Von Katrin Kunert
Eine vierte deutsche Olympiabewerbung nach 1972 ist am vergangenen Sonntag schon sehr zeitig beendet worden. Bürgerinnen und Bürger hatten sich bei einem Bürgerentscheid in vier Abstimmungsorten Bayerns gegen eine erneute Olympiabewerbung Münchens ausgesprochen.
Nach den berechtigten Kritiken der Bürgerinnen und Bürger gerade in Garmisch bei der vorangegangenen Bewerbung München 2018 wollten die Initiatoren die Bevölkerung bei der erneuten Bewerbung mitnehmen beziehungsweise die Akzeptanz erfragen.
Ich selbst musste damals in Garmisch von Gemeinderäten erfahren, dass unter anderem der Bürgermeister einfach nicht bereit war, alle im Rat vertretenen Parteien in die Informationen einzubeziehen.
Der Oberbürgermeister von München hatte regelmäßig Gegnerinnen und Gegner verhöhnt.
Insofern mussten die Initiatoren für München 2022 mit einer Niederlage rechnen, sie waren sich vermutlich zu sicher. Dennoch ist direkte Demokratie ein wichtiges Gut in der Gesellschaft.
Die Ablehnungsgründe der Bürgerinnen und Bürger müssen analysiert und vor allem ernst genommen werden. Die Winterspiele in Sotschi sind da bestimmt ein schlechtes Beispiel. Wie brutal in die Natur eingegriffen worden ist, Menschen aus ihren Dörfern vertrieben, all das ist den Menschen sehr präsent.
Der Olympiagegner Hartmann meinte: "Es hat nicht der Sport verloren, sondern das IOC." Eine vage Vermutung, wenn man das Agieren des IOC bei vergangenen Vergaben von Olympischen Spielen verfolgt hat. Dem IOC ist ziemlich egal, wer sich für die Austragungen bewirbt. Und oft sind es die Argumente zwischen Daumen und Zeigefinger, die am Ende entscheidend zu sein scheinen. Und leider ist dem IOC auch nicht besonders wichtig, die Vergabe nach Kriterien zu entscheiden wie beispielsweise Umwelt- oder Sozialstandards, die Menschenrechtssituation oder der Eindämmung des Kommerzes.
Seit September wird das IOC vom einstigen DOSB-Präsidenten, Dr. Bach, angeführt. Mit ihm verbinden viele in der Sportwelt eine mögliche Reform im IOC. Eine Austragung in München 2022 hätte also den Charme haben können, die Winterspiele und Paralympics nach Kriterien einer modernen und gerechten Gesellschaft zu gestalten.
Deutschland ist eine erfolgreiche Wintersportnation. Wer einmal den Biathlon-Weltcup in Oberhof live erleben konnte, fährt immer wieder dorthin. Tausende Menschen haben Spaß am Sporttreiben oder am Zuschauen. Kinder und Jugendliche eifern Olympioniken nach, eine Teilnahme an Olympischen Spielen oder Paralympics ist das Größte für Sportlerinnen und Sportler. Und jede Sportlerin uns jeder Sportler träumt von Spielen im eigenen Land.
Es gibt seit Jahren die Bewegung "Jugend trainiert für Olympia", seit Kurzem trainiert auch "Jugend für Paralympics". Welches Signal mag das Votum des Entscheides auf die jungen Sportlerinnen und Sportler haben?
Die Debatte um Olympia wird jetzt definitiv intensiver geführt werden müssen. Wie kann das IOC nach sozial-ökologischen Kriterien mögliche Austragungsorte bewerten? Wie kann der Antidopingkampf vom IOC wirksam unterstützt werden? Wie kann das IOC, die Altmännerriege, verjüngt und eine Frauenquote eingeführt werden? Für das IOC müssen wieder die olympischen Ideale in den Focus gerückt werden, Völkerverständigung, Frieden und der faire und saubere Sport. Nicht das Erschließen von neuen Märkten und immer mehr Gewinn für das IOC.
Transparenz und Bescheidenheit müssen für den Präsidenten des IOC auf die Agenda.
Eine Ablehnung von Olympischen Spielen in Deutschland kann bedeuten, dass die Spiele in Länder vergeben werden, in denen Umwelt, Menschenrechte und Demokratie nicht so groß geschrieben werden. Wenn es kein Umsteuern beim IOC gibt.
Aber bei allen Diskussionen müssen wir auch ehrlich miteinander umgehen: Im Kapitalismus können der Sport und Olympia nicht die reine Lehre des Sozialismus verkörpern oder umsetzen. Und wenn wir der Logik der Ablehnung einer Olympiabewerbung folgen: was machen wir künftig mit Bewerbungen für Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften im Fußball, Handball oder in der Leichtathletik?
Weltsportverbände haben ähnliche Strukturen wie das IOC, denken wir nur an die FIFA. Die abgelehnte Olympiabewerbung ist ein Verlust für den Sport, und ich bin auch enttäuscht, weil ich durchaus Stimmen vernehme, die mit Häme diese Ablehnung feiern. Wir dürfen aber nicht vergessen: Es gibt Millionen von Menschen, die Spaß an Olympischen und Paralympischen Spielen haben.
linksfraktion.de, 13. November 2013