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US-Drohnenkrieg: Der Tod kommt aus der Luft – und Deutschland hilft

Nachricht von Andrej Hunko, Niema Movassat,

Bericht von der Veranstaltung am 16. Juni 2015 in der Berliner Volksbühne

Auf dem Podium (v.l.): Wolfgang Kaleck, Diani Barreto, Niema Movassat, Frederik Obermaier und Andrej Hunko   -  Foto: Uwe Steinert

 

Von Birgit Bock-Luna

Die Linksfraktion und die Rosa-Luxemburg-Stiftung luden zu einer Podiumsdiskussion zur Rolle Deutschlands im US-Drohnenkrieg. Circa 100 Menschen folgten der Einladung.

Niema Movassat, Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, übernahm die Moderation der Veranstaltung und leitete diese mit dem Schicksal der Familie Bin Ali Jaber aus dem Jemen ein. Zwei ihrer Mitglieder, Walid und Salim, starben einen Tag nach einer Hochzeitsfeier beim Angriff einer US-Drohne. Die Attacke galt drei mutmaßlichen Al-Kaida Mitgliedern. Salim und Walid hatten mit Al-Kaida nichts zu schaffen. Salim war Imam in seiner Gemeinde und hatte einige Tage vor dem Angriff Al-Kaida scharf verurteilt. Salim und Walid waren am falschen Ort zur falschen Zeit. Wie so viele Menschen im Jemen, in Somalia, Pakistan und Afghanistan. Es kann jeden treffen, jederzeit. Die Bilanz: Circa 16.000 Ermordete durch angeblich präzise US-Drohnen. Schätzungen gehen davon aus, dass weit über 90 Prozent der Opfer so genannte „Kollateralschäden“ sind, also unschuldige Männer, Frauen und Kinder.

Frederik Obermaier, Redakteur im Rechercheteam „Geheimer Krieg“ der Süddeutschen Zeitung, beschrieb, wie die technischen Aspekte des Drohnenkriegs über Ramstein herausgefunden wurden. „Ohne Ramstein wären die Piloten blind“, erklärte der Journalist die Verbindung zwischen dem Piloten in einem Container in den USA und Ramstein. Wegen der Erdkrümmung würde das Signal aus den Gebieten, in denen Killerdrohnen eingesetzt werden, mit einer Verzögerung von mehreren Sekunden bei dem Piloten ankommen. Die Satelliten in Ramstein sorgten mithilfe von Glasfaserkabeln dafür, dass die Übertragung der Daten vom Zielort an den Drohnen-Piloten in den USA blitzschnell erfolge. Das „Gehirn“ dieser Tötungsmaschinerie sei das Distributed Ground System (DGS). Dort sitzen Analysten, die für die Piloten die Bilder interpretieren, also schauen, was auf den übermittelten Bildern zu sehen ist. Auch der BND spiele eine Rolle, denn er gebe Handynummern von Verdächtigen an die USA weiter. Diese würden in das Gilgamesch-System einer Drohne eingespeichert, um Zielpersonen aufzuspüren und zu töten. Dass die Telefonnummer auch gewechselt oder das Telefon ausgeliehen worden sein könnte und damit Unschuldige getroffen würden, werde billigend in Kauf genommen.

Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt die Familia bin Jabar bei ihrer Klage gegen Deutschland vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Begründung für die Klage stützt sich auf die oben genannten Recherchen, nämlich dass ohne Ramstein der US-Drohnenkrieg nicht durchführbar sei und Deutschland somit Beihilfe zum Mord leiste. Die Klage wurde vor kurzem abgewiesen – aber das Gericht betonte zugleich, dass Ramstein eine wichtige Rolle im US-Drohnenkrieg spiele. Es ist nicht einfach, zu klagen. Das Völkerrecht lasse der Bundesregierung sehr viel Spielraum. „Das humanitäre Völkerrecht sollte dringend geändert werden“, so Kaleck.

Über die politischen Anstrengungen, die Rolle Ramsteins im Bundestag aufzuklären, sprachen Niema Movassat und Andrej Hunko. Hunko ist ebenfalls Abgeordneter der Linksfraktion. Beide haben die Bundesregierung mit zahlreichen Fragen zu den belastenden Vorwürfen konfrontiert. Wie in der NSA-Affäre von der Merkel-Regierung gewohnt, antwortete die Bundesregierung entweder nicht, ausweichend oder dementierend. Nein, Drohnenangriffe würden nicht von Deutschland aus gesteuert, obwohl in der Fragestellung nicht von „Steuerung“ sondern Unterstützung die Rede war. Schließlich schickte das Verteidigungsministerium einen Fragenkatalog an die US-Regierung, doch auch hier verhallten die Fragen unbeantwortet: Ein Jahr lang erinnerte die Bundesregierung angeblich „eindringlich“, „nachdrücklich“, „fortgesetzt eindringlich“, bis dieses Frühjahr der Antwortprozess als beendet erklärt wurde – ohne dass der Fragenkatalog beantwortet wurde. Die US-Seite „versicherte“, dass alles gut sei, und die Bundesregierung gab sich zufrieden.  

Der ehemalige US-Drohnenpilot und Whistleblower Brandon Bryant, der aufgrund seiner schwierigen wirtschaftlichen und rechtlichen Situation leider absagen musste, sprach in einer sehr bewegenden Videoaufzeichnung über seine frühere tödliche Tätigkeit. Bei keinem einzigen seiner über 1.600 Morde am Joystick hatte er nicht zuvor in Ramstein angerufen, um die Daten abzugleichen, die er für die Drohnenangriffe benötigte.

Diani Barreto, ehrenamtliche Aktivistin für die Unterstützung von Whistleblowern bei der „Courage Foundation“, beschreibt die prekäre Situation von Whistleblowern wie Bryant, die oftmals keine Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Arbeit haben, an posttraumatischen Belastungsstörungen, unter Alkoholsucht, Ausgrenzung und Armut leiden. Barreto erklärt: „Seit den Enthüllungen von Edward Snowden gibt es einen Kulturwandel, was Whistleblower und ihre gesellschaftliche Akzeptanz betrifft. Aber die Bundesrepublik hat die schlechteste Gesetzgebung in ganz Europa, was den Schutz von Whistleblowern betrifft.“

Andrej Hunko setzt sich politisch auf EU-Ebene für eine Konvention gegen Kampfdrohnen zu Überwachungs- und Kampfzwecken ein. Die Entwicklung und der Einsatz von Kampfdrohnen sollten geächtet werden, forderte er. 60 Prozent der deutschen Bevölkerung seien gegen die Anschaffung und den Einsatz von Kampfdrohnen, weil sie diese mit dem US-Drohnenkrieg assoziieren. Die Bundesregierung jedoch beharre darauf, mit dem US-Drohnenkrieg nichts zu tun haben und dass die Kampfdrohnen kein Schritt zur Automatisierung des Krieges seien. Diese Argumentation breche mit Ramstein aber in sich zusammen.

Das Publikum unterstützte die Forderungen nach einem Stopp der deutschen Unterstützung für US-Killerdrohnen, dem Schließen der Air Base in Ramstein und mehr öffentlichkeitswirksamen Protesten und Aktionen gegen die völkerrechtswidrige Tötungsmaschinerie. Die nächste Klage ist übrigens schon eingereicht: Ein Somalier klagt jetzt gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zum Mord, weil sein Vater durch eine Killerdrohne starb. Die Auseinandersetzung um Ramstein geht in die nächste Runde. 

linksfraktion.de, 18. Juni 2015