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Rendite mit der Gesundheit ist lebensgefährlich

Im Wortlaut von Eva-Maria Schreiber,

Von Eva-Maria Schreiber


Private Anleger, Fonds, Private Equity Gesellschaften – sie alle haben den Gesundheitssektor als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Sie übernehmen Krankenhäuser, Altenheime oder mobile Pflegedienste, nicht nur um sie zu privatisieren, sondern um sie nach einigen Jahren mit hoher Rendite weiterzuverkaufen. Welche Folgen das für Patient*innen, Pfleger*innen Ärzt*innen hat, das war das Thema eines Fachgesprächs über Ländergrenzen hinweg. Denn: Die Finanzialisierung der Gesundheitsversorgung ist ein globales Phänomen. Mit über fünfzig Teilnehmer*innen diskutierten mein Kollege Dr. Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, und ich mit Anna Marriott, Health Policy Lead von OXFAM UK, Dr. Abhay Shukla, Arzt und Aktivist des People`s Health Movement aus Indien, sowie Dr. Andreas Wulf von Medico International, der die Veranstaltung moderierte.

„Impact Investoren“ sind die Stars dieses neuen Entwicklungsparadigmas. Zu ihnen zählte bis vor kurzem auch der pakistanische Geschäftsmann Arif Nafqi. Er hatte 2002 die Abraaj-Private-Equity- Gruppe gegründet. Nafqi war gern gesehener Gast am Weltwirtschaftsforum in Davos. Mit der Botschaft „Geld verdienen und Gutes tun“ sammelte er Geld bei privaten Investoren, aber auch der Gates-Stiftung oder öffentlichen Entwicklungsbanken.

Ein Schwerpunkt der Abraaj-Gruppe lag im Gesundheitssektor. So übernahm einer seiner Fonds das Nairobi Women`s Hospital. Daraufhin häuften sich in den kenianischen Medien Berichte über überteuerte Behandlungen, unnötige Operationen und den Druck, den das Management auf die Ärztinnen und Ärzte des Krankenhauses ausübte, möglichst viel Geld aus den Patient*innen rauszupressen.

Betrug im großen Stil

Doch nicht solche Berichte wurden der Abraaj-Gruppe zum Verhängnis, sondern Betrug im großen Stil. Ab 2017 stellte sich heraus, dass die Abraaj-Group hohe Summen der Investoren veruntreut hatte – allein bei dem 1 Milliarden Dollar schweren Abraaj Growth Market Health Fund waren 250 Millionen Dollar verschwunden. Doch schließlich fiel das Kartenhaus in sich zusammen, Abraaj brach zusammen – und Arif Nafqi lebt nach der Zahlung einer Kaution von 19 Millionen Dollar unter Hausarrest in London.

Auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) war an sieben Fonds, Holdings und Unternehmen der Abraaj-Gruppe beteiligt, die ihren Sitz oft in Steueroasen haben. Die DEG betont zwar, dass diese nicht an den Betrugsskandal rund um die Abraaj-Gruppe involviert waren. Trotzdem wirft der Abraaj-Fall exemplarisch grundlegende Fragen zur Rolle von Entwicklungsbanken im Allgemeinen und der DEG im Speziellen auf.

Öffentliche Entwicklungsbanken haben lange unterhalb des öffentlichen Radars agiert. Allein die DEG verwaltet mehr ca. 11 Milliarden Euro, die sie in Form von Darlehen oder Beteiligungen hält. Was sie mit dem Geld jedoch genau macht, ist sehr intransparent. Die DEG gleicht einer Black Box, aus der nur wenige, ausgewählte Informationen nach außen dringen. Anna Marriott betont, dass von allen 19 europäischen Entwicklungsbanken die deutsche DEG am wenigsten transparent sei. Noch weniger wissen wir über den entwicklungspolitischen Nutzen oder Schaden dieser Investitionen. An Beispielen aus Ländern wie Vietnam, Uganda und Bangladesch verdeutlicht Anna Marriott eindringlich, dass diese rendite-orientierten Krankenhäuser eine Bedrohung für die Gesundheit der Menschen sind. Vielen ärmeren Patient*innen wird der Zugang zu medizinischer Versorgung verweigert, operative Eingriffe werden nicht an menschlichen und medizinischen Bedarfen ausgerichtet, sondern nach Profit. Es gibt Fälle von Verstorbenen, die nicht an ihre Familien übergeben wurden, wenn sie zuvor nicht die überteuerten Rechnungen bezahlen konnten.

Dr. Abhay Shukla aus Pune, ‚Indien, beklagt, dass jährlich 115 Millionen Menschen in die Armut rutschen, als direkte Folge hoher Rechnungen für die medizinische Versorgung. Indien zahlt nur 1,1 % des BSP für Gesundheitsausgaben, während 70 Prozent der Gesundheitseinrichtungen privat und profitorientiert sind. Dabei sind die Kosten für private Einrichtungen acht Mal so teuer wie für vergleichbare öffentliche Institutionen.

Ausverkauf der öffentlichen Gesundheitsversorgung

Zwar ist der Ausverkauf der öffentlichen Gesundheitsversorgung mit Private Equity Gesellschaften laut Dr. Achim Kessler in Deutschland noch nicht so weit vorangeschritten wie in Indien. Dennoch nimmt der Trend dieses Geschäftsmodells auch hierzulande an Fahrt auf. 2017 wurden mit 15 Prozent bereits die meisten Übernahmen in der Gesundheitsbranche durch Private Equity vollzogen. Kessler spricht von einem wachsenden Bewusstsein unter der Belegschaft und Patient*innen, die ihre ethische Verantwortung durch das Primat des Ökonomischen gefährdet sehen. Gesundheit ist keine Ware – wir brauchen starke, öffentliche Gesundheitssysteme und eine Rekommunalisierung der Gesundheitseinrichtungen. Darin sind sich alle Referent*innen einig.

„Indien und Deutschland liegen gar nicht so weit auseinander“, bemerkt Dr. Andreas Wulf. Von daher erkennen die Gäste eine gemeinsame Verpflichtung, gegen eine weitere Privatisierung und Finanzialisierung der Gesundheitsversorgung zu kämpfen, und zwar weltweit. Private Equity sollte geächtet werden, so Dr. Kessler. Die DEG könnte sinnvollere Aufgaben übernehmen, wie den Aufbau von Generika-Impf-Unternehmen, die der Allgemeinheit, nicht dem Profit dienen sollen, schlägt Marriott vor.

Wir LINKE fordern seit langem ein starkes öffentliches, allen Menschen zugängliches Gesundheitssystem. Dr. Shukla und Marriott zeigen auch schon Wege auf, wie wir uns dem Ausverkauf unserer Gesundheitssysteme in den Weg stellen können: in Deutschland müssen wir beispielsweise mit Informationen, Dokumentation und der Veröffentlichung von Fällen mehr Öffentlichkeit für diese fahrlässigen Finanzspiele auf Kosten der Gesundheit generieren. Eine staatliche Bank sollte diese Finanzialisierung gar nicht vornehmen. Private Equity im Gesundheitsbereich gehört verboten. Dr. Shukla hat bereits mit Patient*innenrechtsgruppen und Gewerkschaften Kampagnen auf die Straße getragen, um die Re-Sozialisierung der Gesundheit in Indien, die wie in Deutschland bis in die 1980er Jahre nicht privatisiert werden durfte, voranzutreiben. „Die Entwicklungsbanken sind international gut vernetzt. Nun ist es an uns, den Widerstand global zu vernetzen“, so Eva-Maria Schreiber.