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Atommüll in die Verwahrung

Positionspapier,

Mit Einführung der Atomkraft  für militärische Zwecke und für die kommerzielle Energieerzeugung wurde ein ökologisches und ethisches Problem geschaffen, das seither stetig größer wird. Ein „Entsorgen“ ist nicht möglich, impliziert dieser Begriff doch, genauso wie „Endlagerung“, das Problem ließe sich aus der Welt schaffen. Aus den Augen aus dem Sinn ist keine Option, da Atommüll auch bei unterirdischer Einlagerung weiterhin als potenzielle Gefahr für die Biosphäre angesehen werden muss. Unserer Generation, die Atomkraft befürwortend oder gegen ihren Willen genutzt hat, bleibt lediglich der verantwortungsvolle Umgang und somit das Finden einer mit den wenigsten Risiken behafteten Verwahrungsoption.  Dies sind wir den nachkommenden Generationen schuldig.

"Entsorgung" nicht möglich

Mit Einführung der Atomkraft  für militärische Zwecke und für die kommerzielle Energieerzeugung wurde ein ökologisches und ethisches Problem geschaffen, das seither stetig größer wird. Ein „Entsorgen“ ist nicht möglich, impliziert dieser Begriff doch, genauso wie „Endlagerung“, das Problem ließe sich aus der Welt schaffen. Aus den Augen aus dem Sinn ist keine Option, da Atommüll auch bei unterirdischer Einlagerung weiterhin als potenzielle Gefahr für die Biosphäre angesehen werden muss. Unserer Generation, die Atomkraft befürwortend oder gegen ihren Willen genutzt hat, bleibt lediglich der verantwortungsvolle Umgang und somit das Finden einer mit den wenigsten Risiken behafteten Verwahrungsoption.  Dies sind wir den nachkommenden Generationen schuldig.

Die  Konzepte, die  seit den siebziger Jahren für den Umgang mit radioaktivem Abfall verfolgt wurden sind gekennzeichnet von Manipulationen, politischer Opportunität, Geheimabsprachen mit der Atomwirtschaft und Verantwortungslosigkeit gegenüber der Bevölkerung und müssen als gescheitert angesehen werden. Diese Probleme gilt es zu analysieren und für die Zukunft auszuschließen, damit das Problem der heutigen Atomkraftnutzung so wenig wie möglich ein Problem der kommenden Generationen sein wird. Die gegenwärtigen Bestrebungen für eine Endlagergesetzgebung, die unter Federführung des Umweltministeriums entsteht, finden unter den gleichen Rahmenbedingungen statt, die den gesamten Prozess bislang haben scheitern lassen bzw. in der Asse zur potenziellen Katastrophe  geführt haben.  DIE LINKE lehnt diese jüngsten Bestrebungen, die im angeblichen Konsens mit den Ländern durchgeführt werden, jedoch wiederum in Hinterzimmern und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, daher ab.

DIE LINKE schlägt vor, eine völlig neue Strategie für den Umgang mit Atommüll zu entwickeln, die sich aus einem demokratischen gesellschaftlichen Prozess entwickeln muss, in dem fünf wesentliche Schritte nacheinander gemacht werden müssen:

  1. unverzüglicher Atomausstieg und Aufarbeitung der Fehler
  2. Verfahren entwickeln
  3. Suche nach einem Verwahrungskonzept
  4. Festlegen standortunabhängiger Kriterien
  5. Standorte benennen und untersuchen

Der Zeitplan des gesamten Verfahrens ist so zu gestalten, dass er der Verantwortung gegenüber nachkommenden Generationen und zu erwägenden Sicherheitsfragen gerecht wird. Überhastete Verfahren und Erkundungen bergen unnötige Risiken, zumal  Eile wegen der lange nötigen Abführung von Nachzerfallswärme von CASTOR-Behältern über mehrere Jahrzehnte, bevor sie überhaupt einigermaßen sicher verwahrt werden können, nicht nötig ist. Stattdessen muss die Zwischenlagerung unterdessen überdacht und ständig den neuen Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik angepasst werden.

 

1. Unverzüglicher Atomausstieg und Aufarbeitung der Fehler

Keinen neuen Atommüll produzieren

Mit dem Entschluss, deutsche Atomkraftwerke noch bis zum Jahr 2022 weiter zu betreiben, nimmt die Bundesregierung und mit ihr SPD und Grüne in Kauf, dass das Risiko Atomkraft noch mindestens ein weiteres Jahrzehnt bestehen bleibt. Damit wird nicht nur die Menge des radioaktiven Mülls insgesamt noch größer, sondern insbesondere die bereits vorhandenen 6000 Tonnen des hunderttausende Jahre strahlenenden hochradioaktiven Mülls (high active waste - HAW).

Zu Beginn eines Such- und Auswahlverfahrens für die Atommüllverwahrung steht die Prävention.  In 17 zentralen Zwischenlagern türmen sich die Berge des hochradioaktiven Mülls. Dieser Müll, vor allem abgebrannte Brennelemente aus den Atomkraftwerken wird täglich größer. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011 hat die Bundesregierung ihre eben erst beschlossene Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke in Deutschland rückgängig gemacht und ist im Wesentlichen zur von SPD und Grünen entwickelten Laufzeitgarantie bis 2022 zurückgekehrt. Obwohl SPD und Grüne, die im Jahr 2000 den sogenannten Ausstiegskompromiss mit den Energiekonzernen ausgehandelt hatten, nunmehr einen teils erheblich schnelleren Ausstieg gefordert haben, wurde ein gesellschaftlicher Konsens durch das letztliche Einknicken der beiden Parteien bei der Abstimmung zur neuerlichen Laufzeitgarantie leider wieder verhindert. DIE LINKE hat dezidiert aufgezeigt, dass ein Atomausstieg unverzüglich und konsequent bis Ende 2014 möglich und notwendig ist. Dies ist auch weiterhin die Grundlage für jegliche Bemühungen, mit Atommüll verantwortungsvoll umzugehen: keinen neuen produzieren!

Fehler der Vergangenheit aufarbeiten

Zu einem neuen und offenen Suchprozess für eine Atommüllverwahrungsstätte gehören das Eingeständnis von Fehlern und die Möglichkeit aus Fehlern zu lernen. Deshalb ist es wichtig, vor einem Neuanfang die Fehler bei den bisherigen Atommüllstandorten aufzuarbeiten. Dabei können die Ergebnisse des ASSE- und des Gorleben-Untersuchungsausschusses hilfreich sein. Die Ergebnisse und Diskussionsprozesse der Untersuchungsausschüsse müssen schonungslos zeitnah veröffentlicht werden.

Die bisherige Endlagersuche musste auch deshalb scheitern, weil es keine gesetzliche Regelung über den Verfahrensablauf für die Suche eines Atommüll-Standortes gibt. Die Entscheidungsstrukturen auf ministeriellen und behördlichen Ebenen funktionieren seit über 30 Jahren nicht. Die Kompetenz über bestimmte Entscheidungsprozesse ist zwischen fachwissenschaftlichen Behörden und politisch beeinflussten Ministerien nicht geregelt, so dass sich heute noch ehemalige Angehörige der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und ehemalige Angehörige des Bundeswirtschaftsministeriums gegenseitig in Widersprüche und Kompetenzzuweisungen verstricken, wenn es um die Aufarbeitung der Standortauswahl Gorlebens geht. Dabei haben sich die BGR als entscheidungsvorbereitende Behörde frühzeitig darauf festgelegt, dass die Tiefenlagerung in Salz die beste Lösung ist, ohne die ethischen und fachlichen Aspekte der Tiefenlagerung hinreichend mit anderen Optionen abgewogen zu haben und ohne die Erkenntnisse aus Endlagerprogrammen anderer Staaten in anderen Gesteinsformationen für eine Debatte über die Einlagerung im Salz überhaupt in Betracht zu ziehen. Dass diese Frage bislang keineswegs geklärt ist, zeigen die kontroversen Diskussionen und Gegengutachten zu dieser Festlegung.

 

Seitdem sich die Niedersächsische Landesregierung in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und nachfolgend auch die Bundesregierung außerhalb demokratischer Mitbestimmungsräume für Gorleben als Standort für ein Endlager für hochradioaktiven Müll festgelegt haben, ist der gesellschaftliche Unmut und mit ihm der Widerstand gegen die etablierten Endlagerkonzepte stetig gewachsen. Auch als man bereits erkannt haben musste, dass der Standort Gorleben eine Sackgasse ist, hielt man aus Rücksicht auf die Atomindustrie, mithin Kostengründen, und aus Gründen des „Entsorgungsvorsorgenachweises“ – also um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke nicht zu gefährden – an Gorleben fest. Die bisherigen Versuche, einen Standort für hochradioaktiven Müll zu finden, können als gescheitert angesehen werden. Mit dem Desaster im sogenannten Versuchsbergwerk ASSE II, in dem über Jahrzehnte illegal Atommüll eingelagert wurde, und das nun mit Laugenzutritt und Einsturzgefährdung zu kämpfen hat, zeigt sich, mit welcher Verantwortungslosigkeit selbst Organisationen des öffentlichen Rechts im Interesse der Energiekonzerne und des Vorantreibens der Atomkraft mit der ethisch relevanten Frage Atommüll umgehen.

