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Stellvertreterkrieg mit deutschen Waffen

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist der Hauptverantwortliche für Kriegsverbrechen im Jemen und für die größte humanitäre Katastrophe. Nach UN-Angaben sind in dem südarabischen Land mittlerweile 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe oder Schutz angewiesen. Im saudischen Dschidda hat der saudische Warlord am Montag den Kronprinzen Abu Dhabis, Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan, zum Kriegsrat empfangen, um über „Sicherheit“ und „Stabilität“ im Jemen zu sprechen. Welch ein Hohn, die beiden faktischen Herrscher Saudi-Arabiens beziehungsweise der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind engste Verbündete in dem seit 2015 tobenden Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Jemen.

Doch die Allianz bröckelt. In der südjemenitischen Hafenstadt Aden eskalierte in den vergangenen Tagen ein Stellvertreterkrieg zwischen dem saudischen Herrscherhaus und den Emiratis. Die Despoten in Riad setzen auf die von ihnen kontrollierte und finanzierte Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, die allerdings nur einen kleinen Teil des Landes kontrolliert und deren Chef noch dazu im sicheren saudischen Exil weilt. Die Scheichs in den Emiraten unterstützen derweil die Truppen des sogenannten Südlichen Übergangsrats (STC), die eine Abspaltung des Südens und einen eigenen Staat Südjemen propagieren. Vier Jahre lang haben beide Golfstaaten mit ihren Unterstützern vor Ort einen Terrorkrieg gegen die jemenitische Zivilbevölkerung geführt, jetzt gehen sich die Kriegsverbündeten gegenseitig an die Gurgel. Bei Kämpfen um Aden wurden Presseberichten zufolge in den ersten fünf Tagen mindestens 40 Menschen getötet und 260 weitere verletzt.

Die VAE versuchen, sich durch eine Abspaltung des Südjemen eine eigene Einflusszone zu sichern. Sie wollen daher den gemeinsamen Krieg gegen die Huthis, die in den vergangenen vier Jahren große Teile des jemenitischen Kernlandes erfolgreich gegen die von Saudi-Arabien und den VAE angeführte Militärallianz verteidigt haben, nicht länger fortführen und haben den Abzug ihrer Truppen von den Fronten angekündigt. Saudi-Arabiens starker Mann „MbS“ dagegen will den Vernichtungskrieg im Jemen fortführen und den Sieg über den Iran, dafür schließlich hat er den Stellvertreterkrieg angezettelt. Er nimmt dafür in Kauf, dass die Huthis das Kriegsgeschehen immer stärker auf die Provinzen im Süden Saudi-Arabiens ausweiten und seinen Truppen dort schwere Niederlagen bereiten.

Worauf auch immer sich die Kronprinzen in Dschidda verständigt haben, zu den Gewinnern im Jemen-Krieg gehört am Ende in jedem Fall die deutsche Rüstungsindustrie. Wie der Rechercheverbund #GermanArms nachgewiesen hat, werden Waffen „Made in Germany“ von Saudi-Arabien und den Emiraten sowie ihren lokalen jemenitischen Milizen eingesetzt. Auch beim Kampf um Aden dürfte deutsches Kriegsgerät zum Einsatz kommen – auf beiden Seiten.

Es ist daher wohlfeil, wenn sich die Bundesregierung „sehr beunruhigt“ über die Kämpfe in der Hafenstadt zeigt und fordert, alles zu tun, „um diese Gewaltspirale erst einmal zu stoppen“ und eine politische Lösung samt eines Waffenstillstandes zu erreichen.

Es waren allen voran die USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch die Bundesregierung, die die Diktaturen am Golf hochgerüstet haben. 2008 hat Saudi-Arabien aus Deutschland die Lizenz bekommen, Sturmgewehre des Modells G36 zu produzieren. Längst sind die Waffen im Jemen aufgetaucht. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall schließlich hat mit dem südafrikanischen Unternehmen Denel ein Joint Venture gegründet, das seit 2016 eine Munitionsfabrik direkt in Saudi-Arabien betreibt.

Entgegen der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung in ihrem ersten Amtsjahr Rüstungslieferungen im Wert von rund 400 Millionen Euro an die von Saudi-Arabien geführte Jemen-Kriegsallianz genehmigt. Zwei Drittel dieser Ausfuhren gingen alleine an Saudi-Arabien (255 Millionen Euro) und die VAE (57 Millionen Euro). Das Moratorium für den Waffenexportstopp an Saudi-Arabien, verhängt nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 und verlängert im März 2019, läuft am 30. September aus. Nicht zuletzt die neuen Kämpfe in Aden unterstreichen: Notwendig ist die Verlängerung des Ausfuhrverbots für Saudi-Arabien und eine Ausweitung auf alle Länder der Jemen-Kriegsallianz, angefangen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten.