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Frauen und Männer in blauen Kitteln arbeiten an Nähmaschinen in einer Fabrik @ iStock/andresr

Startschuss gegen Lohndumping-Modell »Leiharbeit«

Nachricht von Susanne Ferschl,

Stell dir vor, du arbeitest Schulter an Schulter mit deinen Kolleginnen und Kollegen, verdienst aber deutlich weniger, weil du gar nicht wirklich zur Belegschaft gehörst, sondern zu einem Verleihunternehmen. Diese Unternehmen verdienen ihr Geld damit, dass sie dich und andere Beschäftigte in verschiedene Betriebe „verleihen“ – insgesamt sind es derzeit über 800.000 Menschen. So erging es der Klägerin, die für einen vielbeachteten Rechtsstreit sorgte. Sie wurde in ein Einzelhandelsunternehmen verliehen und hat dort 9,23 Euro in der Stunde für ihre Arbeit bekommen – die dort festangestellten Beschäftigten aber verdienen 13,64 Euro. Das hat mit Equal Pay, wie es im Gesetz steht, natürlich nichts zu tun – ist aber Realität in der Leiharbeit.

Grundlage dafür sind Tarifverträge, die die Gewerkschaften mit den Unternehmensverbänden der Leiharbeitsbranche abgeschlossen haben. Die Klägerin wollte sich damit nicht abfinden und klagte sich durch die Instanzen. In einem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschied dieser im Dezember letzten Jahres, dass Tarifverträge, die eine schlechtere Entlohnung für Leiharbeitskräfte vorsehen, nur zulässig sind, wenn der Gesamtschutz gewährleistet ist. Das bedeutet: Es muss dann an anderer Stelle ein erheblicher Vorteil gewährt werden, beispielsweise mehr Urlaub oder kürzere Arbeitszeiten. Die Hoffnung war groß, dass das Lohndumping-Modell „Leiharbeit“ empfindliche Schrammen bekommen würde und gleicher Lohn für gleiche Arbeit schrittweise Realität werden könnte.

Das BAG hat diesen Traum am Mittwoch platzen lassen. Es hat die Klage abgewiesen – die Klägerin hatte 1.300 Euro nachgefordert – und die Tarifverträge für wirksam erklärt. Als Begründung wurde angeführt, dass die Fortzahlung eines Entgelts für Leiharbeitsbeschäftigte auch in verleihfreien Zeiten, was in Deutschland gesetzlich festgeschrieben ist, als Ausgleichsvorteil für eine schlechtere Entlohnung gilt. Der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler, der die Klage mit begleitet hatte, kommentierte treffend: „Das Bundesarbeitsgericht hat die korrekte Umsetzung des EuGH-Urteils vermieden und damit eine gute Chance auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit vertan." Denn eine gesetzliche Regelung sei eben kein Ausgleich für tarifliche Schlechterstellung.  Es war ein bitterer Tag für hunderttausende Leiharbeitskräfte, deren Lohn im Durchschnitt 1.400 Euro unter dem aller Beschäftigten liegt!

Aber wir finden: Das Thema ist zu wichtig, um sich geschlagen zu geben. Mit der BAG-Entscheidung mag der Rechtsstreit zwar vorläufig durch Richterspruch beendet sein, aber weitere Klagen sind auf dem Weg und auch auf politischer Ebene ist damit ein Startschuss gesetzt. Denn nur, weil aktuelle Tarifverträge und Gesetzgebung laut BAG der untersten Haltelinie des EuGH genügen sollen, heißt das noch lange nicht, dass wir uns auch politisch damit abfinden müssen: Leiharbeit ist und bleibt gesetzlich legitimierte Ausbeutung. Das Lohndumping-Instrument der Tariföffnungsklauseln muss aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gestrichen werden. Nur so lassen sich die Prinzipien „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und „Besser mit Tarifvertrag“ für Leiharbeitsbeschäftigte wiederherstellen und der Sinn von Tarifverträgen zum Tragen kommen, nämlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.