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Militär statt Hungerhilfe

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

EU und USA setzen militärische Unterstützung für nicht legitimierte Übergangsregierung in Somalia fort

Sevim Dagdelen

Der Rat der Europäischen Union hat am Donnerstag einstimmig das Mandat für die EU-Mission zur Ausbildung somalischer Soldaten (EUTM-Somalia) verlängert. Auch die deutsche Bundesregierung teilte mit, daß die Bundeswehr ihre Beteiligung »auf dem jetzigen Niveau« fortführen werde. Bislang waren an der EUTM insgesamt 31 deutsche Soldaten beteiligt, die nur zum »Selbstschutz« bewaffnet waren. Deshalb liegt nach Ansicht der Bundesregierung auch kein »bewaffneter Einsatz im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes« vor, so daß es keine Befassung des Bundestages mit diesem Thema geben werde. Hierzu hatte das Bundesverfassungsgericht 2008 noch festgehalten, daß der Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht »von den politischen und militärischen Bewertungen und Prognosen der Bundesregierung abhängig gemacht werden« dürfe. Eine parlamentarische Kontrolle scheint aus Sicht der Bundesregierung jedoch das Agieren in den rechtlichen Grauzonen der gescheiterten Staaten und Bürgerkriege Afrikas unnötig zu verkomplizieren.

Bereits vom 14. bis 17. Juni trafen sich in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, Vertreter der EU-Direktion für Krisenmanagement und Planung, des EU-Militärstabes, des US-Außenministeriums und die Kommandierenden der ugandischen und somalischen Streitkräfte, um die Lage in Somalia zu besprechen. Obwohl sich die aktuelle Hungerkatastrophe am Horn von Afrika zu diesem Zeitpunkt längst abgezeichnet hatte, stand nicht die Ernährung der somalischen Zivilbevölkerung im Mittelpunkt der Gespräche, sondern der Aufbau einer neuen Armee im Bürgerkriegsland.

Im Rahmen der nun verlängerten EUTM waren die ersten tausend Soldaten für diese Armee im zweiten Halbjahr 2010 gemeinsam mit den ugandischen Streitkräften in deren Feldlager Bihanga ausgebildet worden. Anschließend wurden sie von den USA mit Waffen ausgerüstet und nach Mogadischu geflogen, um dort unter dem Kommando der ebenfalls überwiegend aus ugandischen Soldaten bestehenden AU-Truppe AMISOM gegen die Milizen der Al-Schabab zu kämpfen.
Für diese Kampfeinsätze, bei denen regelmäßig auch Wohngebiete unter Mörserbeschuß genommen und Kindersoldaten eingesetzt werden, will die Bundesregierung jedoch keine Verantwortung übernehmen. In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion leugnete sie sogar jegliche detaillierten Kenntnisse über die Einsätze der von ihr ausgebildeten und von den USA bezahlten Soldaten. Die Bundesregierung »geht davon aus, daß somalische Sicherheitskräfte, auch solche, die im regionalen Ausland ausgebildet wurden, regelmäßig in Gefechten mit der radikalislamistischen Al-Schabab stehen«, das »nach Aussagen vor Ort über 90 Prozent der Soldaten des ersten Ausbildungsjahrganges« aus Bihanga regelmäßig zum Dienst erscheinen würden und von diesen bereits zwölf gefallen sein sollen. Genauer will man es offensichtlich nicht wissen. Somit gibt es auch »keine Hinweise darauf«, daß einige der ausgebildeten Kämpfer mittlerweile zu den Al-Schabab übergelaufen sein könnten, wie es sonst in den somalischen Streitkräften häufig vorkommt.

Auch über die Gespräche in Kampala machte die Bundesregierung keine näheren Angaben. Sicher ist, daß die EU-Vertreter eine Verlängerung ihrer Ausbildungsmission in Bihanga zusagten und die USA erneut deren Bewaffnung in Aussicht stellten. Es wurden wohl auch konkrete Absprachen bezüglich einer dritten Tranche von 1000 Soldaten getroffen, die in Somalia rekrutiert und dann zur Ausbildung nach Bihanga geflogen werden sollen. Ein entsprechender EU-Beschluß lag zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vor, das ursprüngliche Mandat war auf zwei »aufeinanderfolgende, sechsmonatige Trainingsperioden« beschränkt und hätte damit im Mai 2011, ein Jahr nach dem Beginn der Mission, auslaufen müssen. Schon die Ausbildung der ersten 1000 Soldaten wurde allerdings um mehrere Monate verlängert, da die EU zunächst noch entsprechende »Aufnahmekapazitäten« in Mogadischu schaffen mußte. So konnte die Ausbildung der zweiten Tranche von 1000 Soldaten erst in diesem Frühjahr beginnen.

Völkerrechtlich ist der Einsatz jedoch längst ins Wanken geraten. Die demokratisch nicht legitimierte somalische Übergangsregierung war von der internationalen Gemeinschaft unter der Prämisse anerkannt worden, innerhalb von fünf Jahren Wahlen durchzuführen, hat diese Frist aber bereits mehrfach, zuletzt am 3. Februar 2011, eigenmächtig verlängert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte dies seinerzeit als »überhastet« kritisiert und festgestellt, daß dies der »Glaubwürdigkeit« der Übergangsregierung schade. An der Ausbildung von Soldaten für ebendiese wurde trotzdem festgehalten.

junge Welt, 1. August 2011