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Vollstrecker deutscher Politik

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

»Die Bundesregierung verfolgt die innenpolitischen Entwicklungen in der Ukraine genau«, erklärt Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zum fortschreitenden Rechtsruck in der Ukraine (Drucksache 18/2559). Erstaunlich nur, daß derselbe Regierungsvertreter auf die meisten Fragen der Linken antwortet: »Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor.« Das trifft auch auf das »Freiwilligenbataillon Asow« zu. Die Regierung behauptet, ihr seien lediglich Medienberichte bekannt, nach denen diese Miliz im Kern aus Neofaschisten oder rechten Fußballhooligans besteht. Allerdings würde sie rechte Milizen dieser Art auch öffentlich legitimieren, gäbe sie zu, eigene Erkenntnisse über sie zu haben.

Das Kabinett hält weiterhin an einer sehr speziellen juristischen Einschätzung fest und ist der Ansicht, daß die mehrmals vereinbarte Entwaffnung militanter Gruppen in der Ukraine für diese nicht gelte, da sie ja dem Innenministerium unterstünden. Dies, obwohl von den rechten Formationen immer wieder Putschdrohungen kommen – wie zuletzt von Dmitro Jarosch vergangene Woche.

Auch prinzipiell scheint die Bundesregierung mit der Existenz dieser paramilitärischen Verbände in der Ukraine keine Probleme zu haben. Deren Aufgabe sei es angeblich, die territoriale Integrität der Ukraine und Ordnung in dem Land herzustellen oder zu sichern. Die Aufforderung zur Entwaffnung habe »auf alle illegalen, das Gewaltmonopol der ukrainischen Regierung nicht anerkennenden Gruppen« abgezielt, heißt es in ihrer Antwort. Offensichtlich ist es der Bundesregierung recht, daß diese Ordnung von Freikorps durchgesetzt wird.

Außerdem scheint das Kabinett in der Beurteilung des Nationalisten Oleg Ljaschko und seiner »Radikalen Partei« mindestens genauso große Ignoranz an den Tag zu legen wie schon zuvor bei der Neonazipartei »Swoboda«. Ljaschko hatte bei den fragwürdigen Präsidentschaftswahlen im Mai das drittbeste Ergebnis erreicht. Eine Umfrage Mitte Juli sah Ljaschkos Partei mit über 20 Prozent als stärkste politische Kraft bei den anstehenden Parlamentswahlen. Ljaschko paßt mit seinen radikal antirussischen Einstellungen zu den geopolitischen Zielen der Bundesregierung, die fast alles dafür tut, den russischen Einfluß in der Ukraine zu minimieren.

Als Favoriten für deren Durchsetzung hat sie sich indes den Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko ausgesucht. Hinter dessen Entscheidungen stellt sich die Bundesregierung offenbar bedingungslos. Unter anderem betont sie, die Kiewer »Gay Pride Parade« im Juli sei nicht verboten worden. Den Veranstaltern sei lediglich wegen der »damals bestehende (n) Sicherheitslage nachdrücklich davon abgeraten« worden, sie durchzuführen.

Der Umstand, daß die ganze politische Krise durch den Putsch vom Februar dieses Jahres verschärft wurde, scheint schon fast vergessen. Als Begründung für die Anerkennung der Putschregierung durch die EU galten damals die Todesschüsse auf dem Maidan, die angeblich von der Regierung Janukowitsch angeordnet waren. Die Ermittlungen dazu liefen bisher ins Leere. Der damalige, von der Swoboda-Partei gestellte Generalstaatsanwalt der Ukraine, Oleg Machnitzki, hat alles getan, um eine Aufklärung zu verhindern, indem Beweismittel unterdrückt oder sogar unterschlagen wurden. Trotz einiger personeller Umbildungen in der Kiewer Regierung bleiben extreme Rechte und antisemitische Nationalisten maßgebliche Kräfte in Kiew. Und Machnitzki verlor zwar seinen Posten als oberster Strafverfolger – wurde aber kurz darauf zum Präsidentenberater berufen.

junge Welt, 26. September 2014