Die eklatanten Fehler, die hier gemacht wurden, sieht DIE LINKE in erster Linie in politischer Intransparenz, fehlender demokratischer Mitbestimmung, dem bewussten Ignorieren wissenschaftlicher Expertise und letztendlich einem unsäglichen Lobbyeinfluss der Energiekonzerne auf die mit der Endlagerung betrauten staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, sowie der Privatisierung des Endlagerbaus. Es ist immerhin bemerkenswert, dass die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE), ein ehemals staatliches Unternehmen,  das derzeit mit dem Ausbau des Salzstocks in Gorleben, mit dem Betrieb des geplanten Endlagers Schacht Konrad und mit der Betriebsführung und der sogenannten Stilllegung  des Endlagers Morsleben betraut ist, heute zu fast drei Vierteln ein Tochterunternehmen der Energiekonzerne E.on, RWE und Vattenfall Europe ist. Gleichzeitig genießt es exklusive Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland, die ihm eine Rendite für seine Unternehmungen garantiert.

Alle bisherigen Bundesregierungen haben die so dringend notwendige gesellschaftliche Debatte um die Atommüllfrage ausgeblendet. Die schwer überschaubaren Probleme und Gefahren, die die Nutzung von Atomkraft für unsere und alle nachfolgenden Generationen mit sich bringt, wurden bislang verharmlost, verschwiegen, beschönigt oder einfach nicht erwähnt. Die tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten der angeblich so billigen Atomkraft spiegeln sich heute in den immensen Kosten der noch ungelösten und bevorstehenden Verwahrungssuche wider.

Das Atomgesetz regelt in seiner gegenwärtigen Fassung nur die Anwendung von Planfeststellungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Verwaltungsverfahren und unzureichend die Beteiligung der Öffentlichkeit. Regelungen für den Findungsprozess einer Verwahrung gibt es nicht. Es bestehen keine rechtlich klaren und verbindlichen Kriterien, nach denen Erkenntnisse aus Bewertungen und Erkundungen potenzieller Standorte in die Entscheidung für oder gegen einen Standort  einfließen. In Ermangelung eines rechtlich nachvollziehbaren Zeitplans genügt für die Genehmigung des Betriebs eines Atomkraftwerks seit Jahrzehnten die Zwischenlagerung von Castoren als Entsorgungsnachweis sowie die Erkundung Gorlebens als staatlicher Entsorgungsvorsorgenachweis. Dieser Umstand bringt genau die Situation hervor, die heute die Atommüllberge wachsen lässt, ohne dass es auch nur den Ansatz einer sinnvollen Atommüllverwahrung gibt. Dem gleichen Umstand ist es geschuldet, dass die Verursacher von Atommüll derzeit nicht für Kosten aufkommen müssen, die zwar mit einem Endlagersuchverfahren, nicht aber mit der Erkundung des Salzstocks Gorleben in Zusammenhang stehen.

Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für eine bestmögliche Verwahrung unserer strahlenden atomaren Hinterlassenschaften. Das geht nicht ohne die Bevölkerung und schon gar nicht gegen die Bevölkerung. Von daher ist es erforderlich, nicht einfach nach neuen Standorten zu suchen, sondern vor Beginn eines ehrlichen Bürgerbeteiligungsprozesses alte Fehler aufzuarbeiten. Das beinhaltet:

 

  • die Erkundung des Salzstocks Gorleben sofort zu beenden, die „Vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben“ (VSG) fallen zu lassen und den Standort Gorleben als mögliches atomares Endlager endgültig aufzugeben
  • Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll aufzugeben
  • die zügige Räumung der Asse
  • die Räumung des Endlagers für mittel- und schwach radioaktiven Müll Morsleben zu prüfen
  • die Frage der Atommüllverwahrung grundsätzlich von Profitinteresse zu trennen und profitmotivierte Akteure mithilfe einer Lobby-Kontrollgruppe auszuschließen
  • die Wiederverstaatlichung der DBE
  • ggf. weitere Untersuchungsausschüsse und Anhörungen durchführen – zum Beispiel zum ebenfalls gefährdeten Morsleben
  • bei erkannten Rechtsverstößen die schonungslose Anklage der Akteure
  • striktere Regelungen zur Kostenübernahme nach Verursacherprinzip zu schaffen und die Rückstellungen der Energiekonzerne in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen

