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»Wir müssen die Banken verkleinern«

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht,

Das Geschäftsmodell der großen Investmentbanken beruht auf Betrügereien, die der Volkswirtschaft schaden, kritisiert Sahra Wagenknecht im Interview mit Tobias Armbrüster auf Deutschlandfunk.

Foto: Uwe Steinert

 

 

Nach den Rekordstrafen gegen sechs internationale Geldinstitute fordert die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht eine Reform des Bankenwesens. Solange die Banken derart groß wären, würden sie die Politik kontrollieren. Eine Verkleinerung der Banken und striktere Regeln seien dringend notwendig.

Tobias Armbrüster: Die Deutsche Bank und andere internationale Geldhäuser machen seit gestern wieder Negativschlagzeilen. Die Finanzinstitute haben jahrelang internationale Zinssätze wie den Libor und den Euribor manipuliert und dadurch Firmen und Verbraucher weltweit um Milliardensummen geprellt.
Die EU-Kommission hat deshalb gestern Rekordstrafen in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro verhängt. Allein die Deutsche Bank muss mehr als 700 Millionen Euro zahlen. Bankenkritiker weltweit sehen sich jetzt natürlich in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Banker als Gauner und als unbelehrbare Zocker.
Zu den prominentesten Kritikern der Finanzindustrie hier bei uns in Deutschland zählt Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei. Schönen guten Tag, Frau Wagenknecht.

Sahra Wagenknecht: Guten Tag!

Armbrüster: Frau Wagenknecht, sind alle Banken kriminelle Organisationen?

Wagenknecht: Nein, alle Banken ganz sicher nicht. Wir haben ja gerade in Deutschland zum Glück auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die ein ganz anderes Geschäftsmodell haben. Aber man muss schon sagen, die großen Investmentbanken – und da spielt ja die Deutsche Bank an vorderster Front mit – haben ein Geschäftsmodell, das wirklich auf Betrügereien, auf Zockereien, auf aberwitzigen Geschäften beruht, die volkswirtschaftlich keinen Sinn und Verstand haben, aber immer wieder schaden, und es ist natürlich jetzt an der Politik, daraus irgendwann mal Konsequenzen zu ziehen und das nicht weiter laufen zu lassen.

Armbrüster: Über die Politik können wir gleich sprechen. Sind das denn nicht eher nur ein paar Mitarbeiter mit krimineller Energie, die in so ziemlich jedem großen Unternehmen vorkommen?

Wagenknecht: Na ja, das sagen die Banken natürlich immer wieder, und es ist ja auffällig, wie viele Mitarbeiter mit krimineller Energie es offensichtlich gibt, wenn immer wieder neue Skandale auffliegen. Die Libor-Manipulation ist ja nur eine, die Währungskurs-Manipulation. Wir hatten vor der Finanzkrise, dass aberwitzige, merkwürdige, obskure Papiere gebastelt wurden, wo die Banken selber darauf gewettet haben, dass sie ihren Wert verlieren.
Also es ist ja jetzt nicht ein einzelner Skandal, es ist nicht ein einzelner Ausrutscher, sondern es ist ja offensichtlich eine Strategie. Und sich dann hinter Mitarbeitern zu verstecken, das sollte man denen nun wirklich nicht mehr durchgehen lassen.

Armbrüster: Die beiden Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, die sagen, das sind alles Altlasten, die da jetzt aufgedeckt wurden, ab jetzt soll es einen Kulturwandel geben. Können Sie den erkennen?

Wagenknecht: Nein, den kann ich überhaupt nicht erkennen, weil auch heute ist es so, dass die Deutsche Bank im Grunde eine große Wettbude ist. Die Deutsche Bank hat eine Bilanz von über zwei Billionen Euro, und gerade mal vier Prozent ihres Geschäftsvolumens besteht darin, dass sie die Industrie, das heißt mittelständische Unternehmen, auch große Unternehmen, mit Krediten versorgt. Das ist aber eigentlich die Aufgabe einer Bank.
Das heißt, diese Bank tut zu 96 Prozent Dinge, die überhaupt nichts mit den Aufgaben einer Bank zu tun haben, und zu vier Prozent tut sie das, was sie eigentlich tun sollte, Diener der Realwirtschaft zu sein.

Armbrüster: Na ja, aber eine Bank kann ja immer noch selber festlegen, was ihre Geschäftsfelder sind und was nicht.

