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Votum gegen Wohnungsverkäufe

Im Wortlaut von Heidrun Bluhm-Förster,

Nach Freiburg auch in Schwerin Verscherbelungspläne gestoppt

Es ist, als hätten sich Schwerins Stadtväter die mahnenden Worte vom Mietertag in Stuttgart gegen Wohnungsveräußerungen zu Herzen genommen. Nur wenige Tage danach votierten sie in dieser Woche - wenn auch knapp - gegen den geplanten Verkauf eines erheblichen Teils kommunalen Eigentums. Ähnlich wie in Freiburg hatte für das Nein allerdings der Protest von Bürgern gesorgt.

War das ein Jubel vor einem halben Jahr - in Freiburg vor allem, aber auch andernorts im Land. Via Bürgerentscheid war am 12. November 2006 der geplante Verkauf von knapp 9000 Wohnungen in der schwarz-grün regierten Stadt im Breisgau verhindert worden. Als »Triumph der Vernunft« wertete nicht nur die erfolgreiche Bürgerinitiative die mehr als 41 000 Stimmen gegen die Verscherbelung. Auch Mieterbund und Bürgerinitiativen, die gegen Wohnungsverkäufe zu Felde ziehen, bekamen ob des Freiburger Signals wieder Hoffnung.

Immerhin schien ja derlei »Maßnahme« zur Verbesserung der finanziellen Lage von Städten und Gemeinden längst hoffähig geworden zu sein. Schließlich hatte bereits am 10. März 2006 der Totalverkauf der Dresdener Woba mit ihren fast 48 000 Wohnungen für zweifelhafte Furore gesorgt. Während die Dresdener Entscheidungsträger - unter ihnen auch mehrere Stadträte der Linkspartei - über die schlagartige Entschuldung ihrer Stadt jubelten, sahen andere ein verheerendes Signal.

Mit einer solch rigorosen Veräußerung hatten auch erfahrene Mietervertreter bislang nichts zu tun gehabt. Zwar wurden zwischen 1999 und 2006 über 150 große Wohnungsbestände mit jeweils mehr als 800 Wohnungen in der Bundesrepublik verkauft. Aber in den meisten Fällen nahm die Öffentlichkeit davon wenig wahr. Seit dem Deal an der Elbe aber ist die Sensibilität gestiegen.

Dresden jedenfalls wurde auch für Schwerin zur Initialzündung. »Zwar ist die Stadt an der Elbe ein Sonderfall und bietet auch keine Blaupause für andere deutsche Städte«, ließ der CDU-Oberbürgermeister der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt die Bürger rund um den Pfaffenteich wissen. Dennoch werde, so Norbert Claussen, seither unter Wohnungswirtschaftlern wie auch Kommunalpolitikern Für und Wider eines solchen Projektes diskutiert. Es wäre angesichts der Situation der Wohnungsgesellschaft Schwerin und der Gesamtsituation der Stadt nicht vertretbar, nicht ebenfalls eine Prüfung für die Landeshauptstadt einzuleiten.

Das war im vergangenen Herbst. Seither hing über Schwerin das Damoklesschwert des Verkaufs von etwa 5000 Wohnungen. Bis zu dieser Woche. Doch mit 21 zu 19 Stimmen stimmten jetzt die Stadtvertreter gegen den geplanten Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an der Wohnungsgesellschaft, die vollständig Eigentum der Stadt ist, wie auch gegen die Veräußerung von 30 Prozent der von ihr verwalteten Wohnungen.

Vorausgegangen waren dieser Entscheidung Forderungen eines Bürgerbündnisses gegen Privatisierung, das fast 9000 Unterschriften zusammengetragen hatte und zielstrebig auf einen Bürgerentscheid zusteuerte. Der, so ein Sprecher der Initiative, habe sich mit der Stadtratsentscheidung erledigt. Zumindest für die kommenden zwei Jahre - so lange bleibt die Stadt erst einmal alleinige Eigentümerin der Wohnungsgesellschaft und der Wohnungen.

Was dann geschehen wird, steht nicht nur im Nordosten in den Sternen. Denn fest steht, dass die Probleme in den klammen Kommunen und bei den oft heftig schwächelnden Wohnungsgesellschaften bleiben. Und Beispiele wie das Freiburger und jetzt das Schweriner eher selten sind. Die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Heidrun Bluhm, hat jüngst erst darauf hingewiesen, dass gerade auch der Bund regelmäßig bundeseigene Wohnungen meistbietend an internationale Finanzgesellschaften verkauft - und dabei auch Mieterschutzklauseln, die für Länder und Kommunen oft Vorbedingungen für den Verkauf von Wohnungen sind, als Verkäufer dabei ablehnt.

Von Gabriele Oertel

Neues Deutschland, 7. Juni 2007