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Spekulanten regieren Merkel

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Von Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Kaum war die Kredithilfe für Griechenland im Parlament durchgepeitscht, verschärfte sich die Spekulation gegen den Euro. Die EU-Minister­präsidenten trafen sich am Freitagabend eigentlich nur, um die Hilfe für Griechenland abschließend zu behandeln - jetzt wurde aus dem Treffen ein Krisengipfel.

Innerhalb von 48 Stunden wurde ein Rettungspaket aufgelegt. Insgesamt umfasst dies 750 Milliarden Euro. 60 Milliarden Euro direkte Hilfen der EU und 440 Milliarden an Kredithilfen der Mitgliedstaaten. Zusätzlich stellt der IWF weitere 250 Milliarden Euro bereit.

Die deutsche Regierung musste in Anbetracht der Angriffe der Spekulanten Vorbehalte unter den Tisch fallen lassen, mit denen sie noch vor wenigen Wochen eine rechtzeitige Hilfe für Griechenland verhindert hat. So wurde die Spekulation erst richtig angeheizt und hat die Risiken für die Steuerzahler erhöht.

Zwei wesentliche Tabus sind gefallen. Im EU-Vertrag sind finanzielle Hilfen, also auch Kredite zwischen den Staaten, ausgeschlossen. Jetzt beruft man sich auf eine Ausnahmeregel, die eigentlich für den Fall von Naturkatastrophen gilt. Bislang war es unvorstellbar, dass die EZB Staatsanleihen der Mitgliedländer direkt aufkauft und damit stützt. Nach politischem Druck und möglicherweise eigener Einsicht hat jetzt die EZB direkt Staatsanleihen aufgekauft. Am ersten Tag sollen bereits vier Milliarden Euro geflossen sein.

Dies sind Schritte in die Richtung, die auf der Linie der Forderungen der LINKEN liegen. Jedoch sperrt sich die Kanzlerin weiter gegen gemeinsame Eurobonds aller Euro-Staaten, um die Zinsen zu drücken. Auch sind bislang keine Schritte erkennbar, die Spekulation zu unterbinden, die alles nur noch schlimmer bzw. teurer macht. Den tieferliegenden Ursachen wird nicht Rechnung getragen:

Deutsche Unternehmer haben aufgrund des deutschen Lohndumpings seit 2000 einen Außenhandelsüberschuss von 1,3 Billionen Euro erzielt. Dies führte zu einer Verschuldung anderer Länder, die mittelbar zu wachsenden Staatsdefiziten führte. In Europa sind dies vor allem die Südländer. Deshalb geraten sie auch als erste ins Visier der Finanzmärkte.

Hinzu kommt, dass die Verschuldung der großen Industriestaaten im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise dramatisch angestiegen ist. Allein in Deutschland geht die Hälfte der neuen Schulden von 180 Milliarden Euro seit 2008 auf das Konto der Bankenrettung. In anderen Ländern sieht die Lage viel dramatischer aus.

Diese tieferliegenden Probleme erfordern eine Wirtschaftspolitik, die auf außenwirtschaftlichem Gleichgewicht beruht. Dazu muss die Binnennachfrage in Deutschland angekurbelt werden durch höhere Löhne und staatliche Investitionsprogramme. Außerdem muss die Verschuldung bekämpft werden. DIE LINKE hat in der Krise schon immer gefordert, dass die Reichen die Kosten der Krise bezahlen sollen. Stattdessen wurde alles auf Pump finanziert.

Wir brauchen eine Neugestaltung der Vermögensverhältnisse. Kurz gesagt: Die Reichen sind zu reich und die Staaten zu arm - unter anderem weil in der Vergangenheit immer stärker auf Steuern verzichtet wurde.

Wir brauchen eine massive Besteuerung von Reichen und Vermögenden, zum Beispiel durch die Millionärsteuer. Sie bringt allein 80 Milliarden Euro. Und die Finanztransaktionsteuer, die in Deutschland mehr als zehn Milliarden Euro einbringen kann, europaweit 70 Milliarden. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob die generelle Beschneidung der Forderungen der Gläubiger gegen Euro-Staaten machbar ist - und zwar europaweit. Ein „hair-cut“ in einem einzelnen Land treibt nur die Zinsen nach oben. Und er ist möglicherweise nur sinnvoll, wenn eine wichtige Forderung der LINKEN ungesetzt wird: die Vergesellschaftung der privaten Banken.

Es kann nicht weitergehen wie bisher: Die Allgemeinheit bezahlt die Verluste, die Banken kassieren die Gewinne.
 
linksfraktion.de, 11. Mai 2010