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Wir brauchen eine G192 statt weiterer G8-Shows

Interview der Woche von Ulla Lötzer,

Diese Woche findet in Italien der G8-Gipfel statt. Was wird dort diskutiert?

Auf der Agenda des Gipfels stehen dieses Jahr die Themen Klima, Rohstoffe, Nahrungsmittel, Migration und natürlich die weltweite Wirtschaftskrise. Im Gegensatz zur Gipfel-Inszenierung suchen die G8 aber nicht nach langfristigen sozialen und demokratischen Lösungen für die Probleme der Weltbevölkerung.

Welche Rolle spielt dabei die Bundesregierung?

Frau Merkel gibt in der Presse bekannt, dass die G8-Treffen in Zukunft nur noch als Vorbereitung für die G20-Treffen dienen sollten; die Industrieländer könnten die Probleme alleine nicht mehr lösen. Dazu kann ich nur sagen: Die Industrieländer, ihre verantwortlichen Politiker und die Wirtschaftseliten haben diese Krise verursacht. Die Entwicklungsländer und auch viele Menschen in Osteuropa leiden nun unter den Folgen. Deshalb fordert die Linke gemeinsam mit Nobelpreisträger Stiglitz: Wir brauchen eine G192 statt weiterer G8-Shows. Allein die UNO ist der Ort, an dem legitime Weichenstellungen für die Zukunft getroffen werden können. Wir brauchen ein Forum für alle 192 Länder dieser Welt und keine exklusiven Clubs.

Es gab ja eine große Alternative zu den G8-Veranstaltungen, die Konferenz der UNO in New York. Warum stößt das auf so wenig Resonanz in Deutschland?

In der Tat, die deutsche Presse hat - mit wenigen Ausnahmen - kaum darüber berichtet. Obwohl der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz mit seiner Kommission und einem wegweisenden 180-Seiten langen Bericht eine hervorragende Vorarbeit geleistet hat. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit vielen Industriestaaten diese Konferenz boykottiert und nur die zweite Garde geschickt. Frau Merkel hat sie in ihrer Bundestagsrede mit keinem Wort erwähnt. Aber viele europäische NGOs wie ATTAC, WEED und Eurodad, aber auch viele PolitikerInnen und AktivistInnen aus dem Süden engagieren sich sehr stark für eine Neue Weltwirtschaftsordnung unter dem Dach der UNO. Es liegt an uns, diesen Prozess weiter zu stützen!

Wie könnte denn ein Richtungswechsel aussehen?

Im Vorfeld der Konferenz wurden wichtige Vorschläge von Jospeph Stiglitz aber auch von Heiner Flassbeck und der UNCTAD entwickelt: Alternativen zum Dollar als Leitwährung, zur Beendigung der Spekulation auf Nahrungsmittel, zur Erschließung neuer Finanzquellen für Entwicklungsländer und eben für eine Führungsrolle der UNO in Fragen der Weltwirtschaft. Wir unterstützen auch die Forderungen nach einem globalen Konjunkturprogramm zugunsten der Entwicklungsländer, nach Neuverteilung der IWF-Sonderziehungsrechte und nach Schaffung eines Globalen Wirtschaftsrates bei der UNO.

Italien hat sich bei der Ausrichtung des G8-Gipfels in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert - Genua gilt als Synonym für die Verletzung des Demonstrationsrechts. Muss man Ähnliches wieder befürchten?

Ja, die Repression gegen die Demonstranten in Genua war unglaublich und die Linke hat sich damals viel zur Aufklärung um die skandalösen Vorgänge bemüht. Dieses Jahr haben wir aber das Problem, dass die Linke in Italien paralysiert ist. Außerdem haben die Menschen vor Ort andere Probleme. Sie müssen nach den Erdbeben in den Bergen ihre Häuser wieder aufbauen bevor die Temperaturen fallen. Sie wollen sich aber an der friedlichen Demonstration am 10. Juli beteiligen. Diese wird aber sicher nicht so groß und bunt werden wie in Seattle oder in Heiligendamm. ATTAC und andere Gruppen konzentrieren sich in der Mobilisierung deshalb vor allem auf den September-Gipfel der G20 in Pittsburgh.