     

Gorleben raus aus dem Topf

In Gorleben wurde alles falsch gemacht, was man bei der Suche nach einem atomaren Endlager falsch machen kann. Der Standort wurde aus politischen Gründen ausgewählt, gegen den Rat von  regierungsberatenden Geologen. Es gab nie verbindliche geologische Auswahlkriterien für Gorleben. Als man bestimmte erwünschte geologische Randbedingungen in Gorleben nicht vorfand, wurden diese nachträglich negiert. Seit 35 Jahren wurde hier ohne jede formale Bürgerbeteiligung ein Endlagerbergwerk nach Bergrecht gebaut - unter dem Vorwand der Erkundung. Kritische Wissenschaftler innerhalb und außerhalb der zuständigen Institutionen wurden diffamiert oder mundtot gemacht. Die Erkundung Gorlebens wurde zu keinem Zeitpunkt zur Disposition gestellt, auch nicht als negative Erkenntnisse vorlagen, die dazu hätten führen können und müssen, den Standort aufzugeben. Damit ist klar, dass nie „ergebnisoffen“ erkundet wurde. 

Spätestens 1994/95, als die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bundesweit nach Alternativen zu Gorleben geforscht und dabei über 200 Salz-Standorte und 120 nicht-salinare Standorte untersucht hat, hätte Schluss sein müssen. Denn die BGR-Auswahlkriterien für Standorte im Salz hätten das Aus für Gorleben bedeutet. Doch Gorleben wurde vor einem Ranking mit anderen Standorten bewahrt und auch diesmal nicht den geologischen Mindestanforderungen unterworfen. Stattdessen hat die damalige Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel die Untersuchungen der Öffentlichkeit mit den Worten vorgestellt „Gorleben bleibt  erste Wahl“! – Eine folgenschwere Lüge, die uns teuer zu stehen kommt. Und schließlich sind die Gasvorkommen unter dem und im Salzstock Gorleben der Öffentlichkeit bewusste 35 Jahre lang verschwiegen worden. Eine  Gas-Bohrturmexplosion, die 1969 mitten im Salzstock bei Lenzen auf damaliger DDR-Seite stattfand war den westdeutschen Behörden zwar bekannt,   doch wurde dieser Sachverhalt 1976/77 in für die Standortauswahl entscheidenden Dokumenten in einer Weise verfälscht dargestellt als beträfe die Explosion den Salzstock Gorleben-Rambow nicht.

Da reicht es auch nicht, nach einem rechtssicheren Verfahren für das Ende von Gorleben zu streiten. Gorleben ist schon lange überfällig, der Standort wäre weder nach den früheren geologischen  Rahmenbedingungen noch nach neueren Mindest-Kriterien ausgewählt worden, wenn sie jemals angewendet worden wären. Deshalb hat die Atomindustrie auch keinen Anspruch auf Schadensersatz, denn auch die Nichteignung eines Standortes gehört bei einer ergebnisoffenen Suche mit zu den Entsorgungslasten, für die die Atomkraftwerksbetreiber milliardenschwere Rücklagen gebildet haben. Die Energieversorger, die mehr Einblick in das Gorleben-Verfahren hatten als jeder andere, hätten ihren Einfluss schon viel früher geltend machen können, diesen teuren Blödsinn zu stoppen. Denn auch den EVU hätte klar sein müssen, dass der Standort Gorleben nie durch ein ordentliches Genehmigungsverfahren und mögliche Gerichtsprozesse kommen würde. Doch solange Gorleben zur Sicherung des AKW-Betriebs notwendig erschien, legte man Wert darauf, einerseits bei der Erkundung nach außen einen auch noch so kleinen Fortschritt zu demonstrieren, andererseits dies so kostengünstig  wie möglich zu halten.