Wagenknecht: Na das kann sie selber festlegen, wenn sie selber dafür haftet. Das Problem ist ja, dass diese Banken sich darauf verlassen, dass sie faktisch eine Staatsgarantie haben. Auch die Deutsche Bank, da ist es ja sehr eklatant. Die haben damals vor wenigen Jahren die Postbank übernommen. Das wurde auch von den Ratingagenturen so kommuniziert, jetzt muss natürlich der deutsche Staat erst recht die Deutsche Bank retten, weil nämlich mit der Postbank ganz, ganz viele Kleinsparer ihr Geld diesem Wettinstitut anvertraut haben.
Und mit dieser Staatsgarantie im Rücken lässt sich natürlich wunderbar spekulieren, während dessen, wenn man sich die harte Eigenkapitalausstattung der Deutschen Bank ansieht, natürlich sicherlich viele Geschäftspartner sich längst überlegen würden, ob man dieser Bank noch Geld anvertrauen kann, ob man dort Einlagen tätigen kann. Das heißt, sie verlassen sich darauf, dass die Allgemeinheit sie immer wieder rausholt und raushaut, aber die Gewinne, die streichen sie privat ein, und ich finde, solche Geschäftsmodelle sollte man einfach nicht mehr akzeptieren.

Armbrüster: Bislang musste die Deutsche Bank aber noch nicht rausgehauen werden?

Wagenknecht: Doch! Die Deutsche Bank ist sogar in verschiedener Hinsicht ausgesprochen opulent vom Steuerzahler rausgehauen worden. Sie hat in den USA massiv in der Größenordnung von elf Milliarden profitiert von der Rettung von AIG, weil sie hat dadurch nicht abschreiben müssen. Sie hat von der Federal Reserve Notkredite bekommen, und sie hat auch in Deutschland profitiert, zum Beispiel davon, dass der deutsche Staat mit Milliardenlasten die IKB und auch die Hypo Real Estate übernommen hat und deshalb auch die Deutsche Bank wiederum Forderungen nicht abschreiben musste.
Wenn das alles nicht stattgefunden hätte, wäre die Deutsche Bank natürlich ein Pleitefall gewesen. Und ich finde, wir müssen uns auch in Deutschland mal überlegen, wieso wir eigentlich als Steuerzahler die ganzen Schrottpapiere, die dann bei der IKB und bei den Landesbanken angekommen sind, wieso wir da die Verluste, wir als Steuerzahler bezahlen, während dessen die Deutsche Bank zu den Hauptkreateuren, zu den Hauptproduzenten solcher Papiere gehörte.
In den USA laufen dort längst Klagen, es hat dort auch teilweise schon harte, wirklich harte Urteile in Milliardenhöhe gegeben. Ich finde, das wäre auch in Deutschland mal an der Zeit, sich anzugucken, wer hat eigentlich das Zeug an die Landesbanken verkauft.

Armbrüster: Frau Wagenknecht, lassen Sie uns noch mal zurückkommen auf die manipulierten Zinssätze. Wenn wir da bei der Deutschen Bank bleiben, was müsste sich ändern bei der Bank?

Wagenknecht: Ich denke, es muss sich generell etwas ändern auf dem Finanzmarkt. Wir haben ja eine Situation, wo etwa vier riesig große Investmentbanken gut 50 Prozent Marktanteil haben zum Beispiel im Devisenmarkt. Das heißt, obwohl auf diesem Markt jeden Tag etwa vier Billionen Euro umgesetzt werden, ist das in den Händen von relativ wenigen Instituten. Das ist natürlich kein funktionierender Markt, sondern damit sind natürlich allen Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet.
Das heißt, wir müssen diese Banken verkleinern, ansonsten werden die immer wieder Gebrauch von ihrer Marktmacht haben. Sie werden manipulieren, und sie werden damit natürlich dann auch Gewinne machen. Strafen, wie sie zum Beispiel jetzt ausgesprochen wurden, 700 Millionen für die Deutsche Bank, das klingt viel. Aber wenn man weiß, dass sie alleine mit diesen Libor-Manipulationen im Jahr 500 Millionen Gewinn gemacht haben, dann relativiert sich die Strafzahlung, und dann wird sie das immer wieder in Kauf nehmen.

Armbrüster: Wie wollen Sie die Banken denn zerschlagen?

