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Wasserstoff-Stromspeicher mit Windrädern und Solaranlagen

Verstrahlter Wasserstoff: Bundesregierung lässt Zukunftstechnologie aus Atomstrom produzieren

Im Wortlaut von Eva-Maria Schreiber,

Von Eva-Maria Schreiber


H2 – das ist der Stoff, aus dem derzeit viele Träume sind. 7 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung in den kommenden Jahren für die deutsche Wasserstoffstrategie zur Verfügung. Damit soll Wasserstoff langfristig zum entscheidenden Energieträger in Deutschland werden und umweltschädliche Energiequellen wie Erdöl ablösen. Glaubt man der Bundesregierung, ist Deutschland damit auf dem Weg in eine klimafreundliche, nachhaltige Zukunft.

Doch diese Zukunft strahlt leider mehr, als es den meisten Deutschen lieb sein dürfte. Denn Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat gegen Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft den Weg dafür frei gemacht, in der EU die Produktion von Wasserstoff aus Atomenergie zu fördern. Zwar betonte die Bundesregierung in der Vergangenheit immer wieder, dass sie auf grünen Wasserstoff setze, der aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- oder Solarkraft gewonnen wird. Doch zum einen wird sich damit der politisch forcierte Wasserstoffbedarf der deutschen Industrie mittelfristig nicht decken lassen. Zum anderen hat insbesondere Frankreich Interesse, seinen zu Wasserstoff veredelten Atomstrom zu exportieren. Da trifft es sich gut, dass die beiden Länder sich im Rahmen der EU-finanzierten Initiative „Important Projects of Common European Interest" (IPCEI) zusammengeschlossen haben, um in Europa eine grenzüberschreitende Transportinfrastruktur für Wasserstoff aufzubauen. Also Leitungen, über die der verstrahlte französische Wasserstoff – in der Fachsprache „gelber Wasserstoff“ – genannt, in die westdeutschen Industriezentren geleiten werden kann.

Vor einem halben Jahr hatte die Bundesregierung noch bekundet, dass sie sich in der EU dafür einsetzen werde, Wasserstoff aus Atomstrom nicht zu fördern. Diese Position hat sie nun still und heimlich begraben. Nach mehrmaligem Nachfragen habe ich die Auskunft erhalten, dass „CO2-neutraler Wasserstoff“ (was für eine schöne Umschreibung für Wasserstoff auf Atomstrombasis), „übergangsweise“ genutzt werden könne. Zudem kann sich die Bundesregierung nun auch vorstellen, dass deutsche Unternehmen Förderungen für die Umstellung auf Wasserstoff erhalten, wenn dieser aus Atomstrom basiert (Antwort der Bundesregierung auf mündliche Frage 9 in der Fragestunde vom 13.1.2021).

Seit längerem versuchen Atomkraft-Lobbyisten, Atomenergie als Schlüsseltechnologie im Kampf gegen den Klimawandel neu zu positionieren und von seinem schlechten Image reinzuwaschen. Die Bundesregierung gibt diesem Argument nun Auftrieb und droht mit seiner Wasserstoffstrategie ein Revival der Atomkraft zu befeuern. Aus Sicht der LINKEN ist es jedoch völlig widersinnig, Wasserstoff einerseits als Zukunftstechnologie zu feiern und mit Milliarden Euro zu fördern, und andererseits bei dessen Produktion auf Atomkraft zu setzen. Die Energieversorgung der Zukunft muss nachhaltig, CO2- und strahlungsfrei sein.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir nicht nur die Produktion erneuerbarer Energie erhöhen, sondern auch den Energiebedarf drastisch einschränken – in der Industrie, in den privaten Haushalten, im Verkehr. Die deutsche Wasserstoffstrategie drückt sich um diese Aufgabe. Sie macht das verlockende Versprechen, dass wir lediglich einen Energieträger (Erdöl) durch einen anderen (H2) ersetzen müssen, um ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu etablieren. Doch gelber Wasserstoff ist ebenso wenig nachhaltig wie blauer Wasserstoff (aus Erdgas gewonnen) oder der Plan, in der Demokratischen Republik Kongo ein Megastaudammprojekt zu realisieren, um damit Wasserstoff für Deutschland zu produzieren.

Grüner Wasserstoff kann eine wichtige Rolle beim Umbau unserer Energieversorgung spielen.  Eine Debatte um neue, energiesparende Produktions- und Konsummuster kann er nicht ersetzen. Eine solche Debatte müsste die Bundesregierung in Deutschland und der EU starten, anstatt gemeinsam mit Frankreich den Weg für verstrahlten Wasserstoff zu bereiten.