturgut bewilligt werden. Grund dafür waren die viel zu hohen Anforderungen an die antragstellenden Staaten. Wir müssen uns in einem öffentlichen Diskussionsprozess darüber verständigen, was wir unter national wertvollem Kulturgut verstehen. All das, was wir hier in Deutschland halten wollen? Was verstehen wir unter dem gemeinsamen Erbe der Menschheit? All das, was im Zuge des Kolonialismus in die Sammlungen der deutschen Völkerkundemuseen gelangte und was als geteiltes Erbe einfach hierbleiben sollte?

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Humboldt-Forum zu sprechen kommen ‑ nicht als wiederaufgebautes Preußenschloss, sondern als Ort der Debatte zwischen Kunst, Kultur, Wissenschaft und Medien in wirklich internationaler und interkultureller Perspektive. Minister Steinmeier hat in seiner Rede bei der Konferenz des Goethe-Instituts im Februar 2015 das Sechs‑Augen‑Prinzip angesprochen. Gemeint ist damit ein gegenseitiger Austausch im Sinne des Voneinander‑lernen‑Wollens, indem neben der eigenen Perspektive die des anderen einbezogen und zugleich eine dritte gemeinsame Perspektive entwickelt wird. Aktuell hat dazu Martin Roth, Direktor des Londoner Victoria and Albert Museums, den wirklich innovativen Vorschlag gemacht, auch Flüchtlinge aus den nahöstlichen Bürgerkriegsgebieten in die Planung zum Humboldt‑Forum einzubeziehen. Er empfiehlt außerdem, bereits zum jetzigen Zeitpunkt Vertreter jener Länder in die Gremien des Humboldt‑Forums zu integrieren, mit denen in Zukunft ein kultureller Austausch stattfinden soll. Denn es sollte nicht um Projekte gehen, so sagt er, „die hier erfunden und dort ‚unten‘ und ‚da drüben‘ akzeptiert werden, sondern um wirkliche Co‑Entwicklungen“. Wir unterstützen diesen Ansatz und hoffen, dass ihm Taten folgen, unterstreicht er doch, dass die Auswärtige Kultur‑ und Bildungspolitik nicht länger nur der Repräsentation und der Sicherung des deutschen Einflusses in der Welt dienen sollte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)