 

2.  Verfahren organisieren

Nach der Aufarbeitung der Fehler aus der Vergangenheit gilt es ein Verfahren zu entwickeln, mit dem eine breite gesellschaftliche Debatte über die Atommüllverwahrung so organisiert werden kann, dass sie möglichst transparent und partizipativ abläuft. Ein gesetzlich verbindliches Verfahren muss vor allem dem Anspruch auf Einbeziehung der Öffentlichkeit, der völligen Transparenz und der Legitimation der Entscheidungsträger gerecht werden:

  • Einbeziehen der Öffentlichkeit: Durch Beiratsstrukturen und Beraterkommissionen, und zwar unter Einbeziehung von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden, wird in allen Phasen des Verfahrens die Rückkopplung mit der Gesellschaft hergestellt. Darüber hinaus müssen aufgrund der weitreichenden Bedeutung für nachfolgende Generationen Instrumente der direkten Demokratie (Volksabstimmungen) vorgesehen werden. Gleichzeitig muss das Klagerecht für Kommunen bis zum letzten Verfahrensschritt und das Eingaberecht der Bevölkerung jederzeit gewährleistet sein.
  • Transparenz: Für jede Akteurin und jeden Akteur und insbesondere für die Öffentlichkeit muss jede Phase des Verfahrens nachvollziehbar sein. Es müssen Zwischenstationen definiert werden mit klaren Zeitplänen und Haltepunkten, an denen die dokumentierten Fortschritte und Erkenntnisse kritisch bewertet und ggf. korrigiert werden können.
  • Legitimation: Es muss von vornherein klar sein, welche demokratisch legitimierte Stelle an welchem Punkt des Verfahrens welche Kompetenz besitzt und somit Entscheidungen trifft. Als Ansatz muss die Rolle der bisher mit der Endlagerfrage betrauten Behörden wie z.B. dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und der BGR neu definiert werden. Anstatt der BGR als dem Wirtschaftsministerium unterstelligen Behörde muss eine Projektgruppe bei dem Ressort Strahlenschutz angesiedelt werden, in der der Sachverstand der BGR als ein Bestandteil aufgeht, genauso wie der unabhängiger Expertengruppen von Universitäten und Umweltverbänden. Derzeit befassen sich mehrere Ministerien mit der Endlagerfrage, die je nach politischer Tageslage unterschiedliche politische Ziele verfolgen. Die Legitimation der Entscheidungsträger muss in einem Gesetz also so geregelt werden, dass sie sich vorrangig dem Aspekt des Strahlenschutzes und des Umweltschutzes unterordnet. Eine gleichzeitige Rolle als Akteur und Überwacher, wie sie derzeit dem BfS zufällt, muss ausgeschlossen werden.

3.  Suche nach einem Verwahrungskonzept

Die Frage, wie man radiotoxische Abfälle so verwahrt, dass sie für nachfolgende Generationen so wenig wie möglich Risiken bergen, ist nicht geklärt. Die pure Festlegung auf tiefengeologische Lagerung nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ ist selbst für einen bestgeeigneten Standort mit immensen Risiken verbunden. Es ist nicht auszuschließen, dass geologische Gegebenheiten heute falsch bewertet werden. Darüber hinaus muss bei der tiefengeologischen Verwahrung ausgeschlossen werden, dass nachfolgende Generationen in hunderten Jahren an genau dieser Stelle nach Rohstoffen suchen. Ob das überhaupt möglich ist, muss erörtert werden. Dem gegenüber steht die Option der oberflächennahen Verwahrung bzw. der überirdischen verbunkerten Lagerung mit der Hoffnung, dass wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt es ermöglichen, unsere radioaktiven Hinterlassenschaften in mittlerer oder ferner Zukunft abzureichern oder anderweitig unschädlich zu machen. Ob die gesellschaftliche Stabilität in naher oder ferner Zukunft gegeben ist, mit rückholbarem hochradioaktiven Müll umzugehen, ist hingegen nicht gewiss.

Es muss in einer gesellschaftlichen Debatte zuerst ein Lagerkonzept entwickelt werden, das die Vor- und Nachteile dieses zum Teil ethischen Dilemmas abwägt mit dem Fokus auf:

