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Wie die Ressourcen zu schützen sind

Im Wortlaut von Ulla Lötzer,

Gastkolumne

Von Ulla Lötzer

Am Montag wird sich die Enquete Kommission des Bundestages zu Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität der wichtigen Frage widmen, wie sich der Konsum von Ressourcen reduzieren und von der Wirtschaftsleistung abkoppeln lässt. Schon in der Bundesregierung gehen die Positionen auseinander: Das Wirtschaftsministerium unterstützt die vor wenigen Tagen von BDI, Daimler, ThyssenKrupp und anderen Konzernen gegründete »Allianz für Rohstoffsicherung«. Alleiniges Ziel ist der weltweite Zugang zu billigen Rohstoffen.

Zeitgleich erklärt CDU-Umweltminister Norbert Röttgen: Ein »Weiter so« auf dem industriellen Wachstumspfad führe in die Sackgasse, die Industrie müsse ressourceneffizienter produzieren. In der harten Realität bleiben das schöne Worte. Durchgesetzt hat sich die Linie von FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler. In der Wahl der Mittel ist die Bundesregierung nicht zimperlich.

Neben einer vertraglichen Rohstoffpartnerschaft mit Kasachstans Diktator Nasarbajew findet man das komplette Reservoir einer aggressiven Handelspolitik: Von der Welthandelsorganisation über EU-Freihandelsabkommen bis zu direkter Rohstoffdiplomatie auf höchster Ebene. Beim Besuch der Kanzlerin in der Mongolei hat ein deutsch-australisches Konsortium einen Vertrag über ein Minenprojekt unterzeichnet. Jährlich sollen bis zu 15 Millionen Tonnen Kohle gefördert werden. »Die Tonne Kohle auf mongolischem Boden ist 70 Dollar wert«, jubelt das Niebel-Ministerium. »Mit der von Deutschland geförderten Kohlewaschanlage ist die gleiche Tonne etwa dreimal so viel wert.« Die Folgen fürs Klima und die Menschen vor Ort bleiben ausgeblendet.

Aber wie lassen sich hochwertige Industriearbeitsplätze langfristig sichern, ohne den globalen Konflikt um Rohstoffe anzuheizen? Der bisherige Konsens in der Enquetekommission lautet, dass die Industrieländer ihren Rohstoffverbrauch absolut senken müssen. Das ist unterstützenswert, da es auch den Spielraum für die Länder des Südens vergrößert, ihre Wirtschaft zu entwickeln. Ressourcenreichtum darf nicht mehr wie bisher zum Rohstofffluch werden.

Effiziente Technologien, Substitution und Recycling können auch bei uns zum Beschäftigungsmotor werden. Das erfordert aber Investitionen und widerspricht dem kurzfristigen Renditedenken der großen Industriekonzerne. Deshalb bedarf es klarer Vorgaben: Wir brauchen verbindliche Reduktionsziele beim Ressourcenverbrauch und beim Recycling sowie eine Demokratisierung der Industriepolitik unter Einbeziehung von Gewerkschaften, Umweltverbänden und WissenschaftlerInnen.

Das Wuppertal-Institut schlägt vor, zur Ressourcenentnahme des Jahres 2000 zurückzukehren und diese global gleich zu verteilen. Für Deutschland würde das bedeuten: Die gegenwärtig 44 Tonnen Ressourcenverbrauch pro Kopf müssten um 75 Prozent vermindert werden. Nimmt man dieses Ziel ernst, bedeutet das einen anspruchsvollen Umbau unserer Industrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette: klare Sozial- und Umweltstandards bei der Rohstoffgewinnung, schärfere Auflagen für Produktionsverfahren, bei der ökologischen Gestaltung von Produkten und beim Recycling – mit dem Ziel, die Produkte länger nutzen zu können und geschlossene Kreisläufe zu schaffen.

Neues Deutschland, 4. Februar 2012