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Nach dem Crash ist vor dem nächsten Crash: Für eine neue Weltwirtschaftsordnung

Im Wortlaut von Ulla Lötzer,

2.800.000.000.000 Dollar - so viel wird die Finanzkrise nach Einschätzung der britischen Notenbank die Banken weltweit kosten. Für die reale Wirtschaft und die Menschen wird es noch um einiges teurer, denn wir befinden uns an der Schwelle zu einer neuen Weltwirtschaftskrise.
Die Deutsche Bank erwartet für die sieben größten Industrieländer (G7) einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent im Jahr 2009. Eine solche Rezession gab es seit den 1930er Jahren nicht mehr.

Auch die Schwellenländer rutschen in die Krise. Den asiatischen Staaten brechen die Exportmärkte weg, Lateinamerika und andere rohstoffexportierende Staaten leiden vor allem unter den sinkenden Rohstoffpreisen und einer Kreditklemme. In Osteuropa wird wegen der Abhängigkeit von ausländischem Kapital eine besondere Verwundbarkeit deutlich: Ungarn und die Ukraine müssen Finanzhilfen des IWF in Milliardenhöhe in Anspruch nehmen - ein Staatsbankrott steht dort wie zuvor in Island vor der Tür.

Am schlimmsten könnte es die Menschen in den ärmsten Ländern treffen. In Pakistan etwa hat der Abzug ausländischer Investoren seit 2007 zusammen mit hohen Öl- und Lebensmittelpreisen zu akuter Finanznot geführt. Beobachter sagen, es sei nur eine Frage der Zeit, dass es zu Hungersnöten komme.

Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) forderte bereits Mitte Oktober, die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Entwicklungsländer verstärkt in den Blick zu nehmen.

Die Krise zieht um die ganze Welt, und sie ist keinesfalls allein eine Finanzkrise. Sie ist Folge der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die von den westlichen Industriestaaten und der Bundesrepublik in vorderster Front vorangetrieben wurde. Diese Strategie beinhaltet die Fixierung auf die Angebotsbedingungen der Unternehmen, sprich: eine Umverteilung von Arbeits- hin zu den Gewinneinkommen.

In der Konkurrenz um Anlagen von transnationalen Konzernen und Finanzmarktakteuren wurden Unternehmenssteuern gesenkt, Löhne, Arbeitsbedingungen und Umweltstandards geschleift, die öffentliche Daseinsvorsorge für ihre Profite privatisiert, Auflagen für Investitionen abgeschafft und auch der Handels- und Güterverkehrs liberalisiert.

Neue Volkswirtschaften wie China wurden durch Liberalisierung des Güter- und Dienstleistungsverkehrs, die Abschaffung aller Auflagen für Investitionen und zur Förderung der Exportorientierung in die globale Marktökonomie einbezogen. Damit sicherten sich sie Konzerne und Finanzinvestoren Zugang zu billigen Arbeitskräften, neuen Märkten, billigen Agrarprodukten und Rohstoffen und zur Infrastruktur dieser Länder.

Weil die Weltwirtschaftskrise eine Krise des neoliberalen Weltwirtschaftssystems ist, genügt es auch nicht, oberflächliche Regulierungen der Finanzwirtschaft oder nur „mehr Transparenz“ zu schaffen. Neben einer umfassenden demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte muss auch die Weltwirtschaft neuen demokratischen Regeln unterstellt werden.

Der Kapitalismus mit seiner Liberalisierung und Deregulierung hat auf allen Ebenen versagt. Er hat nicht nur das Finanzsystem, sondern auch die Umwelt in Krisen gestürzt, und verursacht Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung, Hungersnöte und Armut weltweit. Mächtige Akteure, wie Transnationale Konzerne und Investoren, müssen auf sozial-ökologische Regeln verpflichtet, Ernährungssicherheit und Nahrungssouveränität sichergestellt werden. Wir brauchen eine Wende zu Regionalisierung und Binnenmarktorientierung statt Wettlauf um Exportüberschüsse. Öffentliche Unternehmen und Demokratisierung von öffentlichen und privaten Unternehmen müssen gestärkt werden. Weltweit müssen Konjunkturprogramme mit öffentlichen Investitionen in die soziale und ökologische Wende koordiniert und Mittel für Kredite dafür in regionalen und globalen Fonds bereitgestellt werden. Wir treten für ein Moratorium für alle Handelsabkommen, ob WTO oder global europe, ein. Eine Regulierung der Weltwirtschaft im Interesse von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit kann nur unter dem Dach der UN erfolgen.

Von Ulla Lötzer