  • Sicherheit: Aktive Eingriffsmöglichkeiten in eine nicht verschlossene Verwahrungsstätte (rückholbar, oberflächennah) erhöhen die Sicherheit in Havariefällen, sprechen jedoch gegen höchstmögliche Langzeitsicherheit (1 Mio. Jahre). Da die gesellschaftliche Stabilität nicht vorhersehbar ist, erscheint es unzumutbar, nachfolgenden Generationen die aktive Kontrolle über eine offene Atommüllverwahrung zu überlassen. Dem gegenüber können durch die aktive Kontrolle Fehler, die heute gemacht werden, in Zukunft behoben werden.
  • Generationengerechtigkeit: Egal, wie der Müll verwahrt wird, ob tiefengeologisch oder unterirdisch: es ist heute nicht möglich, ihn zu beseitigen. Durch die aktive Kontrolle einer nicht verschlossenen Verwahrung (rückholbar, oberflächennah) entstehen nachfolgenden Generationen Kosten, die sie nicht verursacht haben. Gleichzeitig bleiben ihnen aber Handlungsspielräume erhalten, bei Fortschritt von Wissenschaft und Technik den Müll tatsächlich zu beseitigen, was bei nicht rückholbarer tiefengeologischer Verwahrung nahezu unmöglich gemacht wird.
  • Akzeptanz: Ein Verwahrungsstandort wird in weite Zukunft hinein in die Landkarte eingraviert. Dies gewährleistet ein beständiges Wissen um die Gefahr von Atommüll wie es bei einer tiefengeologischen Verwahrung möglicherweise nicht der Fall ist. Dem gegenüber bietet die rückholbare Verwahrung zu allen Zeiten die Möglichkeit, aktiv auf Probleme zu reagieren und somit einen Ausweg.
  • Überwachung: In jedem Fall muss eine Verwahrungsstätte sehr lange überwacht werden, selbst wenn sie dafür bestimmt ist, endgültig verschlossen zu werden. Die Erfahrung in der Asse zeigt, dass ein Kontrollbetrieb lange notwendig ist, um auf unvorhergesehene Havarien reagieren zu können. Diese Überwachung und der Schutz der Verwahrungsstätte vor dem Zugriff durch Terroristen u.ä. endet für eine verschlossene Verwahrung irgendwann soweit, dass nur noch das Wissen um die Gefahr im Untergrund erhalten werden muss. Für eine unverschlossene Verwahrung endet diese Überwachung erst an dem Tag, an dem es durch Fortschritt von Wissenschaft und Technik möglich ist, den Müll tatsächlich zu beseitigen.

Ein Verwahrungskonzept für Atommüll muss sich mit derartigen ethischen Fragen intensiv befasst haben. Dafür sind unabhängige Beiratsstrukturen zu schaffen, in denen nicht vorrangig  Regierungsorganisationen, sondern auch staatlich und wirtschaftlich unabhängige Verbände wie Umweltverbände und Bürgerinitiativen mit aktiven Handlungsspielräumen ausgestattet werden, um den Facettenreichtum der ganzen Gesellschaft widerzuspiegeln. Denn am Ende dieser Erwägungen muss die handelnde Generation durch aktive Abstimmung darüber befinden, welches Konzept am besten geeignet erscheint, den nachfolgenden Generationen die geringsten Risiken aufzubürden. Dieser Prozess muss der Verantwortung gegenüber der Zukunft gerecht werden.

4. Festlegen standortunabhängiger Kriterien

Für die ausgewählte Lagermethode müssen verbindliche standortunabhängige Kriterien entwickelt werden, die erfüllt sein müssen, damit ein Standort in die engere Wahl kommt. Dabei können bereits entwickelte Ansätze (z.B. AKEnd) weiterentwickelt werden. In jedem Fall müssen diese Kriterien als unumstößlich gelten und als klare Ausschlusskriterien herangezogen werden können. Das Standortauswahl verfahren muss von Beginn an sorgfältig mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit und ohne Zeitdruck stattfinden, damit nicht wie in der Vergangenheit die überstürzte Standortbenennung dazu führt, dass Kriterien den Standort angepasst werden. Die zur Auswahl stehenden Standorte werden anhand von neutralen wissenschaftlichen Kriterien bewertet.

5. Standorte benennen und untersuchen

Erst wenn Lagermethode, Kriterien und Auswahlverfahren feststehen, macht es Sinn, sich auf die Standortsuche zu begeben und an mehreren Stellen mit ober- und ggf. unterirdischer Erkundung zu beginnen. Was genau ein Standort ist (Gemeinde, Kommune, Region, Land), muss vor der Benennung rechtlich definiert worden sein, um in jedem Fall Rechtswege und Entschädigungsansprüche für alle Betroffenen zu gewährleisten.  An dem Standort, der sich als am besten geeignet herausstellt, kann im Anschluss mit dem Bau einer Verwahrungsstätte begonnen werden. Der Bevölkerung dieser betroffenen Region müssen, da ein über Jahrtausende reichender Sicherheitsnachweis generell unmöglich ist, umfangreiche Entschädigungsansprüche eingeräumt werden.