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Sechs Fragen an Sevim Dagdelen

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

41 der 76 Abgeordneten, die DIE LINKE im 17. Bundestag stellt, üben ihr Mandat bereits seit 2005 oder länger aus. Woran können sie anknüpfen? Wie wollen sie ihre Arbeit fortsetzen? Was wollen sie anders machen? linksfraktion.de fragt nach.


Sevim Dagdelen, 34, Journalistin aus Nordrhein-Westfalen

Welche Erfahrung, welches Ergebnis oder Ereignis hat Sie in den zurückliegenden vier Jahren besonders darin bestärkt, dass sich ihre Arbeit lohnt?

Dass ich mit meinem Mandat konkret und allgemein etwas bewirken kann. Beitragen zu können, dass Menschen nicht abgeschoben werden, ein Visum erhalten, ein Aufenthaltsrecht erhalten, Betriebskämpfe mit Erfolg für die Beschäftigten enden und vieles mehr. Bestärkt hat mich auch, dass in meinem Wahlkreis dutzende Betriebsräte, Migrantenorganisationen, Sportvereine, Umweltgruppen und viele mehr zur Bundestagswahl dazu aufriefen, mich zu wählen.
Außerdem will ich gerade jetzt in Krisenzeiten gegen Spaltungsversuche und Rassismus kämpfen und dafür streiten, dass die Kosten der Krise nicht auf Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner und Studierende abgewälzt werden. Die Profiteure der Krise sollen zur Kasse!

Neue Wahlperiode, alte Kanzlerin: Mit welchen Erwartungen gehen Sie als Abgeordnete in die kommenden vier Jahre?

Es deutet sich schon jetzt eine brutalstmögliche Umverteilungspolitik von unten nach oben an. Deshalb wird es um so wichtiger sein, die Verteilungskämpfe von unten zu unterstützen, Bündnisse mit außerparlamentarischen Gruppen und sozialen Bewegungen auszubauen und zu festigen. Denn nur über gemeinsame Kämpfe können weiterer Sozialraub und Enteignung der Mehrheit der Menschen verhindert werden und dem Abbau von Menschenrechten und der Militarisierung der Gesellschaft nach Außen und Innen begegnet werden.

Was wollen Sie im Bundestag anders oder besser machen als bisher?

Meine Arbeit mit und in verschiedenen Migrantenorganisationen, Antirassismus- und Antifagruppen sowie Friedensgruppen erleichterte es, parlamentarische wie außerparlamentarische Aktivitäten wie bei der Anti-G8-Mobilisierung, der Münchner Sicherheitskonferenz oder im Rahmen des Bündnisses "Wir zahlen nicht für eure Krise" aufeinander abzustimmen. Hier will ich weitermachen und aus dem Dialog heraus politische Schwerpunkte setzen und aktionsbezogen tätig werden. Gleichzeitig möchte ich weiter meine parlamentarischen Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Aufklärung im Interesse dieser Gruppen und Organisationen nutzen.

DIE LINKE ist jetzt mit 76 Abgeordneten im Bundestag vertreten - 23 mehr als bislang. Was wird sich in der neuen Fraktion und für Sie als eines ihrer Mitglieder verändern?

Wir werden jetzt mit gestärkter Kraft unsere Forderungen aus unserer gemeinsamen Arbeitsgrundlage, dem Wahlprogramm, aufs Tapet bringen können und hoffentlich erfolgreicher für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen. Als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für internationale Beziehungen kann ich mit Rückenwind von 76 LINKEN unserer Stimme gegen die internationalen Bundeswehreinsätze und imperialistische Außenpolitik mehr Gehör verschaffen und als migrationspolitische Sprecherin gegen die soziale Ausgrenzung von MigrantInnen sowie für eine menschenrechtlich fundierte Flüchtlingspolitik kämpfen.

Warum ist Opposition nicht Mist?

Weil Veränderung in der Opposition beginnt und wir aus der Opposition heraus die Politik verändert haben. Wir sehen, dass DIE LINKE wirkt - als konsequente Opposition zum Kapitalismus. Wir haben politische Alternativen und die Möglichkeit einer antikapitalistischen Perspektive in die öffentliche Debatte gebracht und die Menschen zum gemeinsamen und solidarischen Kämpfen ermutigt. Für uns muss ganz nach Rosa Luxemburg „die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck“ sein. Und derzeit sind für tatsächliche Sozialreformen keine parteipolitischen Partner in Sicht, mit denen wir z.B. die Abschaffung von Hartz IV, der Rente mit 67, der Privatisierungen und der Beendigung von Kriegen als Mittel der Politik umsetzen könnten.

Wie können Sie als Abgeordnete dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst noch mehr für ihre Interessen streiten?

Zuvorderst, indem ich sie ermutige, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren. Denn Menschen machen ihre eigene Geschichte. Und, indem ich ihnen eine Alternative zum Kapitalismus zeige. Denn nur wer den Mut zum Träumen hat, wird auch die Kraft haben, dafür zu kämpfen. Überall da, wo sich Widerstand gegen Ungerechtigkeiten regt, werde ich deshalb auch zukünftig den Menschen zur Seite stehen und sie in ihrem Engagement bestärken. Deshalb unterstütze ich aktuell voll und ganz den Bildungsstreik und den Kampf der Opelaner in meinem Wahlkreis.