Wagenknecht: Ich finde, man muss sie entflechten, man muss sie verkleinern. Es fängt ja schon mal damit an, dass wir eben nicht mehr als Staat haften dürfen für Investmentabteilungen. Das heißt, die wirklich strikte Trennung zwischen Kredit- und Einlagengeschäft auf der einen Seite und Investmentgeschäft. Das wäre zum Beispiel für die Deutsche Bank natürlich eine radikale Umorganisation, und das ist überdringlich.
Man muss sagen, es ist traurig: Es ist in Deutschland immer wieder debattiert worden, die SPD hat das ja auch groß auf ihre Fahnen geschrieben. Es ist aber nichts wirklich Ernsthaftes in diese Richtung passiert, weil alle bisherigen Gesetzesentwürfe Scheunentore an Ausweichmöglichkeiten vorsehen, sodass die Banken sich nicht real verkleinern. Und das Zweite ganz wichtige ist natürlich die Eigenkapitalausstattung. Es kann nicht wahr sein, dass diese Banken mit real drei Prozent Eigenkapital – das sind ja die Basisvorschriften – ihre Geschäfte machen.
Ein Unternehmen, das mit drei Prozent Eigenkapital zu einer Bank gehen würde, würde von dieser Bank wahrscheinlich noch nicht mal am Schalter empfangen werden, geschweige denn einen Kredit bekommen. Aber bei den Banken selbst finden wir das normal, dass sie mit derart wenig haften im Eigenkapital ein riesiges Rad drehen und damit natürlich immer wieder auch die Allgemeinheit in Geiselhaft nehmen, wenn sie sich verspekulieren.

Armbrüster: Ich kann mir jetzt vorstellen, dass viele Leute sich denken, Bankenzerschlagung, das klingt alles sehr radikal. Würde es nicht ausreichen, wenn wir die Banken einfach nur viel stärker kontrollieren würden?

Wagenknecht: Das sind ja zwei Seiten einer Medaille. Solange die Banken derart groß sind, kontrollieren sie die Politik und nicht die Politik die Banken. Das ist ja das Problem, dass wir zurzeit erleben, dass sämtliche Vorschläge, die ja zum Teil zunächst mal relativ vernünftig waren - in der Anfangsphase nach der Finanzmarktkrise lag ja vieles auf dem Tisch: bessere Eigenkapitalausstattung, Verbot bestimmter Derivate -, alles wird von der Finanzlobby kleingespült.
Das heißt, solange diese Banken derart groß sind, sind sie natürlich auch sehr mächtig und setzen im Grunde ihre Interessen gegenüber der Politik durch. Sprich: Sie kaufen sich teilweise auch schlicht die Politik, auch mit Spenden und anderen Dingen. Das heißt, wir brauchen beides: Wir brauchen eine Verkleinerung der Banken und wir brauchen natürlich auch viel striktere Regeln für das Geschäftsmodell dieser Banken.
Und ich meine, dass vieles, was heute in dem Investmentbanking stattfindet, völlig entbehrlich ist. Es hat keinen Nutzen in der Volkswirtschaft. Der alte und konservative US-Notenbankchef, der frühere, Paul Volcker, hat das ja mal sehr drastisch ausgedrückt. Er hat gesagt, es gibt doch eigentlich nach seiner Ansicht keine einzige vernünftige Finanzinnovation in den letzten 30 Jahren, außer der Erfindung des Geldautomaten. Das heißt, da werden Geschäfte gemacht, die gar keinen Sinn haben, aber mit denen man natürlich richtig tolle Profite machen kann, und solche Geschäfte zu verbieten, wäre durchaus im gesellschaftlichen Interesse.

Armbrüster: Sie fordern das ja alles schon etwas länger. Warum finden Sie so wenig Gehör, Frau Wagenknecht?

Wagenknecht: Das hat mit der Macht auch der Bankenlobby zu tun. Ich glaube, wenn man eine Umfrage machen würde, wünschen Sie sich stärkere Regulierung der Banker, wünschen Sie sich höhere Eigenkapitalausstattung, wünschen Sie sich, dass die Banken tatsächlich sich auf das konzentrieren sollen, was ihre Aufgabe ist, nämlich Kredite an die Wirtschaft zu vergeben, dann würde Ihnen eine Mehrheit zustimmen.
Es ist nur so, dass in der Politik solche Vorschläge immer wieder weichgespült werden, auch Politiker sich dann einreden lassen, wenn sie Banken stärker regulieren, dann würden sie die Kreditvergabe einschränken, wobei wir bei der Deutschen Bank sehen, da ist gar nicht mehr viel einzuschränken, weil sie das ja kaum noch machen. Die Politik hat den Mumm nicht, die herrschende Politik, sich mit der Bankenlobby anzulegen, und dafür braucht es gesellschaftlichen Druck.

Armbrüster: Sahra Wagenknecht war das, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei. Besten Dank für das Gespräch, Frau Wagenknecht.

Wagenknecht: Sehr gern.


Deutschlandfunk, 5. Dezember 2013