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»Politische Lösung unter Einschluß Assads«

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Wahlen in Syrien zeigen, daß der Präsident weiter über signifikante Unterstützung in der Bevölkerung verfügt. Gespräch mit Sevim Dagdelen in der Zeitung junge Welt.

Sevim Dagdelen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke

 



Sie waren in der vergangenen Woche mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Nahen Osten unterwegs. Wie wurde bei Ihren Gesprächspartnern die Syrien-Politik der USA und anderer NATO-Staaten bewertet?

Der rote Faden dieser Reise war der Krieg in Syrien. Der libanesische Außenminister wie auch andere Mitglieder der Regierung zeigten sich uns gegenüber regelrecht schockiert über die Erklärung von US-Präsident Barack Obama, die Aufständischen aufrüsten zu wollen. Die Bundesregierung hingegen schweigt dazu bisher öffentlich. Für die Libanesen hingegen war klar, Washingtons Ankündigung bedeutet noch mehr Blutvergießen für die gesamte Region. Der libanesische Außenminister warnte außerdem, daß sich die Förderung von Terroristen bald auch gegen Europa selbst richten werde.

Täuscht der Eindruck oder waren in Katar tatsächlich mehr die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen Thema als die tödliche Unterstützung der Scheichs für die bewaffneten Islamisten in Syrien?

Besonders in Katar war dies mit Händen zu greifen. Das deutsche Kapital möchte selbstverständlich noch mehr am Ölboom verdienen. Der katarische Emir wiederum lädt Deutschland ein, in dem Land zu investieren. Bedauerlicherweise spielten die skandalösen Arbeitsbedingungen in diesem Sklavenhalterstaat nur am Rande eine Rolle. Uns wurde auch ein echter Einblick verwehrt.

Erst auf mein Nachfragen erklärte der katarische Außenminister ganz offen sein Verständnis für die Bewaffnung und Unterstützung für die islamistischen Terrorgruppen in Syrien. Man begrüßte quasi Obamas Initiative. Das ist schon bizarr: Während sie selbst Gewerkschaften und Parteien verbieten, segeln die gleichen Monarchen in Syrien unter dem Stichwort »Demokratie«. Berlin macht dabei stets gemeinsame Sache mit blutigen Diktaturen. Es geht nämlich ums Geschäft und um eine geopolitische Allianz im Nahen und Mittleren Osten. Genauso in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unsere Gesprächspartner in den Emiraten lobten immer wieder den gemeinsamen deutsch-emiratischen Treuhandfonds, mit dem humanitäre Hilfe für Syrien nur in von Aufständischen kontrollierten Gebieten geleistet wird. Es geht aber auch um Projekte, die die politische Führung der islamistischen Milizen in Syrien stärken soll.

Im Vorfeld der Delegationsreise hieß es, Steinmeier wolle sich »um neue Ansätze für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts bemühen« (dpa). Was ist daraus geworden?

Praktisch nichts. Es geht weiter um eine Unterstützung der Aufständischen, auch wenn klar ist, daß dies noch mehr Tote bedeutet. Die Bundesregierung ordnet sich Washington unter, während sie gleichzeitig versucht, zusammen mit den Golfdiktaturen ihren Einfluß auszuweiten.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Präsidentschaftswahl in Syrien als »Farce« bezeichnet. Kein Verbündeter werde das Ergebnis anerkennen. Wie bewertet die Partei Die Linke die Abstimmung in dem vom Krieg zerrütteten Land?

Die Frage ist eben, ob unter Kriegsbedingungen überhaupt Wahlen stattfinden können. Es ist in diesem Zusammenhang aber wieder einmal bemerkenswert, daß diejenigen die dies für Damaskus ausschließen, es für die Ukraine nicht tun. Im Donbass sind Millionen dem Krieg der ukrainischen Putschregierung ausgesetzt. Und wer die Möglichkeit von Wahlen in Kriegszeiten wie in Afghanistan oder im Irak einräumt, müßte dies dann eigentlich auch in Syrien gelten lassen. Die Politik der doppelten Standards der ­NATO-Offiziellen läßt dies aber nicht zu. Dabei wird übersehen: Selbst viele der in den Libanon geflohenen Syrer haben sich an der Präsidentschaftswahl beteiligt. Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß Assad über eine signifikante Unterstützung in Syrien zu verfügen scheint. Das liegt definitiv auch an den schlimmen Alternativen im Land, wie den islamistischen Terrorgruppen, die Minderheiten wie die Kurden und Armenier massakrieren. Das heißt für mich aber auch, daß eine politische Lösung unter Einschluß Assads gefunden werden muß.

junge Welt, 5. Juni 2014