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Sinnvolle Industriepolitik statt Abwrackprämie 2.0

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Am 5. Mai ist es wieder soweit: Die Spitzen der deutschen Automobilindustrie werden im Kanzleramt zum so genannten Autogipfel erwartet. Einmal mehr geht es um Staatshilfen für den skandal- und krisengebeutelten Sektor. Und natürlich um Entlastung durch Regellockerungen. So forderte die Auto-Lobby zuletzt in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die bestehenden CO2-Vorgaben auszusetzen, um den Konzernen mehr Zeit zu verschaffen. Doch alle Erfahrungen zeigen: Nur mit strengen, politischen Vorgaben können die Automanager zum Umdenken gebracht werden. Und weil es davon viel zulange viel zu wenige gab, hat die deutsche Autoindustrie die Transformation lange Zeit verpennt.

Nun muss die Corona-Krise herhalten, um die jahrelangen Versäumnisse zu verdecken und mehr Staatsgelder zu verlangen, mit denen die Aufholjagd finanziert werden soll. Zuletzt forderte etwa der Branchenverband VDA ganze 20 Milliarden Euro an Zuschüssen. Zur Erinnerung: Die Abwrackprämie, mit der die Autobauer 2009 durch die Weltwirtschaftskrise manövriert wurden, hatte ein Volumen von fünf Milliarden Euro. 

Gewinnausschüttungen disqualifizieren für Staatshilfen

Unbestreitbar ist, die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Shutdowns sind dramatisch. Umfassende Wirtschaftshilfen und Konjunkturspritzen werden unbedingt benötigt, um Insolvenzen zu verhindern und Arbeitsplätze zu bewahren. Doch die Gelder müssen dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden. Warum sollte ein solventes Unternehmen wie Volkswagen, mit einer Gewinnrücklage von 97 Milliarden Euro auf der hohen Kante und geplanten Dividendenausschüttung allein an den Porsche-Piëch-Clan von 1,6 Milliarden Euro, in den Genuss von staatlicher Förderung kommen? VW profitiert bereits in einem Umfang von über 500 Millionen Euro von der richtigerweise vereinfachten Kurzarbeiterregelung. Diese Geschäftspolitik disqualifiziert für staatliche Unterstützung!

Die Abwrackprämie war ökologisch schädlich und ökonomisch ungerecht

Aus den Fehlern der Krisenpolitik 2008/09 muss die Bundesregierung einiges lernen. Die Abwrackprämie war eine ökologische Katastrophe und vielfach verlief die Krisenhilfe nach dem Motto „Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren“. Staatliche Förderung muss mit strengen ökologischen Kriterien verknüpft werden, die sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommens orientieren. Dass wenige Jahre alte Autos verschrottet und durch neue mit nur minimaler Effizienzsteigerung ersetzt werden, ist inakzeptabel. Längst ist erwiesen, dass sich die Effizienzsteigerungen erst über jahrelanges „Abfahren“ des ökologischen Rucksacks rentieren. Neue Autos sind zudem häufig größer und schwerer. Ganz zu schweigen von dem Unsinn, noch fahrtüchtige Autos zu verschrotten, statt sie weiter zu benutzen. Ähnlich wie die Abwrackprämie würde auch eine neue Kaufprämie für Neuwagen wirken – vor allem für Diesel und Benziner: sie wäre ökologisch schädlich und ökonomisch ungerecht. 

Die Bewältigung der Krise braucht eine industriepolitische Vision

Sinnvoller als das Fördern von Verschrotten und alten Antriebstechnologien wäre eine Förderung von kleinen E-Autos, Lastenrädern und E-Bikes. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen und als ein Baustein einer transformativen Industriepolitik. Darüber hinaus braucht es massive Investitionen in erneuerbare Energien, einen ökologischen Umbau der Industrie und die Schaffung von grünen Innovationszentren und Technologieclustern. Staatliche Fördermittel müssen eine Lenkungswirkung erzielen und daher an negative wie positive Bedingungen geknüpft werden. Negative Bedingungen stellen eine Mindestbeteiligung der Kapitaleigentümer an den Krisenkosten sicher: keine Auszahlungen von Boni und Gewinnausschüttungen, wie Dividenden und Aktienrückkäufe, Gehaltsgrenzen für Unternehmensvorstände, Zugangsverbot bei Sitz in Steueroasen sowie Steuertransparenz bei Anteilsbesitz in Steueroasen. Positive Bedingungen sind eine Ausweitung von Mitbestimmung und Mitarbeiterbeteiligung sowie im Falle einer staatlichen Beteiligung ein Mitspracherecht des Bundes und der Kommunen bei unternehmerischen Entscheidungen. 

So kann eine transformative Industriepolitik gute Arbeitsplätze schaffen und erhalten, die gleichzeitig gut für das Klima und die Umwelt sind. Corona-Krise und Klima-Krise müssen zusammengedacht und zusammen bekämpft werden – mit massiven Investitionen in grüne Technologien und einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft!