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Pflegeberufe müssen attraktiver werden

Im Wortlaut von Kathrin Senger-Schäfer,

Wie in jedem Jahr sind die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE während der so genannten Parlamentarischen Sommerpause viel in ihren Wahlkreisen unterwegs. Vor Ort nehmen sie sich der Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger an, besuchen Betriebe und Vereine, engagieren sich für lokale und regionale Anliegen. Auf linksfraktion.de schreiben die Parlamentarierinnen und Parlamentarier über ihren Sommer im Wahlkreis.  


Kathrin Senger-Schäfer (l.) zu Gast im Pflegeheim Zweibrücken
 


Es ist höchste Zeit, endlich die Pflegeberufe attraktiver zu machen! Das war das herausragende Resultat meines Besuchs am 23. August 2011 im Zweibrücker Altenhilfezentrum Johann-Hinrich-Wichern-Haus mit dem Motto: "Pflegepolitik trifft Praxis".   Mich hat dieses Altenhilfezentrum wirklich tief beeindruckt. Denn trotz schwieriger Rahmenbedingungen, die gekennzeichnet sind durch enorme Arbeitsbelastung und vergleichsweise schlechte Bezahlung, leistet das Pflegepersonal unter der engagierten Leitung von Raphaël Baumann hervorragende Arbeit. Man spürte, dass sich die Menschen dort wohlfühlen.   Dafür sorgt ein Konzept mit drei Säulen, welches mir der Leiter des Wichernhauses bei einem Rundgang vorstellte. So werden die Mitarbeiter speziell im Bereich der Wertschätzung oder Validation ausgebildet. Dies ist eine Methode zum besseren Verständnis und Umgang mit verwirrten, alten Menschen. Validation geht davon aus, dass es immer einen Grund für das Verhalten von desorientierten Menschen gibt. "Wer mit Einfühlungsvermögen und besonderen Kommunikationstechniken in die Schuhe des anderen tritt, kann die Gründe für das manchmal nicht nachvollziehbare Verhalten alter Menschen erfahren und verstehen", erklärte Baumann.   Gefühle, die von einer vertrauten Person wertfrei angenommen werden, könnten schwächer werden. Wenn sie unterdrückt und ignoriert werden, sei ein Konflikt möglich. Bei kontinuierlicher Anwendung fänden die Betroffenen, auch wenn sie nicht in die Realität zurückkehren, ihr inneres Gleichgewicht. Diese Zufriedenheit erleichtere den Umgang und das Zusammenleben mit diesen Menschen. Eine weitere Säule der Einrichtung ist die Alltagsbegleitung, die nicht zur eigentlichen Kernpflege gehört. Wichtig sei auch das dritte Angebot des Wichernhauses, der Sinnesgarten. Er ist für die älteren Menschen eine interessante Erlebniswelt.   Aber nichts desto trotz: Immer weniger Menschen entscheiden sich für den Altenpflegeberuf, so eine übereinstimmende Erkenntnis des im Anschluss geführten pflegepolitischen Fachgesprächs, bei dem es auch Gelegenheit gab, mit VertreterInnen der im Hause tätigen Berufsgruppen sowie mit der BewohnerInnenvertretung zu sprechen. Angesichts der beschriebenen Komplexität, welche den Pflegeberuf heutzutage ausmacht, wird deutlich, wie wichtig gut ausgebildetes und motiviertes Pflegefachpersonal ist.

Die Anforderungen an die Pflegekräfte haben sich verändert. Pflegerisches Handeln beschränkt sich nicht nur darauf, krankheitsbedingte Einschränkungen zu kompensieren. Gesundheitsförderung und Prävention gehören genauso dazu wie Beratung, Anleitung und Schulung von Kranken und Pflegebedürftigen und ihnen nahe stehenden Menschen. Mehr Personal, gute Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung sind also längst überfällig. Die Forderungen nach einer Aufwertung der Qualifizierung für den Pflegeberuf fand bei allen Gesprächsteilnehmern Anklang. Der Pflegeberuf würde wohl hierzulande oft nicht ganz ernst genommen, aber es reichen für diesen Beruf eben nicht nur "ein gutes Herz und gesunde Hände".   Raphaël Baumann kritisierte darüber hinaus die unterschiedliche Personalbemessung in den einzelnen Bundesländern: So hätte seine Einrichtung, wenn sie in Bayern läge, acht Planstellen mehr zur Verfügung. Dem konnte ich ohne Wenn und Aber zustimmen, ist es doch eine langjährige Forderung der LINKEN endlich die Grundlage für eine bundeseinheitliche qualitätsbezogene Personalbemessung zu schaffen.   Auch das Thema Pflege-Mindestlohn kam auf die Tagesordnung. Einerseits sei er sinnvoll, obgleich viel zu niedrig, andererseits würde in der Einrichtung sowieso nach Tarif bezahlt und die Löhne seien höher. In diesen Fällen laufe man mit dem aktuellen Pflege-Mindestlohn Gefahr, eher Lohnsenkungen den Weg zu ebnen. Insgesamt sei die Finanzierung der Pflege an sich schlecht geregelt und es mangele infolgedessen auch an Personal. Ich stellte daher das Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung vor, mit der auch zukünftig qualitativ hochwertige Pflege finanzierbar ist und dringend notwendige Leistungsausweitungen verwirklicht werden können. Auch zu diesem Konzept fanden sich große Übereinstimmungen unter den Diskussionsteilnehmern.

Von Kathrin Senger-Schäfer

linksfraktion.de, 23. August 2011
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